Aufstands- und Partisanenbekämpfung (COIN)
Broensen:

Zitat:Gerade die Angreifbarkeit der modernen, westlichen auf Vernetzung und Information basierenden Kriegsführung ist besonders angreifbar für asymmetrische Angriffe. Auch solche, die nur die militärischen Strukturen angreifen, ohne Terror gegen die Zivilbevölkerung. Nur weil Taliban und IS das nicht leisten können, heißt das ja nicht, dass es andere, etwas fortschrittlichere "Widerstandskämpfer" nicht doch könnten.

Das Ziel einer solchen assymetrischen Kriegsführung durch exakt solche Gegner ist der Feind als Gesamtheit. Die Erkenntnis dass es hier keinen Unterschied gibt zwischen Zivilen und Militärischen Zielen ist daher der erste Schritt. Es gibt aus deren Perspektive nur den Feind und es kann auch nur so sein, da ansonsten gar kein Sieg erreichbar wäre, da dieser assymetrisch rein militärisch nicht gewonnen werden kann. Der nächste Schritt ist die Erkenntnis, dass die moderne westliche auf Vernetzung und Information basierende Zivilgesellschaft noch wesentlich empfindlicher und leichter angreifbarer ist als das westliche Militär. Da es ohnehin keinen Unterschied zwischen beidem gibt, gebietet daher die Logik das schwächere Ziel anzugreifen wo mit weniger Aufwand mehr Schaden angerichtet werden kann. Jede sinnvolle assymetrische Kriegsführung richtet sich daher sinnvollerweise so weit wie möglich gegen die Zivilgesellschaft.

Mit den Möglichkeiten eines IS hätte man beispielsweise diese Bundesrepublik in extremsten Ausmaß schädigen können und überproportional Schaden anrichten können, extrem weit über das hinaus was man bei Angriffen auf Bundeswehreinheiten hätte erreichen können. Das könnte man bis zum Zusammenbruch dieser Gesellschaft hin ausweiten. Die wirklich interessante Frage ist daher für mich hier immer, warum das nicht geschieht.

Zitat:Es gibt vieles an den westlichen Positionen und Strategien zu kritisieren, aber die moralische Grundlage gehört meines Erachtens nach nicht dazu.

Die aktuellen moralischen Grundlagen westlicher Armeen sind ein bloßes Luxusprodukt, eine Ritualisierung der Kriegsführung die allein aus extremster einseitiger Überlegenheit heraus entstanden ist und sie ist aktuell das größte militärische Hinderniss für unsere Streitkräfte. So wie auch der Alltag in westlichen Gesellschaften durch Nanny-Staat, Bürokratie und ins Nirgendwo wuchernde gesetzliche Regulierung gelähmt und beeinträchtigt wird, so wird die Kriegsführung durch genau das gleiche noch viel mehr gelähmt und beeinträchtigt, ist doch der Krieg seinem Wesen der Dinge nach das genaue Gegenteil. Ihn also diesen Einschränkungen zu unterwerfen führt zwingend zu erheblichen militärischen Nachteilen.

Das bedeutet nun nicht, dass allgemeines Massenmorden und Gewalt ohne jede Restriktion der sichere Weg zum Sieg wären - wie es oft angenommen wird. Der Krieg muss lediglich vollständig frei führbar sein, was genau dann aber im jeweiligen Einzelfall notwendig ist, ist eine davon völlig unabhängige und ganz andere Fragestellung.

[qutoe]Und genau da überschreitest du mit deinen stringenten Schlussfolgerungen mMn die Grenze der gesellschaftlichen Realität. Die Verbundenheit der westlichen Kämpfer mit den idealisierten Werten kann Antrieb und Vorteil sein, während die Verbohrtheit mancher Krieger anderer Ideologien ihnen zum Nachteil werden kann. [/quote]

