Schweiz
#12
Gestern Montag, 12.12.2007: Die Vereinigte Bundesversammlung (National- und Ständerat) der Schweiz wählt den siebenköpfigen Bundesrat, die Regierung des Landes. Die amtierenden Bundesräte müssen, falls sie weitermachen wollen, vom Paralment bestätigt werden. Es sind dies: Moritz Leuenberger (SP), Samuel Schmid (SVP), Pascal Couchepin (FDP), Micheline Calmy-Rey (SP), Christoph Blocher (SVP), Hans-Rudolf Merz (FDP) und Doris Leuthard (CVP). Die ersten vier werden problemlos wiedergewählt. Dann jedoch der Paukenschlag: Von einem Kommunisten(!) wird die Bündner Regierungsrätin Eveline Widmer-Schlumpf (SVP) zur Wahl anstelle von Christoph Blocher vorgeschlagen. Zwei Wahlgänge später ist die Sensation perfekt, Christoph Blocher hat die Wahl gegen seine Parteikollegin verloren. Die anderen beiden amtierenden Bundesräte werden nachher problemlos bestätigt.
Eveline Widmer-Schlumpf, gewählte neue Bundesrätin, ist zum Zeitpunkt ihrer Wahl noch im Kanton Graubünden. Sie muss nun nach Bern reisen, um zu erklären, ob sie die Wahl annehme oder nicht. Sie bittet um Bedenkzeit bis heute Dienstag 08.00...

Heute Dienstag, 13.12.2007, kurz vor 08.00: Fernseher einschalten, auf die Erklärung von Eveline Widmer-Schlumpf (SVP) warten, ob sie die Wahl zur Bundesrätin annimmt. Ein paar Minuten später lächeln, sie hat ja gesagt. Blocher ist draussen! Seine Gefolgschaft heult Rotz und Wasser...

Thomas Wach schrieb:Was ist bloß los bei unseren schweizerischen Nachbarn??
Es brechen neue Zeiten an: Christoph Blocher ist nicht mehr Mitglied des Bundesrates, die SVP kündigte heute morgen offiziell einen Oppositionskurs an. Die beiden aktuellen SVP-Bundesräte, Samuel Schmid (bisher) und Eveline Widmer-Schlumpf (neu, anstelle von Christoph Blocher gewählt) werden ohne Unterstützung der SVP-Fraktion regieren müssen.
Ein Oppositionssystem hat die Schweiz noch nie gehabt. Falls doch, dann ist das so lange her, dass sich niemand dran erinnert. Jedenfalls wird das jetzt kommen, falls die SVP geschlossen Ernst macht.
Die Geschlossenheit der SVP ist hier die grosse Frage. Alle am Boden zerstörten/empörten/entrüsteten/entsetzten SVP-Politiker, die sich bisher zur Abwahl Blochers geäussert haben, sind der Ansicht, dass diese Abwahl einer Abwahl der gesamten SVP gleichkomme. Die Blocher-Linie ist aber vor allem in Zürich und in der Ostschweiz stark. Samuel Schmid (SVP Bern) und Eveline Widmer-Schlumpf (SVP Graubünden) stammen aus anderen Gebieten der Schweiz und können vielleicht auf die Unterstützung von lokalen SVP-Vertretern zählen. Ebenfalls unklar ist mir die Haltung der SVP-Leute aus der Romandie. Es wäre also möglich, dass sich die SVP spaltet.

Mögliche Folgen für die Schweiz:
- Blocher könnte Parteipräsident der SVP werden. Der jetztige Präsident, Ueli Maurer, hat nach der Parlamentswahl diesen Herbst seinen Rücktritt bekannt gegeben. Fakt ist jedenfalls, dass Blocher jetzt wieder dort ist, wo er hingehört: als Nicht-Mitglied der Regierung kann er sein Maul aufreissen, ohne gegen die geltenden Gepflogenheiten im Bundesrat zu verstossen (womit er sich in den vergangenen vier Jahren teils sehr schwer getan hat).
- Die SVP wird womöglich in einen gemässigten Flügel und einen linientreuen Blocher-Flügel gespalten. der gemässigte Flügel könnte sich den Mitte-Parteien (FDP und CVP) anschliessen.
- Da bisher nur grosse Parteien einen Anspruch auf Bundesratssitze hatten, nun aber zwei fraktionslose Bundesräte in der Regierung sitzen, könnten kleinere Parteien stärker auf einen Bundesratssitz zielen. Die Grünen wollen sowieso einen Vertreter in der Regierung, haben die Abwahl Blochers aber zur Bedingung dafür gemacht. Bis gestern hatte ich für dieses Anliegen nur ein müdes Lächeln übrig, aber nachdem, was passiert ist, wird ein grüner Bundesrat plötzlich sehr realistisch. Sollte beispielsweise einer der amtierenden Bundesräte vor der nächsten Wahl zurücktreten (ich denke da z.B. an Samuel Schmid), dann werden die Grünen garantiert jemanden aus den eigenen Reihen ins Rennen schicken.
- Die Politik in der Schweiz könnte durch die Opposition der SVP in den nächsten Jahren zum Stillstand kommen. Es wird alles mit Referenden und Volksinitiativen bekämpft werden, was der SVP nicht passt; solche Prozesse dauern jedesmal lange und werden das Voranschreiten der politischen Arbeit in der Schweiz massiv verlangsamen bzw. aufhalten.
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