Kulturen im Konflikt
Quintus Fabius schrieb:Heute haben die arabischen Länder weniger produzierende Industrie als 1970, der Export von Fertiggütern aus dem gesamten islamischen Raum ist geringer als der der Phillipinen allein. Und selbst wenn man die Ölstaaten mit einrechnet ist das Pro-Kopf-Einkommen in den letzten 25 Jahren gerade mal um 6% gestiegen. Die Zahl der Araber hat sich hingegen seit 1980 verdoppelt, ca 60% davon sind Minderjährige (unter 18). (Zahlen und Daten von Dr. Rola Dashti, Kuweitische Ministerin)

Mich würden weitere Details zu der zitierten Statistik interessieren, insbesondere welche Länder in diesem Zeitraum wie performt haben. Mich würde interessieren, welche Führung/Elite in diesen Ländern welchen politischen Hintergrund hatte.

Zitat:Was für eine Erklärung hast du für diese katastrophale Fehlentwicklung - insbesondere des arabischen Raumes?

Die Frage richtete sich nicht an mich, aber ich persönlich sehe als zentrale Problemfaktoren im Mittleren Osten

1) Die seit Jahrzehnten schlechte Sicherheitslage
2) Mangelhafte staatliche Strukturen
3) Mangelhafte staatliche Kohäsion
4) Korruption
5) Mangelhafte Einbindung der Arbeitskraft von Frauen
6) Das allgemein starke soziale Gefälle
7) Geostrategische Konstellationen

benennen. 3 bis 4 der oben genannten 7 Punkte würde ich so einschätzen, dass diese durch kulturelle Faktoren maßgeblich beinflussbar sind. Nach meiner persönlichen Einschätzung ist die betrachtete Kultur daher durchaus potentiell maßgeblich.

Zitat:Deine Erklärung: weil die halt arm sind und zu wenig Bildung haben, kann nicht erklären, warum die produzierende Industrie abnimmt und die Bildung schlechter wird.
...
Die einzige paralell zu dieser ständigen Verschlechterung ablaufende Entwicklung ist der sich ständig ausbreitende Islamismus. Der natürlich von gewissen Machthabern auch genutzt oder benutzt wurde...

Die Abhängigkeit von zwei Variablen auf diese Weise zu demonstrieren, erscheint auf recht sandigem Fundament gebaut. Aber ich gebe Dir Recht, dass die radikalste Auslegung von Religion per se ein ernormes Potential für eine Vernachlässigung weltlicher Bedürfnisse darstellt. Armut (ob selbst verschuldet oder nicht) wirkt als Katalysator. Die Verfolgung von Minderheiten, Krieg und Chaos, Hass und Verunsicherung sind als GAU die zwingende Folge. Die radikal-islamisch motivierten Akteure/Eliten neigen ganz im Speziellen dazu, den notwendigen Kontakt zum Boden, also zu den weltlichen Themen, in jeglicher Konsequenz zu verlieren.

Zitat:Der Islamismus stellt damit die Modernisierung des Islam dar (Modernisierung nicht im positiven Sinne) und zerstört dabei über kulturelle Wirkmechanismen die Grundlagen für jede positive Entwicklung im arabischen Raum.

Modernisierung ist der falsche Begriff. Ein Trend ist nicht zwigend modern. Der beobachtete Islamismus ist auch im Selbstverständnis keine Modernisierung. Er ist auch kein Konservatismus. Es handelt sich um eine Radikalisierung, um eine angestrebte radikale Veränderung vorherrschender Werte. Insofern hat es etwas vermeintlich "Neues", aber diese besagten radikalen Muslime fordern keine Modernisierung, sondern sie propagieren ausdrücklich eine Rückbesinnung auf vermeintlich vergangene Werte. Eine solche Rückbesinnung ist, wie sie sich nachweislich darstellt und wie Du an anderer Stelle bereits sehr richtig geschriebe hast, eine bewusste und gezielte gesellschaftliche Versteinzeitlichung. Strömungen und Forderungen mit derartiger Zielsetzung stellen eine Krankheit für als Völker dar. Die relevante Mehrheit muss und darf ein solches Geschwür weder aus Kalkül noch Hang zur Passivität wachsen lassen.

Da der Islam von den Gläubigen im Detail praktisch nach belieben interpretiert und praktiziert wird, ist er inhärent instabil. Kurzfristig starke Schwankungen beim Zulauf gewisser Strömungen sind daher im betrachteten Islam sehr wahrscheinlich. Dem Islam fehlt eine funktionierende zentrale weltliche Organisation und Bindung. Ein funktionierender Staat (eine der bekannteren Formen weltlicher Gemeinschaft) kann aus gutem Grund überhaupt kein Interesse an einer Intellektuellen und wirtschaftlichen Ausgrenzung von Frauen und Minderheiten haben. Ein Staat muss ein Interesse daran haben, ideologische und ethische Theme aufzugreife, die das Volk bewegen. Entgegen der allgemeinen Lesart darf genau deshalb ein demokratisch basiertes Staatswesen und Religion im Mittleren Osten eben nicht vollkommen getrennt voneinander bzw. unverbunden nebeneinander stattfinden. Und genau deshalb sind auch lokale Stammesstrukturen, wie sie mancherorts existieren, keine

Zitat:Der Islamismus geht dabei mit einer ständigen Primitivierung und Militarisierung der islamischen Kulturen einher. Das zwingende Endergebnis ist zivilisatorischer Niedergang und Krieg und exakt dies beobachten wird ja hier und heute allenorten.

Da hast Du Recht. Interessant wäre in diesem Zusammenhang die Frage, warum gerade die Radikalen so einen Bedeutungsgewinn erlangen konnten.
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Nachrichten in diesem Thema
Kulturen im Konflikt - von Erich - 05.05.2004, 21:27
RE: Kulturen im Konflikt - von Schneemann - 06.09.2023, 08:56
RE: Kulturen im Konflikt - von Quintus Fabius - 01.11.2023, 11:13
RE: Kulturen im Konflikt - von Quintus Fabius - 01.11.2023, 11:14
RE: Kulturen im Konflikt - von Nightwatch - 01.11.2023, 16:17
RE: Kulturen im Konflikt - von Schneemann - 07.11.2023, 11:59

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