Artillerie im Spätmittelalter und in der Neuzeit
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Artillerie im Spätmittelalter und in der Neuzeit:
(abgeschrieben, gestrafft und zusammengefasst aus Waffen der Landsknechte, von Ortenburg)

Zu Beginn der Neuzeit entwickelte sich die Artillerie zum dritten wichtigen Bestandteil eines Heeres. Anfangs befand sich die Herstellung wie auch dann die Bedienung der Geschütze in derselben Hand, die Kanonengießer waren dann auch immer gleichzeitig die Geschützmeister ihrer Stücke. Es waren handwerksmäßig organisierte Büchsenmeister, die sich von der Seite der Glockengießer diesem Handwerk zugewandt hatten. Die Kunst, Geschütze herzustellen war anfangs eine Geheime, und wurde nur innerhalb einer Familie weitergegeben, sie beruhte anfangs auf rein empirischen Erfahrungen. Die Verpflichtung zur unbedingten Geheimhaltung galt noch zu Kaiser Maximilians Zeiten. Jeder Büchsenmacherlehrling mußte schwören, unter keinen Umständen das Geheimnis der Herstellung und auch der Bedienung zu verraten.

Größere Reichsstädte wie Augsburg oder Nürnberg hielten ständig solche Büchsemacher im Dienst, ebenso einzelne Fürsten wie Karl der Kühne, die die Zeichen der Zeit erkannt hatten. Obwohl diese Büchsemacher also eine feste Anstellung hatten, wurden sie in Friedenszeiten durchaus an andere Mächte vermietet oder geliehen. Die besondere gesellschaftliche Stellung der Büchsenmacher wurde dann erstmals durch einen Artikelbrief im Jahre 1444 unterstrichen, zeitgleich baute auch im Osten das Osmanenreich seine Staatsartillerie auf. Die Büchsenmacher hatten viele Privilegien, die ihnen von den Kaisern und Königen immer wieder bestätigt wurden, so durften ihre Weiber und Kinder auf den Kugelwagen mitfahren und sie hatten beim Kauf von Lebensmitteln und Alkohol in Feldlagern immer Vorrang und Vortritt vor allen anderen. Als Zeichen ihres Amtes führten sie die Zündrute mit sich, daran waren sie zu erkennen. Die meisten Büchsenmacher hatten außer ihren Familienmitgliedern auch noch 3-4 Knechte.

Im Laufe der Zeit verwischte ihre Stellung und sie waren weder schon Soldaten, aber auch nicht mehr Handwerker, und so bildeten sie eine eigene Gesellschaftsschicht. Von den Zünften der Handwerker unterschieden sie sich dadurch, dass sie weder einen Gildenmeister noch eine Zunftlade hatten. Standen Büchsenmeister nicht im festen Sold bei einem Fürsten oder einer Reichsstadt, lebten sie vom Glockengießen oder zogen auf der Suche nach einer Anstellung herum. Die Einstellung erfolgte bei Bedarf durch einen vom Fürsten oder Stadtrat ernannten Feldzeugmeister, dem die gesamte Artillerie unterstand, bei den Osmanen durch den zuständigen Befehlshaber des Artilleriekorps. Eine Staatsartillerie gab es anfangs nur bei den Burgundern und Osmanen, sowie im Bereich der Schiffe bei Venedig, die Venezianer setzten zu dieser Zeit als erste weltweit eine Kanone auf einem Schiff ein.

Bevor ein Büchsenmeister eine Anstellung fand, mußte er erst sein Können in einer Prüfung demonstrieren und einen Lehrbrief vorlegen aus dem seien bisherige Laufbahn hervorging. Die besten Leute wurden den schon sehr früh aufgekommenen Wurfgeschützen zugeteilt, aus denen sich dann die Mörser und Haubitzen entwickelten, dieser bezeichnete man anfangs als Feuerwerker, die nächstbesten kamen zu den Bombarden und sogenannten Brechgeschützen, sie nannte man anfangs Büchsenwerker oder Büchsenmeister, die dritte Gruppe bildeten dann die weniger Erfahrenen die man den Schlangen zuteilte, also den leichten Kanonen, sie nannte man Schlangenmeister oder Schlangenschützen. Diese Einteilung bestimmte auch die Höhe des Soldes. Ältere und besonders erfahrene Meister nannte man auch Alt-Feuerwerker, oder Alt-Büchsenmeister, Gehilfen und Lehrlinge dagegen auch manchmal wenn sie schon Erfahrung hatten Jung-Büchsenmeister. Daneben war der Artillerie anfangs auch noch eine Truppe von Handlangern und Erdarbeitern zugewiesen, die Gräben und Feldbefestigungen für die Geschütze anlegen konnten. Bei den Osmanen entwickelte sich daraus eine eigene Spezialtruppe.

