Der Schwäbische Bund
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Der Schwäbische Bund

1. Historiographie

Als 1707 der Reichsvizekanzler von Seilern eine Anfrage an den Ulmer Rat stellte und um Einsicht auf die schwäbischen Bundesakten bat wurde er noch mit einigen Exzerpten aus dem Archiv und den gedruckten Passagen aus dem zehn Jahre zuvor erschienenen Werk „De pace imperii publica“ von Johann Philipp Datt abgespeist.
Das Ulmer Misstrauen war nicht unbegründet, denn zu dieser Zeit gab es in der Wiener Reichkanzlei Erwägungen die kaiserlichen Erfolge in diesen Jahren zu einer engeren Anbindung der südwestdeutschen Reichsstädte an das Erzhaus zu nutzen.
Traditionell galt der schwäbische Bund als Vorbild für solche Pläne. Als 1789 der Ulmer Geistliche Johann Christoph Schmid anfragte waren solche Skrupel jedoch obsolet geworden.
Angesichts der aktuellen Umbrüche mochte die Wahl solch eines Themas ja sogar aktuelle Bezüge nehmen, war es doch der Schwäbische Bund gewesen, der im Bauernkrieg eine Ordnungsmacht darstellte.
Johann Philipp Datt, Johann Stephan Burgermeister und der Prälat Schmid sind die Ahnherren der Forschungsgeschichte zum Schwäbischen Bund. Bei allen zeigt sich die Wertschätzung für den stabilisierenden Bund.
In dem Diktum von Schmid erwähnt dieser, dass eine deutsche Verfassungsgeschichte ohne die Berücksichtigung des Schwäbischen Bundes unzulänglich sei, was auch Johannes Kuhn 1935 in der Einleitung des von ihm bearbeiteten Reichstagsaktenbandes ebenso wie in Adolf Laufs grundlegender Studie von 1971 zur Kontinuität von Bund und Kreis schreiben.
In den Handbüchern der deutschen Verfassungsgeschichte hat die verfassungsgeschichtlich bedeutendste Einung inzwischen ihren anerkannten Platz in Handbüchern zur deutschen Verfassungsgeschichte.
Die Quellenlage ist gewaltig. Neben den Archiven der beteiligten Reichsstädte und Fürstenhäuser ist auch in den Privatarchiven des niederen Adels eine Vielzahl an Quellen erhalten geblieben.

2. Was war der Schwäbische Bund?

2.1. Zweck

Die Gründung des schwäbischen Bundes entsprang den Intentionen des Kaisers. Es ging demnach bei der Errichtung des Schwäbischen Bundes vordergründig um die Sicherung des 1496 auf Zehn Jahre festgesetzten Frankfurter Landfriedens im süddeutschen Raum, speziell um die Sicherung der schwäbischen Stände, d.h. die materielle wie ideelle Wahrung ihrer Reichsunmittelbarkeit und machtpolitischen Interessen. Das eigentliche Ziel jedoch war es ein politisches und militärisches Gegengewicht gegen die Macht Bayerns und der Schweizer Eidgenossen zu bilden. Die Schwäbischen Stände versprachen sich von dem Schwäbischen Bund neben einer Plattform für innere Dispute ein Machtinstrument gegen die Bayerischen Expansionsinteressen und die Kaiserliche Zentralgewalt. Des Weiteren sicherten sich die Mitglieder Truppenhilfe bei regionalen Aufständen und Revolten zu.
Die ersten Wirkensjahre des Schwäbischen Bundes zeigen, dass er seine Aufgabe und Zielsetzung - in Hinsicht auf die schwäbischen Stände wie auf den habsburgischen Herrscher und trotz aller Variabilität seines Wesens - in vollem Maße erfüllt hat. Dass der Bund ein Bund im Sinne des Kaisers war zeigt sich anhand der Versuche Kaiser Karls V. den Bund zu erneuern..


2.2. Mitglieder
Durch die Befristungen war die Kontinuität des Bundes laufen in Frage gestellt. Dadurch konnte es in seiner Geschichte zu erheblichen Mitgliederschwankungen kommen. Aufgrund der massiven Mitgliederfluktuation ist der Begriff Bund, der das ganze ja als Einheit erscheinen ließe irreführend.

