06.04.2015, 19:56
Zitat:Atomare Bestrebungen der traditionellen Regionalmächte (Türkei, Saudi Arabien und Iran) sind aus rein spieltheoretischer Betrachtung heraus die zwingende Folge der Atombomben des regionalen Neulings Israel. Die erstgenannten Länder sind nicht Schuld an dieser Ungleichung, sondern Getriebene dieser Ungleichung...Sind sie das denn wirklich? Die Türkei hat immerhin Israel bereits 1949 anerkannt, als erster muslimischer Staat übrigens. Spannungen zwischen beiden gibt es nicht, seit die Israelis mutmaßlich die Atomwaffe haben, sondern erst seit sich ab grob den frühen 2000ndern eine konservative islamische Erneuerungsbewegung und eine schleichende Abkehr vom laizistischen Erbe Atatürks in der Türkei abzuzeichnen begann. Eine Rolle spielte die Atomwaffe indessen keine.
Der Iran hat Israel als zweites muslimisches Land anerkannt. Spannungen gab es bis 1979 quasi keine - obgleich die Israelis vermutlich um 1967 die Bombe hatten -, erst mit dem Sturz des Schah und der Machtübernahme der Mullahs begann die Eiszeit und die "Nichtanerkennungshetze". Insofern spielte die Atomwaffe hier keine Rolle, sondern eher die theokratische Ideologie der neuen Machthaber.
Was nun Saudi-Arabien angeht, so ist Saudi-Arabien das einzige der drei genannten Länder, welches nie Beziehungen zu Israel aufgebaut hat. Interessanterweise - obwohl die "Abneigung", ja vielleicht sogar der wahhabitische Hass gegen Israel hier am größten war - spielten aber die israelischen Atomwaffen seltsamerweise überhaupt keine Rolle bei den über Jahrzehnte hinweg ausufernden Rüstungsbestrebungen des Landes. Gedanken bzw. Sorgen über eine saudische Bombe wegen einer israelischen gab und gibt es quasi keine, eher gibt es die Befürchtung, dass die Saudis im Falle einer iranischen Bombe wegen des schiitisch-sunnitischen Gegensatzes und der Rivalität am Golf nachziehen könnten.
Insofern: Dieses Argumentationskonstrukt von wegen der israelischen Bombe und der daraus angeblich resultierenden Notwendigkeit zum Nachziehen zieht nicht ganz; die Länder vor Ort waren keine Getriebenen einer israelischen Bombe, sie sind vielmehr Getriebene einer stockkonservativen Auslegung des Islam, ja einer teils intoleranten theokratischen Ideologie, die in Iran seit 1979 vorherrscht und die in der Türkei seit grob 20 Jahren doch relativ starken Zulauf erhält und die eben im Kern auch die Feindseligkeiten zu Israel pflegt. Diese wurde aber quasi erst vor Ort im Rahmen dieser entstandenen Ideologien "gepredigt" und hat ursprünglich nichts mit irgendwelchen Kernwaffen zu tun.
Schneemann.