Jemen
fsc_zedtler schrieb:@Shahab3

Dass die humanitäre Situation sehr schlecht ist, ist mir bewußt. Ich ging bei deinem Beitrag eher von der militärischen Situation aus. 1500 Mann sind sicher nicht viel aber hunderte Panzerfahrzeuge klingen erstmal nach eindeutiger Wende im Jemenkonflikt.
Soweit ich recht informiert bin haben die Saudis schon mal kläglich versagt im Jemen. Aber wie sieht es aktuell aus? Mir fehlt da momentan der Überblick.

Die arabischen Golfregime haben selektiv und in überschaubarer Zahl mitunter qualitativ das beste Kriegsmaterial was man auf dem Weltmarkt für bare Münze kaufen kann. In weiten Teilen qualitativ besser, als es in den Herkunftsländern der Kriegsgüter selbst verfügbar ist.

Mit dieser Creme de la Creme des Kriegsgeräts, gegen ein paar Sandalenträger(!) eine Offensive durchzuführen ist keine Kunst. Selbstverständlich kann selbst eine arabische Truppe, mit Leclerc, Oshkosh, BMP-3 und Co. unter F-15 Cover und amerikanischer Lagebildaufklärung durch Satelliten- und Drohnen welche zentral in einer zentralen US geführten Kommandostelle in SA zusammenlaufen offensiv schnelle Erfolge erzielen. Die Houthi sind auch militärisch gut beraten, diesen Kräften auszuweichen bis sich diese verteilt haben.

Die Probleme beginnen für die Invasoren genau dann, wenn sie diese Landgewinne ohne eine massive Zahl an Bodentruppen gegen den lokalen Widerstand verteidigen/halten wollen. Gebiete einnehmen und Gebiete kontrollieren sind zwei vollkommen unterschiedliche Disziplinen. Für ersteres reicht gutes Material. Das Zweite können sie personell und fachlich nicht und auch die lokale Konstellation gibt das nicht her. Das ist bereits jetzt glasklar.

In relativ kurzer Zeit hat die Arabische Koalition es geschafft -und das war bereits ein Kardinalfehler- die zivile Infrastruktur des Jemen komplett zu vernichten, das Land systematisch abzuriegeln und damit das Land in eine humanitäre Katastrophe zu befördern. Die Lage dort ist noch wesentlich dramatischer, als in den westlichen Medien bis hier hin durchsickert. Da steht inzwischen überhaupt nichts mehr. In weiten Teilen, kein Strom, kein fließend Wasser, auf den Straßen stapeln sich Müll und Leichen, Schulen, Kankenhäuser, Häfen, Flughäfen wurden systematisch bombardiert. >50% der Bevölkerung ist nun unmittelbar von Hunger und Seuchen bedroht. Die Zahl der Menschen ohne Obdach und Flüchtlinge ist wohl nicht mal internationalen Hilfsorganisationen bekannt.

Dort will man also nun schnelle Erfolge erzielen und seinen eigenen Präsidenten, sein eigenes Regime installieren. Klingt das nach einem Plan?

Man kann ja mal ein wenig in den Meldungen der letzten Monate kramen, also in die Zeit als die Houthi noch in der Offensive waren und große Teile des Jemens besetzten, Städte und Militärbasen eingenommen haben. Da sollte man mal sehr genau schauen, mit welcher Strategie die Ansarullah bzw die Houthi Landgewinne erzielt haben und mit welcher Strategie sie in der Lage waren, den Raum auch zu halten. Sie war komplett anders. -> Minimaler Blutzoll, Kooperation mit den alten Kräften und maximaler Erhalt von Infrastruktur und Zivilleben. Ganz nach dem Motto, Raider heißt jetzt Twix, sondern ändert sich nix.

Diesen aktuellen chaotischen Zustand haben also NICHT die Houthi herbeigeführt, sondern dieser Zustand ist mit der hermetischen Abriegelung des Landes und den massiven Bombardements der Golfaraber entstanden.

Wer wird also den Rückhalt in der Bevölkerung haben? General Sisi von Ägypten? Prinz al Thani von Katar? Oder vielleicht afrikanische Sölder in Diensten einer arabischen Besatzungsmacht? Den Rückhalt in der Bevölkerung werden die Houthis und Saleh Loyalisten auf der einen, sowie die jemenitische Al-Kaida und Hadi Loyalisten auf der anderen Seite haben. Dazwischen werden ein paar arabische Soldaten mit modernem Kriegsgerät stehen, die selbst gar nicht wissen, was sie dort sollen. Wie stark müsste eine solche Besatzungsmacht sein? Ich denke wir reden von gut und gerne 50.000 Mann. Und wie lange müsste eine Besatzungsmacht dort die Kontrolle ausüben, bis das Zivilleben wieder hergestellt und das Land befriedet ist? 5 Jahre? 10 Jahre? 30 Jahre?

Diese materiellen Kraftprotze haben kein strategisches Konzept, keinen Rückhalt in der Bevölkerung und sie werden ihre massiven intellektuell-ideologisch-fachlichen Defizite schneller und offensicherlich offenbaren, als ihnen und ihren Verbündeten lieb ist. Sie haben nun direkt vor ihrer eigenen Haustür einen riesigen Haufen Konfliktpotential, den sie nun dauerhaft verwalten dürfen, was sie mit Sicherheit nicht können. Sogar der Süden Saudi Arabiens ist bereits destabilisiert und teilweise nicht mehr unter Kontrolle der saudischen Truppen. Ähnliches droht im Norden an der Grenze zur ISIS. Geostrategisch sehe ich das sehr gelassen, wenn sich der Feind durch eigene Handlungen derart massiv selbst schadet. Humanitär sehen wir aber hier ein Drama beachtlichen Ausmaßes.
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