Global Trends 2025 (Studie)
#23
Das Mittelalter muss man als Pauschalbegriff und Überbegriff in all seinen Nuancen sehen. Da muss man sicherlich differenzieren zwischen den verschiedenen Phasen. Keine Frage. Man muss sicherlich auch sehen, dass Pauschalbegriffe wie "das finstre Mittelalter" nette Klischees sind. Aber man sollte auch aufpassen, dass Mittelalter nicht hochzujubeln.
Dass man im Mittelalter technologisch wie kulturelll letztlich wieder der Antike überlegen war, halte ich sowohl in der Pauschalität der Aussage, als auch im Inhalt für nicht belegbar (@ Quintus: Wenn du da Quellen hast... dann bitte).
Geistesgeschichtlich war das Mittelalter beispielsweise - mit ein paar Abstrichen - Rückstand und Stillstand. Die bedeutenden Werke der griechischen Philosophen wurden gelesen, aber "verpufften" unter der religiösen Hegemonie.
Ansonsten bot das Mittelalter - bis auf die Entwicklung der Städte - wenig, nein gar keinen kulturellen oder technologischen Fortschritt. Die Sklavenhaltegesellschaft wurde spätestens ab dem Hochmittelalter durch ein rigides Leibeigenschaftssystem abgelöst.
Ansonsten muss man einfach die immense politische Neordnung sehen: In den Jahrhunderten nach der Völkerwanderung bildeten sich schlicht ein Haufen neuer Herrschaftsgebilde, die sich nach und nach konsolidierten. Man hat hier also einen politischen Bruch im Vergleich zum mittelmeerzentrierten, hegemonialen Römischen Reich. Und die Umwandlungen bedeuteten eben Kriege und auch Chaos. Diese Umwandlungen und der geistige Stillstand haben zum Bild des dunklen Mittelalters sicherlich beigetragen.

Nun zur Nation: Quintus Vorstellung ist antiquiert und gehört heute zu einem engen Kreis nationaler, national-konservativer und nationalistischer Kreise. Da Quintus da das Verdikt der Geschichtswissenschaft gegenüber dem Mittelalter erwähnte, hole ich mal analog aus: Sozialwissenschaftlich ist inzwischen relativ klar, dass der Nationalstaat inzwischen ein schwächliches Konzept aus. Der Glaube an die Stärke einer Nation ist ein Vorgehen des 19. Jahrhunderts und wird in Europa nur zur Selbstzerstörung führen. Der Glaube, die EU für deutsche Großmachtphantasien instrumentalisieren zu können, ist lächerlich und braucht eine mächtige Portion Naivität (die sonst Quintus doch gar nicht hat... hier aber schon). So oder so, in ein postmodernes, supranantionales Europa passt keine deutsche Großmacht mehr. Und in einer globalisierte Welt ist und bleibt Deutschland nur eine schwindende Mittelmacht. Da muss man auf ein supranationales Europa setzen.
Nationalität und Nation sind - auch wenn das Quintus nicht gefällt - Konstrukte und damit veränderlich. Deutschland war eine Erfindung des 19. Jahrhunderts und kann genausogut auch im 21. Jahrhundert aufgehen in einem kosmopolitischen Europa. Und nach Lage der Dinge wäre das nicht die schlechteste Entwicklung.
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