Aufstands- und Partisanenbekämpfung (COIN)
#63
@Quintus:
Es wurde ja ne Menge geschrieben, seit ich das letzte mal on war. Smile
Also von vorne.

Der "kleine" Krieg und der "große" Krieg waren schon immer getrennte Kategorien, die mit verschiedenen Mitteln durchgekämpft werden mussten. Zeitweise war man der Meinung, dass man mit Truppen, die für den "großen" gerüstet sind, automatisch auch den "kleinen" Krieg gewinnen kann. Und das war bis vor kurzem auch bei uns (wieder) der Fall. Faktisch zeigt uns die Geschichte aber ein komplett anderes Bild. Die Truppen, die für den "kleinen" und die für den "großen" aufgestellt wurden waren immer unterschiedlich und zu bestimmten Teilen in den Armeen vorhanden und beeinflussten sich gegenseitig.
Ein Beispiel ist die Entwicklung der Feuerwaffen und der "modernen" Kavallerie Ende des Mittelalters. Weder die leichte Kavallerie noch die Feuerwaffen waren anfangs sinnvoll in Feldschlachten einsetzbar. Aber für den "kleinen" Krieg waren sie besser geeignet als alle anderen Truppen. Da der Maneuverkrieg vorherrschte und man Schlachten meist vermied, hat man also diese Truppen vermehrt. Wenn es zur Schlacht kam, konnte man aber nicht die Truppen einfach austauschen - man hatte ja keinen anderen. Also entwickelte man diese weiter, was zur "klassischen" Dreiteilung der Kabinettskriege von Infanterie, Kavallerie und Artillerie führte.
Obwohl die Mittel, die man zur Führung der unterschiedlichen Formen des Krieges benötigt unterschiedlich sind, kann man sie dennoch nicht trennen, da man die Truppen ja doch letztendlich für beide Aufgaben einsetzen wird.
Die Kriegführung ist im Fall Afghanistan also keineswegs ritualisiert, wie du sagst, sondern einfach unangepasst.
Um dein schönes Bild zu verwenden: Man steht mit der Sense vorm Wald und versucht die Bäume umzusensen.

Das zielt auch wieder auf den Bereich den du ansprichst, dass sich Truppen immermehr unter die Zivilisten mischen. Faktisch gabs das schon immer und es kommt und geht periodisch. Wir (im Sinne der katen Krieger) hatten es nur nichtmehr auf dem Schirm, weil es lange Zeit, im kalten Krieg, bestenfalls eine Randerscheinung war. Und je länger die letzten Erfahrungen mit dem "kleinen" Krieg waren desdo mehr wurde die Expertise, Ausbildung und Bewaffnung dafür runtergeschraubt.
Uniformen hatten ursprünglich eh eher eine soziale als eine funktional-militärische Bedeutung. Man hat die Uniforman zwar über die Zeiten beibehalten, aber die Begründung für die Uniformen hat sich verändert. Ursprünglich wurden sie wohl eher beschafft, damit die Soldaten was ordentliches anzuziehen hatten und nicht in Lumpen gehen mussten. Später wurden sie genutzt um sich von anderen zu unterscheiden (nicht in der Schlacht) und um einen Korpsgeist aufzubauen. Dann wurden sie getragen damit der Feldherr seinen Armeen besser führen konnte. Zudem wurden sie eine Art Statussymbol. Dann wollte man aus völkerrechtlichen Grund Soldaten und Zivilisten unterscheiden können. Und die letzte Entwicklung war die Tarnung.

Die Frage der Technologiekiller, die du aufbringst hat es schon ewig gegeben, bis hin zu den skurrilsten Vorschlägen. Dazu ist zu sagen, dass weder der Panzerschreck noch die Fliegerfaust den 2.Wk gewonnen haben. Denn die Panzer und Schlachtflugzeuge wurden nicht umsonst eingeführt.
Und der Vorschlag Deutschlands Armee ausschließlich auf Infantrie aufzubauen, die die sovietischen Panzermassen einfach passieren lässt und dann von überall her den "kleinen" Krieg führt war wohl auch eher einen Randnotiz des kalten Krieges.
Generell gilt, was du selbst geschrieben hast. Man muss für eine bestimmte Aufgabe die richtigen Mittel bereitstellen und nutzen.
Und diese "Technologiekiller" können genauso gekontert werden, wie alles andere. Übrigens ist ein anderer Begriff dafür "Gamechanger", sofern man postuliert, dass sie die Taktik grundlegend ändern.

