(Allgemein) IT- und Kommunikationstechnik in der Bundeswehr
#17
(10.08.2023, 10:37)Quintus Fabius schrieb: Nun kann man natürlich behaupten, dies läge an dysfunktionalen Prozessen und habe ja rein gar nichts mit den Führungsmitteln selbst zu tun, ala nicht Waffen töten Menschen, sondern Menschen töten Menschen etc, oder wie du es hier tust darlegen, dass diese Systeme die ohnehin und abhängig von ihnen bestehenden Probleme nur aufdecken, nicht aber sie verursachen. Eine Henne-Ei Frage also.

Nein, keine Henne-Ei-Frage, und ebenso ist deine Schlussfolgerung aus meiner Ausführung falsch. Natürlich gibt es eine direkte Kausalität zwischen der Entwicklung von Führungsmitteln und der Entstehung der "dysfunktionalen Prozesse", die Bumerang-Effekte sind ja real vorhanden und ich werde sicher nicht dagegen argumentieren. Aber diese Kausalität wohnt nicht den Führungsmitteln selbst inne, sondern ist eine Mentalitätsfrage der Führung und vor allem von dieser abhängig. Und damit ist sie nicht zwingend, kann mit einer entsprechenden Denk- und Handlungsweise vermieden werden und so zu einer tatsächlichen (und sehr deutlichen) Fähigkeitsverbesserung führen.

Umgekehrt müsste die These ja sonst auch lauten, dass der Verzicht auf diese Form der Entwicklung der Führungsmittel die Entstehung dysfunktionaler Prozesse verhindern könnte. Wenn ich sehe, wie die Bundeswehr nicht erst seit der Digitalisierung von Proporz und Eigensinn geprägt wurde, dann fällt es mir schwer, dafür wirkliche Argumente zu finden.

Zitat:Meine These dazu ist: Was falsch eingesetzt und missbraucht werden kann, wird zur höheren Wahrscheinlichkeit bzw. wird querschnittlich falsch eingesetzt und missbraucht werden.

Es kann aber alles falsch eingesetzt und missbraucht werden, und dementsprechend würde auch alles falsch eingesetzt und missbraucht werden. Womit wir wieder genau bei dem entscheidenden Punkt sind, Technologie mutiert nur zu einem Mittel zum Zweck, ohne diese Technologie hätte man andere Mittel zum Zweck gefunden. Das Ziel muss es sein, den Zweck und die dahinter stehende Denkweise zu ändern, wenn man ein Problem damit hat, wie die Mittel eingesetzt werden. Das zieht sich doch wie ein roter Faden durch die Bundeswehr und macht natürlich auch nicht bei solch einem schnöden Tisch halt.

Zitat:Damit sollte man dann entsprechend ganz anders an die Sache heran gehen: Zunächst müsse man eindeutig klären, ob man einen solchen "Tisch" zur Führung von Einheiten tatsächlich zwingend braucht. Ist er wirklich notwendig? Und wenn er das nicht ist, gibt es keinen Grund ihn zu verwenden, und dies selbst dann nicht, wenn er eine Erleichterung darstellt. Jede Komplexität die man heraus nehmen kann, alles was man vermindern, reduzieren, und abschaffen kann, ist erstrebenswert.

Im Gegenteil sollte man erstmal festlegen, wie man die Führung dauerhaft umsetzen und dies auch einhalten will. Und dann sollte man die dafür passenden Mittel beschaffen, wobei "passend" maximale Leistung bei minimaler Komplexität meint. Wenn man sich nur auf letztere beschränkt, dann wird man sich selbst durch ausufernde Opportunitätskosten kastrieren.

Vor allem aber geht es doch um die Frage, wie die Fehlentwicklungen jetzt wieder umgekehrt werden. Die Technologie hat mit zu diesen Entwicklungen beigetragen, aber weder ausschließlich ermöglicht noch inhärent erfordert. Und wenn man das akzeptiert, dann wird auch klar, dass die Abschaffung der Technologie nicht zu einer Umkehrung der Entwicklung führen wird. Oder glaubst du allen ernstes, dass durch den Verzicht eines solchen Tisches die Stäbe nun kleiner werden würden, die Führung weniger kopflastig erfolgt und damit auch der Proporz wieder zurück geht? Das ist doch eine völlig unrealistische Utopie, eher wird man noch mehr Stellen schaffen, um die bestehende Führung ohne die jetzt notwendigen Hilfsmittel zu ermögliche, und absehbar wird man die Entwicklung weiterführen, und damit völlig unabhängig von der Technologie die Führungsprobleme weiter verschärfen. Solange eben, bis die Mentalität sich in dem Punkt elementar ändern.

Zitat:Solche Systeme verschulden daher nicht aus sich selbst heraus die angeführten Probleme, diese Problemstellungen sind also nicht systeminhärent in dem technischen System selbst, sondern sie sind systeminhärent im Verbund von Technik und Mensch. Bei einer ganzheitlichen Betrachtung verschlechtern also solche Führungsmittel die Führung, statt sie zu verbessern, und dass meinte ich mit kontraintuitiv.

Nein, bei einer ganzheitlichen Betrachtung hängt es sehr davon ab, wie derartige Mittel eingesetzt werden, ob sie die Führung verbessern oder verschlechtern. Die Allgemeinplätze hinsichtlich der Technologie helfen nicht weiter dabei, wenn die Mentalität hinter der Nutzung funktioniert dann vereinfacht Technologie genau diesen Aspekt des Verbundes zwischen Technik und Mensch ganz gewaltig. Die Mentalität ist die große Herausforderung der Digitalisierung, und sie führt zu der großen Ambivalenz der Ergebnisse.

Und ganz konkret aus der Praxis sehe ich eklatante Vorteile, wenn die richtige Mentalität hinter der Einführung und Nutzung der Technologie steht. Aufgrund der vielen populären Negativbeispiele mag man sich vielleicht gar nicht vorstellen können, wie signifikant die Vorteile sein können. Und die Mensch-Maschine-Schnittstellen spielen dabei durchaus eine sehr relevante Rolle.

Zitat:Eine Lösung für Probleme die aus einer völligen Fehlentwicklung resultieren ! Gäbe es diese Fehlentwicklung nicht, wären diese Systeme also überflüssig.

Der Umkehrschluss, dass diese Mittel nur aufgrund der Probleme existieren, ist nicht haltbar. Allenfalls, dass man sie nur deshalb beschafft hätte. Das wäre aber nur ein weiteres Versäumnis.
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