Spanien
(11.10.2017, 00:21)lime schrieb:
(08.10.2017, 17:08)Helios schrieb:
(05.10.2017, 23:56)lime schrieb: Bin gespannt ob hier mit zweierlei Maß gemessen wird.

Das gern verwendete Sprichwort impliziert eine Einfachheit, die bei derart komplexen Vorgängen gar nicht vorhanden ist, auch wenn verschiedene Seiten gern das Gegenteil behaupten. Es gibt schlicht kein "standardisiertes" Verfahren zur augenscheinlichen Unabhängigkeitserklärung eines Volkes, das man überhaupt mit irgendeinem Maß messen könnte und aus dessen Bewertung sich moralische Zwickmühlen ergäben, sondern jeweils individuelle Ereignisse, die genauso individuell bewertet werden müssen. Und die Ausgangssituationen von Kosovo und Katalonien unterscheiden sich schon in vielerlei Hinsicht enorm.

Spanien hat im übrigen die Unabhängigkeit des Kosovos bis heute nicht anerkannt.

Die Unterstützung der Unabhängigkeit des Kosovo war im Endeffekt gegen das damals nichtwestliche Serbien und seinen Verbündeten Rußland gerichtet. Hätte der Kosovo zu Österreich gehört, dann wäre eine Unabhängigkeit niemals vom Westen unterstützt worden. Katalonien hingegen wird wohl kaum so einen geostrategischen Vorteil haben und deshalb wird es auch kaum Unterstützer auf der Welt finden. Im Gegenteil muss damit gerechnet werden, dass danach die Basken, Venetien und viele andere Regionen in Europa auch solche Referenden abhalten wollen. Dies würde auch die EU schwächen, die nach dem Brexit schon etwas angeschlagen ist. Wenn sich die ökonomisch starken Regionen Spaniens und Italiens abspalten würden. Und in Italien vielleicht sogar Venetien mit einer Regierung der Lega Nord, dann bekäme die EU zusätzliche Finanzierungsprobleme.

Die Unabhängigkeit des Kosovos auf das Blockdenken der NATO zu reduzieren ist schon arge Geschichtsverdrehung, die nachvollziehbar deshalb notwendig wird, um im Falle Kataloniens eine moralische Referenz aufbauen zu können. Nur warum? Hier im Forum sollte es nicht um populistische Parolen gehen, sondern um einen sachlichen Diskurs. Für alles andere gibt es andere Medien.

Politisch und wirtschaftlich sind Sezessionen in der heutigen Gesellschaftsordnung vermutlich immer eine Schwächung, allerdings für beide Seiten. Vor allem natürlich bei verschachtelten Strukturen, wie jetzt etwa im Falle Katalonien. Denn immerhin ist der vermeintliche Wunsch nach Loslösung von Spanien (wie die Katalanen in der Gesamtheit dazu stehen hat ja auch die Abstimmung nicht gezeigt) nicht einhergehend mit dem Wunsch einer Loslösung von der EU, im Gegenteil wurde der Wille zum Verbleib deutlich gemacht (auch wenn das wiederum aufgrund der Strukturen der EU unrealistisch ist). Von daher stellt sich die Frage, wie hoch die Wirtschaftskraft von Katalonien nach einer Unabhängigkeit tatsächlich wäre (bereits jetzt gibt es eine Abwanderungswelle von Firmen). Umso mehr, wenn es um die ebenfalls zu klärende Frage nach der Schuldenverteilung geht. Eine Katalonische Unabhängigkeit könnte in letzter Konsequenz zu einem mahnenden Beispiel gegen entsprechende Bestrebungen in anderen Regionen dienen.
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