Aufstands- und Partisanenbekämpfung (COIN)
Schneemann:

Zitat:
Zitat:Daraus könnte man Schlußfolgern dass man mit den üblichen Methoden/Strategien keine Chance hat solche Gruppen auf eigenem Boden zu bezwingen.

Nicht unbedingt, zwar wird man sich auf den asymmetrischen Kampf einstellen müssen, aber die Veränderung muss in den Köpfen und Stäben stattfinden. D. h. nun nicht, dass ich mich mit den Methoden des syrischen Muchabarat oder der "französischen Schule" durchfoltern muss, sondern es heißt, dass die konventionelle, stur-unflexible Denke überwunden werden muss dahingehend, dass man wie der Gegner agiert.

Die französische Doktrin dreht sich eben nicht um Folter / Verhöre, ganz im Gegenteil. Es ist immer bedauerlich, dass sie so dermaßen darauf reduziert wird, dabei ist dieser Aspekt selbst in den Werken Trinquiers nur ein Nebenaspekt und wollte auch dieser mehr auf moderne, wissenschaftliche Verhörmethoden hinaus und nicht auf blindwütiges herumfoltern wie es die Syrer aus ganz anderen Gründen praktizieren, denn dort hat das wenig mit Informationsgewinnung zu tun. Und da sind wir schon beim wesentlichsten Punkt: der Informationsgewinnung. Ich finde es auch immer erstaunlich, wie wenig Leute überhaupt die Schriften der französischen Doktrin überhaupt studiert haben, wie wenig sie diese überhaupt studiert haben und wie sehr man diese auf Trinquier beschränkt, obwohl eigentlich beispielsweise Galula der wesentlichere Autor ist usw.

Die französische Doktrin zeichnet sich meiner Ansicht nach durch drei primäre Eigenheiten aus:

1. Sie ist Bevölkerungszentrisch. Es stehte also eben nicht der Partisan / Terrorist im Mittelpunkt, sondern die Bevölkerung. Das ist schon mal meist das erste große Missverständnis. Man reduziert die französische Doktrin auf die Bekämpfung der Gegner, diese ist in ihr aber nur eines der Mittel zum Zweck.

2. Sie vertritt die Ansicht, dass der Krieg gegen solche Gegner extralegal geführt werden muss. Denn sie geht davon aus, dass man die konventionelle, stur-unflexible Denkweise des Militärs wie der sonstigen notwendigen Sicherheitsorgane nicht im Rahmen legaler Wege überwinden kann und dass diese die eigene Kriegsführung zu sehr einschränken. Wenn man wie der Gegner kämpfen will, der sich ja außerhalb jedweden Rechts stellt, muss man selbst auch außerhalb jedweden Rechts agieren. Die These ist, dass man auch wie der Gegner agieren muss, dass dies aber innerhalb eines legalen Rahmens nicht möglich ist.

3. Sie vertritt eine negative Auffassung in Bezug auf die Bevölkerung / Gesellschaft, sie ist also geprägt von Negativismus und Pessimismus was die Menschen angeht als auch was die möglichen Erfolge angeht. Menschen sind keine guten Wesen die es vor dem Feind zu retten gilt, deren Köpfe und Herzen man durch Gutes und positive Handlungen für sich gewinnen kann, Menschen unterwerfen sich den Terroristen auch nicht weil sie deren Auffassungen besser finden, sondern aus Angst, Gier, rein rationalen selbstische Motiven und persönlichen Vorteilen. Und sie schließen sich umgekehrt dem Counterinsurgent ebenfalls nur aus solchen Motiven an und nicht weil er der Gute ist. Schlussendlich vertritt die französiche Doktrin damit ein negatives Menschenbild. Und sie geht davon aus, dass man keinen sauberen Krieg führen kann, sie vertritt also auch ein negatives Kriegsbild.

Das Problem dass sich aus diesem Dreiklang ergibt ist, und das hat auch schon Trinquier selbst so benannt und beschrieben, dass eine solche Grundauffassung wesentlich leichter dazu führt, dass Verbrechen begangen werden, die dann den Erfolg gefährden, ihn zunichte machen oder das Gegenteil von dem herbei führen, was die französische Doktrin eigentlich erreichen will. Andererseits sind ganz gezielte spezifische "Verbrechen" notwendig um erfolgreich zu sein. Moralisch-ethisch wird dies damit begründet, dass die Trennung zwischen dem was vom Kriegs- und Völkerrecht her legal sein soll und dem was nicht legal sein soll eine vollständig künstliche ist und dass diese Trennung vor allem anderen absolut heuchlerisch ist.

Ein praktisches Beispiel: es ist gerichtlich festgestellt völlig legal Bomben auf in einer Furt feststeckende Tanklaster zu werfen und damit um die 80 Zivilisten zu töten, darunter etliche Kinder, aber es wäre nicht legal gezielt einen Verdächtigen heimlich zu entführen und verschwinden zu lassen. Dies ist eben nach Auffassung der französischen Doktrin reine Heuchelei, verlogen und absurd.

In ihre negativen und pessimistischen Sichtweise auf die Menschheit und vor allem auf den Krieg selbst, ist Krieg an sich immer ein Verbrechen und ist jedwede Legalisierung des Krieges und eine Trennung von legalen und illegalen Handlungen rein künstlich, heuchlerisch, verlogen und dient nur dazu die eigene Gewalt zu pseudolegitimieren.

Da diese Pseudolegitimiation von Gewalt im Modernen Krieg aber dem Feind nützt, ist sie untauglich und deshalb muss sie überwunden werden. Das ist die Kernaussage. Dass man etwaig, falls notwendig, also Folter einsetzt, ist nicht der Kern der Sache, sondern allenfalls eine mögliche Folge dieser Grundauffassung.

Wie erfolgreich diese Doktrin sein kann, zeigte nicht zuletzt der algerische Bürgerkrieg der von 1992 bis ungefähr 2002 tobte und nach 10 Jahren mit einem vollständigen Sieg der Regierung über die Guerilla endete.
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[Kein Betreff] - von Holger - 23.01.2004, 11:13

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