Aufstands- und Partisanenbekämpfung (COIN)
@Quintus

Beitrag vom Februar (leider eben erst gesehen):
Zitat:Ein Autor zum Thema den ich bisher nicht kannte:

https://de.wikipedia.org/wiki/Bernard_B._Fall
Irritierenderweise bin ich über ihn schon gestolpert als ich Scholl-Latours "Tod im Reisfeld" gelesen habe. Er wird nur kurz angeschnitten, aber ich fand das interessant, da er mir auch nichts groß sagte. Zufällig bin ich dann etwas später über einen Artikel über Bernard Fall im Clausewitz-Magazin 2020 (Link zum Titel, man sieht links in der Spalte den Hinweis auf den Bericht über ihn: https://www.clausewitz-magazin.de/clausewitz-06/20) gestolpert. Letztlich war der Tenor des Artikels, dass Fall als direkter embedded journalist sogar direkter im Kampfgeschehen war als Scholl-Latour (der zwar im ersten bzw. französischen Indochinakrieg selbst gekämpft hatte, aber im amerikanischen Vietnamkrieg als reiner Journalist tätig war). Der Artikel bezeichnet Fall auch als den möglicherweise "besseren Scholl-Latour" (gleichwohl mit einem Fragezeichen versehen), der aber eben das Pech hatte, mit seinem Jeep auf eine Mine aufzufahren...

Beitrag aktuell:
Zitat:Ein praktisches Beispiel: es ist gerichtlich festgestellt völlig legal Bomben auf in einer Furt feststeckende Tanklaster zu werfen und damit um die 80 Zivilisten zu töten, darunter etliche Kinder, aber es wäre nicht legal gezielt einen Verdächtigen heimlich zu entführen und verschwinden zu lassen.
Geht es da auch etwas kleiner? Es ist schon ein gewisser Unterschied, ob ich annehme, dass ich gegnerische Kräfte bekämpfe und dann leider Zivilisten treffe, oder aber ob ich gezielt und wissentlich Zivilisten "verschwinden lasse" und umbringe, nur weil sie mir kritisch gegenüberstehen.
Zitat:In ihre negativen und pessimistischen Sichtweise auf die Menschheit und vor allem auf den Krieg selbst, ist Krieg an sich immer ein Verbrechen und ist jedwede Legalisierung des Krieges und eine Trennung von legalen und illegalen Handlungen rein künstlich, heuchlerisch, verlogen und dient nur dazu die eigene Gewalt zu pseudolegitimieren.
Damit wird sie aber scheitern, den jeder normale Mensch möchte eigentlich nur in Frieden leben und ist froh, wenn er nicht in den Krieg ziehen muss. Wenn er es dann doch tut, so liegen gravierende, massive Begleitumstände vor (egal ob gerechtfertigt oder nicht oder ob propagandistisch angeheizt etc.). Und diese gilt es auch zu verstehen, damit man im Kampf gegen diesen Gegner Erfolg haben will bzw. kann. Ein einfaches Reduzieren auf eine zutiefst negative und pessimistische Sichtweise als Grundlage, als causa des Agierens des Gegners würde nicht weiterhelfen, sondern eher zur Desillusionierung der eigenen Truppen führen.
Zitat:Wie erfolgreich diese Doktrin sein kann, zeigte nicht zuletzt der algerische Bürgerkrieg der von 1992 bis ungefähr 2002 tobte und nach 10 Jahren mit einem vollständigen Sieg der Regierung über die Guerilla endete.
Eine sehr optimistische Einschätzung. Sagen wir so: Es ist ruhig, das ist sicher richtig. Die Ursachen, die Wurzeln schlummern aber noch im Untergrund. Und würde die hiesige Regierung dort stürzen (oder wenn wir gar ein "libysches Szenario" mit entsprechendem Staatsverfall sehen würden), dann würden die Islamisten, die seinerzeit die Heilsfront begründeten, wieder aus ihren Verstecken kommen bzw. den Schleier der Verstellung ablegen. Hinzu kommt, dass der Sieg der Regierung nicht alleine durch ihre eigene massive Gewalttätigkeit zustande kam, sondern dass die Islamisten sich selbst durch ihre maßlose, willkürliche und oft barbarische Gewalt gegen Zivilisten in den Augen der Bevölkerung so desavouiert hatten, dass sie ihre Grundlage, ihre stillen Unterstützer im Volk verloren.

In gewisser Weise ist der Sieg über die FIS (die übrigens die Wahlen weitgehend demokratisch gewonnen hatte, ehe die Sicherheitskräfte zum crack down sich entschlossen) also nicht einem gelungenen COIN eines Regierungsapparates zuzuschreiben, sondern es war die Barbarei der Islamisten selbst, die der Regierung den Sieg mit ermöglichte.

Bis zu einem gewissen Grad ist dieser Konflikt übrigens z. B. auch mit Peru und dem "Sendero Luminoso" zu vergleichen. In Peru versuchte die Staatsmacht zunächst mit teils blankem Terror und Todesschwadronen den Maoisten Guzmáns Herr zu werden, mit dem Ergebnis, dass die ärmliche, indianische Landbevölkerung diese sogar umso mehr unterstützte. Das ging soweit, dass der "Sendero Luminoso" in den 1980ern fast 50% des Landes kontrollierte und die CIA schon meldete, dass das Land in zwei, drei Jahren auseinanderfallen würde. Aber dann hat die Regierung ihren Kurs abgeändert, sie hat versucht auf dem Land eine Art von strategic hamlet program durchzusetzen und hat ihre Todesschwadrone zurückgepfiffen. Als das geschah, haben die Maoisten sich an den Dörfern, die von der Regierung unterstützt wurden - oder von denen sie annahmen, dass sie auf der Seite der Staatsmacht stünden -, grausamst gerächt (siehe z. B. das Lucanamarca-Massaker: https://en.wikipedia.org/wiki/1983_Lucanamarca_massacre). Im Endergebnis haben die Maoisten aber so sich selbst ihre Grundlage genommen, den sie haben durch ihren Terror die Bevölkerung in die Arme der Regierung getrieben. Und dies wiederum ermöglichte es der Regierung, die selbst (von einzelnen Vorfällen abgesehen), ihren eigenen Terror deutlich zurücknahm und die polizeiliche Ermittlungsarbeit inkl. COIN gezielt verstärkte, die Banden des "Sendero Luminoso" niederzukämpfen.

Schneemann
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[Kein Betreff] - von Holger - 23.01.2004, 11:13

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