Kulturen im Konflikt
Ich bin auch kein Anhänger der Kulturkampfthese, aber dieser Autor der SZ braucht gar nicht erst zu versuchen mit seiner Argumentation Huntington intellektuell herauszufordern.

Das Konfliktpotential ist sicherlich hausgemacht. Aber die Rolle der Großmächte in diesen Konflikten lässt sich kaum verneinen. Es waren und sind nämlich durchaus die USA/Israel, GB, Frankreich und Russland/UDSSR, die im Zuge von Kolonialherrschaft und Wirtschaftsinteressen, einerseits unbewusst und anderer Stelle aber auch sehr bewusst und vorsätzlich, die vorhandenen Differenzen und Spannungspotentiale massiv gegeneinander ausgespielt und befeuert haben. Beispielsweise im Zuge verschiedener Proxy-Kriege der Kolonialmächte untereinander oder in Konflikten mit regionalen Konkurrenten. Dabei wurden und werden vor allem die kampfbereiten radikalen Kräfte gestärkt. Die anderen braucht man ja nicht im Krieg.

Von wem werden Juden, Palästinenser, Christen/Kopten, Alawiten/Schiiten, die über Jahrhunderte mal mehr mal weniger gut zusammen gelebt haben. usw denn heute vertrieben und aus Gotteshäusern, Schulen und Marktplätzen gebombt?

Erstens durch jene die als unmittelbare Folge der Kolonialgeschichte (willkürliche Grenzen) um Land und Mitsprache kämpfen und zweitens durch die massiv an Macht und Relevanz gewonnenen Wahabiten, die für sich beanspruchen die einzigen wahren Gläubigen zu sein. Letztere stammen aus der Wüste Saudi Arabiens und waren vor der Entdeckung des Erdöls allenfalls ein paar unzüchtigen Kameltreibern und als bezahlte Schlägertrupps den lokalen Konkurrenten der Familie Saud auf den Nerv gegangen. Heute sind die Wahabiten Dank der aktiven Beihilfe des Westens eine staatenlose Regionalmacht mit Präsenzen in Pakistan, Afghanistan, Irak, Libyen, Jemen, Somalia, Syrien, Tschetschenien, Mali, ... DIe Geschichte des Stammes der Saud und ihrer untrennbaren historischen Allianz mit den wahabitischen Religionskriegern ist den Königen und Regierungschefs in London und Washington stets bestens bekannt gewesen. Man hat diese Kräfte nicht nur einmal sehr bewusst und sehr gezielt eingesetzt. Heute sprechen wir von einigen hunderttausend kampfbereiten Anhängern und einer Milliardenschweren Kriegskasse. Diese Ideologie ist inzwischen so tonangebend, dass sie die gemäßgten Stimmen völlig übertönt und Millionen von anderen Muslimen/Christen in die Flucht schlägt. Und was macht der Westen? Er stärkt sie weiter!

Insofern wäre es ja eigentlich nur gerecht und konsequent, wenn in Zukunft eine Wahabitenarmee vor Wien steht, statt türkischer Sultane, und in der Folge die Landkarte Europas völlig sinnfrei neu gezeichnet wird. Das können ja dann die Stammesältesten in Jemen, Somalia und Katar unter sich ausfeilschen. Ich vermute die Auswirkung in Europa wären nach ein paar Jahrzehnten nicht minder verheerend. Allerdings habe ich immernoch Hoffnung, dass eine einkehrende Vernunft die zukünftigen Handlungen prägt und eine lebenswerte und lebensfähige Stabilität eintritt. Ohne einen Kurswechsel des Westens im Umgang mit der Region ist das jedoch unmöglich. Derzeit beobachte ich eher eine Carrot & Stick Politik im Umgang mit den Radikalen: Wir helfen Euch, die anderen zu schlagen aber schlagt ja nicht uns...
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Nachrichten in diesem Thema
Kulturen im Konflikt - von Erich - 05.05.2004, 21:27
RE: Kulturen im Konflikt - von Schneemann - 06.09.2023, 08:56
RE: Kulturen im Konflikt - von Quintus Fabius - 01.11.2023, 11:13
RE: Kulturen im Konflikt - von Quintus Fabius - 01.11.2023, 11:14
RE: Kulturen im Konflikt - von Nightwatch - 01.11.2023, 16:17
RE: Kulturen im Konflikt - von Schneemann - 07.11.2023, 11:59

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