Als die Anzahl der Geschütze in den Armeen erhöht wurde, und um den Konkurrenzkampf der Geschützmeister untereinander und deren Eifersüchteleien zu kompensieren wurde es notwendig, den nun entstehenden Artillerie Abteilungen Vorgesetzte mitzugeben. Diese Befehlshaber waren meist besonders loyale Adelige, und sie trugen den Titel Stückhauptleute, ihre Gehilfen nannte man Stückjunker. Bei den Osmanen dagegen gab es von Anfang an eine normale Militärhierarchie, zwar waren die Geschützbesatzungen anfangs auch europäische Söldnern, aber sie standen von Anfang an unter dem Befehl der ihnen vorgesetzten osmanischen Offiziere. Zudem stammten diese Offiziere meist auch aus der Artillerie Truppe, was den Söldnern ein Anreiz war, bei guter Leistung in eine hohe und gutbezahlte Position aufzusteigen, zudem hatten sie so eine größere Erfahrung mit dieser Waffengattung.

Auch in einem großen Heer war die Anzahl der Geschützmeister anfangs nie sehr groß. Karl der Kühne von Burgund hatte zum Beispiel bei der Belagerung von Neuß nur 200 Kanoniere dabei, pro Geschütz benötigte man mindestens einen Fachmann. Im Jahr 1509 führte das kaiserliche Heer 109 Radgeschütze mit sich und um 1550 rechnete Graf Reinhard von Solms auf 20 000 Knechte und Reisige 18 Brechgeschütze und 54 Schlangen, so dass man also im 16 Jahrhundert in Europa von 3 Geschützen je Tausend Mann im Durchschnitt ausgehen kann. Dieser Durchschnitt ist lange eingehalten worden, eine Ausnahme waren wieder die Osmanen, die eine numerisch stärkere Landartillerie hatten und die Venezianer und Genuesen, die in ihren Seestreitkräften ebenfalls einen höheren Geschützdurchschnitt hatten.

Auch nach dem Verwendungszweck wurde die Artillerie früh unterteilt, man stellte die Rohre möglichst nach gleichen oder zumindest ähnlichen Kalibern zusammen, und gliederte sie nach Verwendung in Feldgeschütze, Brechgeschütze für Belagerungen und Wurfgeschütze, dabei wurde in Europa darauf geachtet, dass die Zahl der Feldgeschütze so groß war, wie die Zahl der anderen beiden Gruppen zusammen. Bei den Osmanen kamen noch früh die Küstengeschütze dazu, die in der Form von gewaltigen Bombarden die Meerenge der Dardanellen und des Bosporus überwachten.

Am Anfang der Zeit wurde auch das Graben und Legen von Minen als eine Aufgabe und Teil der Artillerie gesehen, so unterstanden den Stückhauptleuten auch Bergleute und Erdarbeiter, sowie Brückenbauer. In Europa wurden diese jedoch dann von den Geschützen getrennt und als eigene Truppe betrachtet, bei den Osmanen blieben sie bei der Artillerietruppe und waren auch weiterhin in deren Befehlsstruktur eingebunden. Während des 30 jährigen Krieges führten dann die Schweden als erste eine leichte Regimentsartillerie ein, die die Infanterieregimenter begleitete und ebenfalls bei den Schweden erfolgte dann die Bedienung der Geschütze durch extra dafür ausgebildete Soldaten. Die Osmanen nahmen zwar schon früher eine Art Mittelposition zwischen dem alten System und der schwedischen Neuerung ein, behielten aber das System der Anheuerung bei, auch wenn sie noch vor den Schweden zusätzlich selber Geschütze anfertigten, so wurden diese dann den Söldnern zur Verfügung gestellt. Eine Ausnahme war die Yeniceri Artillerie und die Haseki Garde, beide bemannten ihre Geschütze schon vorher mit Yeniceri Truppen, diese erhielten aber auch zusätzliche Unterstützung durch angeheuerte Spezialisten, daher waren doch die Schweden die ersten.
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