1. Einungsperiode 1488 - 1496.
Den eigentlichen Bund bildeten die in der Gesellschaft mit St. Georgenschild organisierten Adeligen Prälaten sowie die Reichsstädte. Die vier Viertel des Georgenschildes zählten insgesamt 586 Mitglieder.
26 Reichsstädte am 14. Februar : Ulm, Esslingen, Reutlingen, Überlingen, Lindau, Schwäbisch Hall, Nördlingen, Memmingen, Ravensburg, Schwäbisch Gmünd, Biberach, Dinkelsbühl, Pfullendorf, Kempten, Kaufbeuren, Isny, Leutkirch, Giengen Wangen, Aalen
Im April folgten Weil der Stadt und Bopfingen, im November Augsburg, Heilbronn, Wimpfen und Donauwörth.
Dem Bund entziehen konnte sich fast keiner, nur die mit den Eidgenossen verbundenen oder auf sie Rücksicht nehmenden Städte Rottweil, Buchhorn und Konstanz blieben dem Bund fern.
Mit diesen Mindermächtigen wurden die Fürsten jeweils durch zweiseitige Verschreibungen verbunden, die Hilfsverpflichtungen und Modalität der Streitschlichtung festlegten.
Den Gründungsmitgliedern Sigmund von Tirol (ab 1490 Maximilian) und Eberhard dem Älteren von Württemberg folgten bis 1489: die Markgrafen Friedrich und Sigmund von Brandenburg-Ansbach und Kulmbach, der Mainzer Erzbischof Berthold von Henneberg, Bischof Friedrich von Augsburg sowie Markgraf Christoph von Baden und sein Bruder, Erzbischof Johann von Trier.

2. Einungsperiode 1496 - 1499
In der ersten Bundesverlängerung von 1496 gab es vor allem bei den Fürsten eine hohe Bereitschaft zur Fortsetzung der Einung. Auf städtischer Seite blieben 9 Städte der Verlängerung fern, nur 17 siegelten neu. Kurz vor Beginn des Schwabenkrieges traten Konstanz und das kleine Buchhorn dem Bund noch bei. In den einzelnen Vierteln des St. Georgenschild nahm die Teilnehmerzahl jedoch um bis zu 75% ab.

3. Einungsperiode 1500 - 1512:
Nach 1500 kam es zu deutlichen Änderungen in der Mitgliederstruktur des Bundes. So wurden die Fürsten in die Bundesorganisation aufgenommen, das Georgenschild mit seinen Viertel als Untergliederungen des Adels aufgelöst und die Städtebank wuchs über Schwaben hinaus.
In der Fürstenbank saßen nun Maximilian als österreichischer Erzherzog für Tirol und die Vorlande, der Mainzer Kurfürst Berthold von Henneberg, Ulrich von Württemberg, Albrecht von Bayern-München, Markgraf Friedrich von Brandenburg-Ansbach, Bischof Friedrich von Augsburg und Markgraf Christoph von Baden.
Der Adels- und Prälatenbank gehörten im Verlauf der Einungsperiode 10 Grafen und Herren, 60 Niederadelige und 27 Vertreter des Prälatenstandes an.
Zu den 26 schwäbischen Reichsstädten, bei denen nunmehr Buchhorn an die Stelle Lindaus rückte kamen Nürnberg und sein fränkischer Satellit Windsheim sowie Straßburg und das elsässische Weissenburg hinzu.

4. Einungsperiode 1512/13 - 1523:
In der 4. Einungsperiode zeigt sich am deutlichsten die Kontinuität bei den Städten, denn die 26 Städte blieben geschlossen im Bund, während Straßburg und das elsässische Weissenburg ausschieden. Neben Nürnberg und Windsheim trat nunmehr auch das fränkische Weißenburg dem Bund bei. Beim Adel hingegen setzte sich der Erosionsprozess fort.
Nur noch 6 Grafen und Herren, 25 Ritter und 24 Prälaten hielten dem Bund die Treue. Die markante Veränderung auf der Fürstenbank war das Ausscheiden Württembergs und Badens, Habsburg/Tirol, Mainz, Bayern, der Markgraf von Brandburg-Ansbach/Kulmbach und der Bischof von Augsburg.
Neue Bundesgenossen wurden die Bischöfe von Eichstätt und von Bamberg. Im Kontext des württembergischen Krieges trat schließlich 1519 noch Landgraf Philipp von Hessen bei.

