(Sonstiges) Russische Infanteriewaffen
#11
Nachdem ich jetzt mal wieder relativ umfangreich Gelegenheit hatte, mit russischstämmiger Hardware (aber teils deutscher Fertigung) und auch den einen oder anderen direkten Vergleich mit westlichen Pendants ziehen konnte, will ich mich auch mal wieder melden. Im Folgenden ein paar Anmerkungen basierend auf älteren und neueren eigenen Erfahrungen:



Die AK-74N schiesst sich erwartungs- und erfahrungsgemäß butterweich, dafür muss man sich halt über die Wirkung im Ziel evtl. Gedanken machen - ein Gewinner ist hier IMHO der DDR-Klappschaft, der sowohl stabil als auch leicht als auch kompakt ist und dazu noch bei moderneren Schiessanschlägen zweckmässig ist. So einer sollte an jede AK ran.

Nachteile sind die gleichen wie bei der AK-47/AKM, dazu später mehr.
Speziell bei der 74 kommt noch der recht merkliche Gasschlag durch die Mündungsbremse hinzu, besonders für die nächsten Nachbarn (auch hier Stichwort Schiess-/Schutzbrille s.u.).


Die AK-47/AKM schiesst sich natürlich härter als die 74, ist aber noch im gut beherrschbaren Bereich, wenn man dieser eine Mündungsbremse ähnlich der 74 spendieren würde (auf dem US-Markt in 7,62 verfügbar), dann wäre ziemlich wahrscheinlich eine merkliche Milderung erreichbar.

Dazu noch ein Schienensystem ähnlich dem vorderen Teil des X47 von TDI (evtl. mit Hitzeschild) mit daraufmontiertem EOTech und dazu eine Ladung (Kunststoff-)-40-Schuss-Magazine und man hat eine nicht zu verachtende und nutzbare Waffe.

Negativ:

Der gravierende Nachteil an beiden AK-Varianten ist die grauenvolle Ergonomie, die man nur bedingt durch Training ersetzen kann und dadurch gezwungen ist, die Waffen anders zu handhaben als es mit modernen westlichen Waffen möglich ist.

Gravierendstes Beispiel ist hier die Sicherung - mit z.B. einem G36 kann man so "arbeiten", dass die Waffe bis auf ein paar Sekunden vor und nach der Schussabgabe immer gesichert ist.

Bei einer AK - dazu dann ggf. noch mit einer neuen bzw. wenig benutzten - ist das Sichern der Waffe ein viel zu grosser Aufwand.

Gleiches gilt für das Lösen und einsetzen des Magazins - das Einhaken und die Bedienung des Magazinlösers sind beides zeitraubende Tätigkeiten, die heute so nicht mehr sein müss(t)en - auch mit viel Drill ist man hier z.B. mit einem G36 und einem M4/M16 schneller.


Bei beiden AK-Varianten ist mir persönlich das Visierungskonzept (Kimme/Korn mit grossem Augenabstand aber kurzer Visierlinie) weitaus weniger lieb wie das westliche Prinzip der Lochkimme mit grosser Visierlinie - spätestens nach Einführung einer Ghostring-Position bei der Lochkimme sind die definitiv präziser und besser und praktisch genauso schnell.

Mit einer AK kann man IMHO deutlich schlechter präzise schiessen - wobei hier Visierung und Qualität von Waffe und Munition alle zusammenspielen.

Aber für das Visierlinien- und Visiertypenproblem gibt es ja Lösungen, die adaptierbar wären (siehe z.B. Galil).

Was der AK auch fehlt (und mit dem angesprochenen RAS-System verbessert werden kann), ist die Möglichkeit, ein Reflexvisier mit grossem Augenabstand zu montieren.


Kleine Anmerkung am Rande: Ohne eine Schiessbrille wäre ich nicht willens, eine 74 oder 47 mit Militärmunition und nach evtl. Dreckigwerden zu schiessen - die nicht gasdichten Gehäusedeckel blasen einem zu den unangenehmsten Zeiten Dreck und Schmutz in's Gesicht und damit auch in Richtung der empfindlichen Augen...

Bei einem G36, einer MP5 oder einem G3 oder HK33/53 (genauer beim Schiessen ganz allgemein) sollte man nach Möglichkeit zwar auch immer eine Schutzbrille tragen, hier ist die Wahrscheinlichkeit von direkt aus der Waffe in die Augen geblasenem Dreck merklich geringer - ein Punkt, den man nicht vernachlässigen sollte, dürfte die Lebensdauer einer Schutzbrille bei einem wirklich länger andauerndem Kampfeinsatz nicht allzu gross sein.


Womit ich bisher bis auf kurze Kontakte leider wenig zu tun hatte, ist das PKM - das hoffe ich mittelfristig aber unbedingt zu korrigieren.

Positiv:

Im Vergleich zum MG3 ist das PKM merklich leichter und aufgrund der merklich geringeren Kadenz auch "kinderleicht" zu schiessen und zu kontrollieren - ich war echt angenehm überrascht davon und freue mich auf weitere Schiesszeit damit (werde alles dransetzen, dass wir das Teil öfter mal mit rausnehmen).

Negativ:

Die Ergonomie ist zwar (ähnlich wie beim MG3) nur mittelmässig (z.B. fehlt hier ein Vordergriff für eine ordentliche Pirsch- bzw. Ready-Haltung) und die Nicht-Zerfallsgurte sind IMHO grauseliger als die des MG3, vor allem aber stört mich, dass es AFAIK gar keine Zerfallsgurte gibt (evtl. bedingt durch die Randpatrone?).



Was im Bereich russischer Infanteriewaffen auf jeden Fall nicht unerwähnt bleiben darf, ist natürlich auch die RPG-7, aber die habe ich auf einem normalen Schiessstand natürlich (und leider) nicht schiessen können... Big Grin


...im Vergleich zu westlichen Raketenwaffen IMHO immer noch am vielseitigsten, einfachsten und praktikabelstem - ich frage mich immernoch, warum die Versuche, eine westliche verbesserte Kopie der RPG zu bauen in einem recht fortgeschrittenen Stadium abgebrochen wurde.

Mit der Vielzahl von Munitionstypen, einer Zerlegbarkeit und damit fast unerreichter Kompaktheit sowie der Möglichkeit, moderne Optiken zu adaptieren (z.B. ein beleuchtetes Glasblockvisier mit evtl. zuschaltbarer Vergrösserung), böte die RPG-7 auch (oder grade wieder) heute viele Möglichkeiten, die einigen Armeen heute fehlen (auch der BW).


Mein Fazit zu den Neuentwicklungen im Bereich russischer Infanteriewaffen:

Meiner Meinung nach sind geschätzt 80-90% aller Entwicklungen der letzten 15 Jahre in diesem Bereich unnötiger Mist. Ich spare mir, auf die mehreren dutzend Maschinenpistolen-, Sturmgewehr- und Maschinengewehrmodelle einzugehen, die nie über das Prototypenstatium hinausgingen.

Auch alle Versuche, mit technischen Tricks und mechanischen Systemen die Schiessausbildung zu ersetzen (AN94 et al.) sind IMHO zum Scheitern verurteilt, wenden sie sich doch vom KISS-Prinzip und dem eigentlichen und ureigenen Erfolgskonzept der AK ab: Sichere Funktion, einfache Bedienung und Wartung.


Was die AK braucht, sind punktuelle Verbesserungen und Modernisierungen, viel mehr IMHO nicht.
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema

Gehe zu: