Aufstands- und Partisanenbekämpfung (COIN)
#12
Zitat:Dort hat genau diese brutale Taktik (z.B. Folter - die gefolterten erzählen alles, was man will, auch wenn es überhaupt nicht stimmt) und das "Verschwinden lassen" von Gefangenen überhaupt nichts gebracht.
Im Gegenteil;
Persönlich bin ich kein Freund von Folter. Ich lehne persönlich Folter jedweder Art grundsätzlich ab. Das vorab.

Die brutalen Taktiken der Franzosen, insbesondere aber die Bildung von Gegenrebellen führten aber in Frankreich zu einem de facto Sieg in Algerien. Der Feind wurde in Algerien geschlagen, von Monat zu Monat ließen die Angriffe nach, in weiten Teilen des Landes verschwanden sie ganz. Der Feind war demoralisiert und fühlte sich auch selbst geschlagen, sein Nachschub aus Tunesien abgeschnitten, die Strukturen und vor allem die Kommandostrukturen lösten sich nachweisbar überall auf. Daher halte ich das Abschneiden des Nachschub und die Bildung von Gegenrebellen für viel wesentlicher als Folter zur Informationsgewinnung.

Noch ein entscheidender Unterschied ist: das die Franzosen den Algeriern ihre Würde ließen, man folterte dort nicht mittels Psychospielchen und Demütigung, sondern nur durch Schmerz.

Vor allem anderen aber behandelte man die Stammesführer usw respektvoll und baute in vielen Stämme und Dörfern eigene Gegenrebellen und Milizen auf.

Primär die Bildung dieser Algerischen Milizen und die Achtung der Kultur und Islamischen Lebensweise der Algerier, ferner auch das man die Clan- und Stammesstrukturen achtete und nicht versuchte, irgendwelche kulturell völlig fremden Dinge und Strukturen aufzubauen war der Hauptgrund für den Sieg Frankreichs. (vergleich USA im Irak: völlige mißachtung der einheimschen kultur und vor allem ihrer strukturen, keine gegenrebellen)

Und dann entließ De Gaulle Algerien in die Unabhängigkeit. Nach dem Sieg.

Das führte dann direkt zu einer regelrechten Beinahe Revolte des französischen Militärs bis dahin, daß Teile der Fremdenlegion und der Kolonialtruppen offen rebellierten.

Mal eine kurze Geschichte des Konflikts:

Das ganze brach 1945 aus kleinsten Anfänge aus. In einem algerischen Dorf reagierten Französische Polizisten über und erschossen mehrere Algerier.

Das ganze führte zu Kämpfen zwischen Franzosen und den Örtlichen die schließlich durch das Militär beendet wurden.

Bis November 1954 stieg dann die Anspannung der Algerier und ihre Ablehnung der Franzosen die eben vor allem auf den Ereignissen 1945 beruhte immer weiter an. In diesem November brach dann der Aufstand los, es wurden im ganzen Land systematisch Polizei- und Militärposten zum Teil massiv angegriffen.

Die FLN und ihre Guerillaarmee die ALN begannen mit einem Volkskrieg gegen Frankreich mit dem Ziel, Repressalien herbei zu führen, um dadurch eine Militarisierung der Algerier zu erreichen.

Unterstützung bekamen die Aufständischen Algerier aus Ägypten und Tunesien und anderen Anrainer Staaten. Da die Franzosen anfangs zu wenig Truppen hatten (Vergleich Irak heute) fielen wichtige Teile des Landes de facto in die Hände der Aufständischen. Als die Franzosen diese dann doch wieder besetzten, waren die Aufständischen fest dort in der Zivilbevölkerung verwurzelt.

Da die Aufständischen Anfangs vor allem in den Bergen operierten wurden sie dort von französischen Verbänden regelrecht gejagt. Die Franzosen organsierten das dabei so, daß sie nach Überfällen in dem Gebiet des Überfalls eine regelrechte Treibjagd veranstalteten und die Gegner zusammen trieben und dann vernichteten.

1956 änderte deswegen die FLN ihre Strategie und ging vom Land das die Franzosen zunehmend in den Griff kriegten in die Städte.

Dort verlegte sie sich auf Terroranschläge gegen alle Kollaborateure und die dort lebenden Franzosen. Es kam zu brutalsten Massakern der ALN Kämpfer in kleineren Städten gegen sogenannten Kolloborateure, die in aller Öffentlichkeit wortwörtlich geschlachtet wurden.

Viele verkennen hier, daß nicht die Franzosen die brutalsten in diesem Krieg waren, mit Abstand nicht.

Ende 1956 versuchte es die FLN dann mit einem Generalstreik. Fast alle Algerier wurden durch massivste Drohungen dazu gebracht mitzumachen. Diesen Generalstreik lösten die Franzosen sehr originell. Die 10 Fallschirmjägerdivision setzte einfach das Weiter gehen der Wirtschaft mit Gewalt durch.

Die Arbeiter wurden in die Betriebe gebracht, Läden wurden einfach aufgesperrt egal ob der Besitzer dort war und verkaufte oder nicht, Schulkinder und Lehrer in die Schule gefahren.