5. Einungsperiode 1523-1534:
Die Städte blieben in der 5. Periode die Konstante, alle 29 verblieben im Bund. Die Adelsbank stabilisierte sich zunächst auf niedrigem Niveau, doch im Gefolge des Zugs des Bundes gegen die fränkischen Standesgenossen traten noch einmal weitere Mitglieder bei, so dass der Adelsbank schließlich mehr Mitglieder als 1512 angehörten:
13 Grafen und Herren, 45 Niederadelige und 33 Prälaten einschließlich der Deutsch-Ordenshäuser. In der Fürstenbank gab es den auffälligsten Zuwachs. So trat Kurpfalz, Pfalz-Neunburg, der Bischof von Würzburg und schließlich Ende 1525 der Erzbischof von Salzburg dem Bund bei.
Insgesamt zeigen sich folgende Kontinuitäten:
Fürstenlager: Habsburg, die Bischöfe von Mainz und Augsburg sowie die fränkischen Markgrafen. Der 1500 aufgenommene bayerische Herzog wurde in der Folgezeit zu einem wesentlichen Garanten der Bundeskontinuität, bis Bayern in den Verlängerungsverhandlungen von 1533/1534 mit dieser Politik brach.
Noch bruchloser war die Kontinuität auf reichsstädtischer Seite, denn mit Ausnahme der Dreijährigen Einung zwischen 1596 und 1499 blieb das Gros der schwäbischen Reichsstädte im Bund. Auch Nürnberg und seine fränkischen Trabanten fügen sich in dieses Bild ein Lediglich die Aufnahme von Konstanz, Straßburg und Weissenburg im Elsass erwies sich als Episode.
Ganz anders war die Mitgliederentwicklung der Adels- und Prälatenbank, die Stehding schrumpfend wirkt. Nur die Angehörigen einiger weniger Familien, wie die Grafen von Oettingen, die Truchsessen von Waldburg, Königsegg, Frundsberg, Hürnheim und die Marschälle von Pappenheim engagierten sich über die gesamte Bundeszeit. Bei den Prälaten allerdings gab es eine gegenläufige Entwicklung. Während der Georgenschild verfiel gelang es offenbar den Prälaten, gerade unter dem Dach des Bundes ihre korporative Organisation und damit auch ihre Reichsunmittelbarkeit zu festigen.
Eine Parallele findet sich hierbei auf der fürstlichen Seite, denn auch dort lässt sich als langfristige Entwicklung ein Zuwachs bei den geistlichen Fürsten beobachten, Beschränkte sich diese Gruppierung zunächst auf Mainz, Trier (bis 1500) und das Bistum Augsburg, so traten 1512 mit den Bischöfen von Konstanz, Eichstätt und Bamberg gleich drei weitere geistliche Fürsten dem Bund bei.
Konnte dies den Wegfall Badens und Württembergs zunächst nicht kompensieren, so tendierte der Bund doch damit zu einer nahezu flächendeckenden Organisation der geistigen Fürstentümer südlich der Mainlinie und östlich des Rheins, eine Entwicklung, die 1522 durch die Aufnahme des wichtigsten geistlichen Territoriums Franken, des Hochstifts Würzburg, und 1525 des Erzstifts Salzburg ihren Abschluss fand.
Die Massierung der geistlichen Fürsten, welche nach 1523 über die Hälfte der Stimmen in der Fürstenbank inne hatten schufen überhaupt erst die Voraussetzungen für das dezidiert altgläubige Agieren des Bundes in den 1520iger Jahren und die wachsenden Friktionen mit der Städtebank.

3. Passt der Schwäbische Bund in die Reichsverfassung?

Der Schwäbische Bund wird von einigen als ein Vorbild für ein Deutsches Reich gesehen. Zwar kann man die Verhältnisse in Schwaben nicht auf das Reich – erst recht nicht auf den Norden – übertragen, aber in einigen Dingen war er doch richtungweisend:
Während der Reichstag Probleme hatte Mehrheitsbeschlüsse zu erlassen und auch für die Abwesenden für verbindlich zu erklären stellte sich dieses Problem beim Schwäbischen Bund nicht ein, da alle Mitglieder sich vorab vertraglich dazu verpflichtet hatten Mehrheitsentscheiden auch nachzukommen. Als weiterer Unterschied zum Reich fällt die Konstruktion des Bundesrates auf, dessen Mitglieder – bei den Mindermächtigen aufgrund Wahl, bei den Fürsten als - Gesandte auf den Bund verpflichtet waren, so dass Entscheidungen gegebenenfalls auch ohne Weisungen ihrer Obrigkeiten gefällt werden konnten.
Im Gegensatz zum Reichstag, der eine Mitgliederversammlung der zugangsberechtigten Reichsstände oder deren Abgesandter war, war das Entscheidungsgremium des Schwäbischen Bundes ein von den Mitgliedern delegierter großer Ausschuss mit Entscheidungsvollmacht. Durch die Zwecksetzung einer Landfriedenseinung waren die Handlungsmuster des Bundes festgelegt.
Die Verrechtlichung der Konflikte kam hierbei den potentiell Schwächeren, den Mindermächtigen zugute, so dass jegliche territoriale Dynamik eingefroren wurde, was den Bund entscheidend für die Konservierung der territorialen Kleinkammerung im Südwesten des reiches machte. Die Reichsjustiz konnte an diese Funktionen nahtlos anknüpfen.
Mit der Ahndung des Landfriedensbruchs von Herzog Ulrich 1519 und dem Zug gegen die fränkische Ritterschaft 1523 sowie der Niederschlagung des Bauernkrieges 1525 konnte der Bund Aufgaben der Landfriedenswahrung im Reich erfüllen, zu denen die Organe des Reiches nicht in der Lage waren. Er agierte also als Exekutive des Reiches.
Mit dem kaiserlichen Privileg, das Recht des Landfriedensbruchs Verdächtigte vor die Bundesversammlung zum Reinigungseid zu zitieren erlangte der Schwäbische Bund ein Recht, das bislang territorienübergreifend nur von Reichsinstitutionen geltend gemacht werden konnte. Die Fortentwicklung der bündischen Schiedsgerichtsbarkeit zum institutionalisierten Bundesgericht war allerdings durchaus zweischneidig, da man sich damit der Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit begab und in Konkurrenz zum Reichskammergericht trat; die bündische Gerichtsbarkeit also im Grunde überflüssig wurde.
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