Zu dem Thema der Verluste stimme ich voll mit dir überein. Selbst die Verluste der USA sind praktisch nichts. Vermutlich gibt es in den USA ein vielfaches Mehr an Toten durch Morde, als im Einsatz Soldaten sterben. Eine Gesellschaft muss damit leben können - auch unsere.
Und wenn man nicht bereit ist den Preis zu zahlen, dann soll man die Finger von solchen Einsätzen lassen.

Dass die westlichen Armeen stark konservativ sind ist unbenommen. Das liegt an den "alten Kameraden" in höheren Positionen, die noch im kalten Krieg sozialisiert wurden und von denen viele die alten Denkweisen nicht ablegen können oder wollen.
Deine Aussage dass die Armeen die Konservativsten sind, ist allerdings so nicht korrekt. Auch wenn wir aus der Innensicht oft das Gefühl haben es wäre so, sind andere Organisationen nicht weniger konservativ. Guck dir einfach die letzte Wirtschaftskrise an und du weisst, dass das alles nicht möglich gewesen wäre, wenn die ganzen Banken und andere Konzerne (GM, die ganze US-Stahlindustrie etc.) nicht extremst strukturkonservativ wären.
Wir mögen uns über den Konservativismus in den Streitkräften ärgern - vor allem da die Streitkräfte zeitweise mal an der Spitze des Fortschritts geschritten sind - aber das Trostpflaster ist, dass es den meisten anderen nicht besser geht.

Und auch ich bin ein Befürworter der Wehrpflichtarmee, wenn auch nicht aus exakt den gleichen Gründen wie du. Aber es gibt extrem viele gute Gründe dafür und kaum einen guten Grund gegen die Wehrpflicht. Wie man so einen Schwachsinn, wie die Abschaffung der Wehrpflicht überhaupt durchsetzen konnte, ist mir schleierhaft. Offenbar werden wir zumindest in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik von komplett Ahnungslosen regiert.
Ich hätte im Gegenteil die Wehr-/Dienstpflicht sogar ausgeweitet, um der Gleichberechtigung Willen. Aber was da wieder gemacht wurde, darüber kann man nur den Kopf schütteln.

Tote eigenen Soldaten sind natürlich nicht irrelevant. Aber wenn man einen Auftrag hat, muss man auch Verluste verkraften. Und wenn der Auftrag nicht ausgeführt werden konnte, sei es wegen falscher Taktik oder Bewaffnung oder was auch immer, dann ist jeder Tote umsonst gewesen.

Und es gibt keinen "Normalzustand" in irgendeinem politisch-gesellschaftlichen System, auch nicht in Afghanisten. "Normalzustand" ist das was man draus macht. Letztlich sind auch die Taliban eine Minderheit und ihre Herrschaft ist die Herrschaft einer Minderheit, selbst wenn sie alle Paschtunen vertreten würden; was sie aber nicht tun.
Ich fände als beste Lösung Afghanisten - und nebenbei erwähnt auch andere failed states - einfach entlang von Ethnien aufzuteilen um mehrere zumindest halbwegs stabile Staaten zu schaffen, die auch zentral regierbar sind.
Entsprechende Entwicklungen sieht man ja in einigen failed states. Dass sich nämlich einige Regionen autonem erklären und als stabiler Quasistaat etablieren; siehe Somalia. Man sollte so etwas unterstützen anstatt auf die faktisch nicht vorhandenen Souveränität dieser Staaten zu pochen, die selbst nur willkürliche Gebilde sind.
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[Kein Betreff] - von Holger - 23.01.2004, 11:13

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