Genau an diesem Punkt verstehst du mich meiner Ansicht nach nicht. Zweifelsohne kann die ideologische Verbohrtheit anderer Ideologien genau so ein Nachteil sein wie die Verbohrtheit unserer legalistischen Bürokratie und des vorherrschenden Anti-Bellizismus, also der sogenannten (aktuellen) westlichen Werte. Aber ich bin gar nicht für eine andere Ideologie anstelle der unsrigen, sondern für die völlige Abwesenheit von Ideologie. Krieg muss frei von absolut jeder Ideologie geführt werden, da er in seiner reinen Form, der des totalen Krieges keine Kultur mehr aufweist. Wenn man also seinem Wesen entsprechen will, was militärisch von erheblichem Vorteil ist, muss man Krieg völlig frei von jeder Kultur führen. Gerade deshalb wird sich beispielsweise auch die Maschinenkriegsführung als durchschlagend erweisen, steht sie doch näher an der Natur des Krieges selbst. Meiner rein persönlichen Einschätzung nach begann der Krieg geschichtlich sogar erst mit den Maschinen, Wurfspeeren, Speerschleudern und vor allem dem Bogen. Die Maschine ist daher Anfang und Ende des Krieges an sich. Maschinen aber sind Entinitäten für sich, ohne Kultur in unserem menschlichen Sinne und der Widerspruch zwischen menschlicher Kultur, menschlichem Empfinden und der maschinellen Logik des Krieges selbst als davon getrennte Entinität ist meiner Ansicht nach offensichtlich.

Zitat:Die Tatsache, dass der Mangel an strategischen Zielen und der teilweise maßlos umgreifende Pazifismus in den westlichen Gesellschaften diese militärisch schwächen, bedeutet nicht, dass die hier vertretenen Werte der rücksichtslosen Kriegsführung anderer zwangsweise unterlegen sein müssen.

Rücksichtslosigkeit ist in der Kriegsführung genau so wenig ein Selbstzweck und kann funktionieren, oder sie kann nicht funktionieren, genau so wie die (aktuellen) sogenannten westlichen Werte. Aber: es gibt nun Werte welcher mehr geeignet sind für die Kriegsführung (nicht in allen Szenarien, aber überwiegend) und es gibt Werte die weniger für die Kriegsführung geeignet sind (nicht in allen Szenarien, aber überwiegend). Dieser Unterschied ergibt sich aus der Fragestellung, welche Werte näher an der Natur des Krieges selbst sind.

Daher sind die hier vom Westen vertretenen Werte nicht zwangsweise unterlegen, aber sie haben eine gewisse Tendenz dazu unterlegen zu sein. Aber auch die Werte der anderen sind keineswegs die für die Kriegsführung am besten geeigneten. Und wichtig ist hier immer zu unterscheiden zwischen dem was öffentlich propagiert und geglaubt wird und dem was tatsächlich ist. Beispielsweise reden viele Islamisten höchst fanatisch daher, erklären sie würden sich jederzeit opfern und jedes denkbare Verbrechen begehen usw. tun dies aber real praktisch nicht. Und umgekehrt faselt der Westen TM von Menschenrechten, handelt aber real ganz anders und tötet nach belieben extralegal Kinder durch Kriegsroboter.

Die Japaner kämpften im Zweiten Weltkrieg äußerst brutal und ohne jede Rücksicht. Sie propagierten aber auch genau dies und erklärten offen dass Brutalität der Schlüssel zum Sieg sei. Die Amerikaner kämpften für die Menschenrechte, Freiheit und Demokratie, warfen aber Atombomben auf unverteidigte Städte und töteten nach belieben japanische Kriegsgefangene um deren Schädel auszukochen um diese als Trophäe mitzunehmen und noch vieles mehr.

Die von Politik und Gesellschaft öffentlich vertretenen Werte und das reale Geschehen im Krieg sind ja daher noch einmal ganz unterschiedliche Welten. Beispielsweise gibt es starke Indizien dafür, dass die USA in Afghanistan massenweise unbewaffnete Gefangene oder einfache Verdächtige einfach ermordeten. Völlig ungeachtet dessen was öffentlich an westlichen Werten in westlichen Gesellschaften so propagiert wird.

Unsere Werte sind daher gar nicht so viel Wert. Spezifisch für westeuropäische Staaten und noch spezifischer für diese Bundesrepublik aber muss man eine gewisse Lähmung und Kriegsunfähigkeit propagieren, und dies gerade eben weil die von uns propagierten Werte mehrheitlich tatsächlich geglaubt werden und man tatsächlich versucht diese umzusetzen. Und weil das eben zu weit weg ist vom Krieg als davon getrennter Entinität, bedeutet dies eine Schwächung der Kampfkraft die man halt einfach berücksichtigen muss. Gegenüber vielen Gegnern ist das durchaus miltärisch kompensierbar.
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[Kein Betreff] - von Holger - 23.01.2004, 11:13

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