Die FLN führte darauf hin mehrere massive Bombenanschläge aus, allein bei einer Explosion im Geschäftsviertel wurden 20 Kinder getötet. Trotzdem setzten die Franzosen die Fortführung der Arbeit- und der Geschäfte weiter fort. Das ging bis dahin, daß sie Algerier zwangen einzukaufen.

Nach drei Tagen endete der Generalstreik und die Wirtschaft ging normal weiter.

Der Kampf verlagerte sich wieder zeitweilig in die Berge, die Legion löschte aber den Feind im Aures Gebirge und den Kabylen bis 1957 fast vollständig aus.

1957 kam es dann zur Schlacht um Algier, da der Feind wieder dorthin zurück gekehrt war. Unter ununterbrochenen Sprengstoffanschlägen und Kämpfen arbeitete sich die Legion durch die Altstadt von Algier, die Kasbah. Mehrere Führer der FLN/ALN wurden gefasst oder getötet, da die ganze Stadt umstellt war und die Franzosen systematisch alles durchsuchten konnte fast keiner mehr entkommen.

Die Kämpfe waren hart und verlustreich für die Franzosen, aber ungewöhnlich erfolgreich. Es gelang tatsächlich aus den Gefangenen genaue Informationen heraus zu bringen und die langsame systematische Säuberung erledigte tatsächlich einen Gros der Feinde.

Ende 1957 setzten die Franzosen dann erstmals im größeren Stil Luftbewegliche Truppen ein und jagten mit diesen neue Guerillatruppen die über die Grenzen einsickerten.

Die Grenze zu Tunesien wurde mit Minenfelder und Elektrozäunen dicht gemacht. Diese Grenzzäune, die einige Kilometer hinter der eigentlichen Grenze verliefen erwiesen sich als enorm nützlich und von ihrer Wirkung her als bedeutsam.

Im Frühling 1958 erlahmte der Wiederstand deutlich, in großen Teilen des Landes hörte er ganz auf.

Im Juni 1958 kam De Gaulle an die Macht, drei Tage nach dem Amtsantritt besuchte er Algerien.

1959 waren die Aufständischen auf nur noch wenige Gebiete zusammen geschrumpft, die Franzosen standen direkt vor dem Sieg, was auch der Gegner so sah. Im Frühjahr 1959 war, wie wir heute Wissen die Kampfstärke der ALN von 100 000 Mann die sie noch 1957 hatte auf um die 15 000 abgesunken. In den folgenden Monaten vernichten die Franzosen weitere 2000 nachweisliche Feinde und nahmen über 500 gefangen.

Die FLN Führung floh nach Tunesien.

Im Januar 1960 war der Krieg im Endeffekt vorbei und für Frankreich gewonnen. Im gleichen Monat setzten De Gaulle den General der 10 Fallschirmjägerdivision ab und begann Verhandlungen mit der FLN.

Die Demonstrationen der in Algerien lebenden Franzosen und Profranzösischen Algerier (mehrere hundertausend !!) wurden auf Geheiß De Gaulles zerschlagen was etliche Tote zur Folge hatte. Im November 1960 sprach De Gaulle erstmals von einem unabhängigen Algerien, in der Folge dessen entstand die OAS.

Im Jahr 1961 war die Lage so weit, daß es zum offenen Bruch von Teilen der Legion und der Kolonialtruppen mit De Gaulle kam. Die Soldaten dort waren derart wütend, daß sogar das Absetzen von Fallschirmjägern über Paris ernsthaft erwogen wurde.

Trotzdem wurde ein Krieg der Franzosen untereinander wie auch Aktionen gegen Frankreich selbst nicht in die Tat umgesetzt. Die Aufständischen Truppen gaben ihre Pläne auf, vor allem weil die Marine und Luftwaffe Frankreichs treu zu De Gaulle hielten.

In der Folge dessen wurden selbst ruhmreiche Verbände wie das 1 REP aufgelöst.

Im November 1962 überließen dann die Franzosen der FLN das Land und ihr Militär zog ab.

Sie selbst, bzw die ALN und FLN hat in den Kämpfen wie wir heute wissen um die 300 000 Mann verloren. Schon während der Kriegsjahre ermordete sie in internen Säuberungen und bei Terroranschlägen 78 000 Algerier oder in Algerien lebende Franzosen.

NACH dem vollständigen Abzug aller Franzosen ermordete die FLN in einer beispiellosen Aktion 200 000 Profranzösische Algerier und solche die sie dafür hielt. Das relativiert bestimmte Taten der Franzosen ziemlich !

Auf der Gegenseite verlor Frankreich um die 12 000 Soldaten im Kampf.

Der Algerienkrieg war einer der brutalsten im 20 Jahrhundert, deutlich brutaler als andere Kriege in dieser Zeit und zwar von beiden Seiten. Wobei die französische Methoden trotz aller Extremen Dinge die getan wurden noch weit hinter dem unvorstellbaren Greueltaten der Gegner liegen.

Tragische Ironie: In den Kämpfen ab 1990 gegen die Islamisten verwendet die Regierung von Algerien genau die gleichen Methoden, und hat damit und mit Hilfe französischer Berater die Islamisten massiv geschwächt und weite Teile des Landes von ihnen gesäubert.
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[Kein Betreff] - von Holger - 23.01.2004, 11:13

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