Kulturen im Konflikt
Ich bezog mich bei der Betrachtung der Völker Amerikas hauptsächlich auf Nordamerika.
Dort waren die Europäer sehr lange noch nicht die unumstrittenen Herren, sondern man paktierte und lavierte sehr viel mit den einheimischen Stämmen. Es gibt in den Kriegen zwischen Indianern und Weißen sehr viele verschiedene Beispiele, die zeigen, dass die Waffentechnologie allein bei weitem nicht ausreichend ist um Unterlegenheit zu erklären.
Es gibt Schlachten, die von zahlenmäßig weit unterlegenen indianischen Kriegern ohne Feuerwaffen gegen amerikanische Soldaten gewonnen wurden. Und es gibt Schlachten, wo zahlenmäßig überlegene indianische Streitkräfte, weitgehend mit neuester Waffentechnologie (Repetiergewehren) ausgerüstet, gegen amerikanische Soldaten mit Einzelladern verloren haben. Das zeigt, dass es auch in der "Kriegskunst" offensichtlich viel mehr gibt, als nur die reine Waffentechnologie, das über Sieg und Niederlage entscheidet. Ich denke ein wichtiger Punkt sind auch Moral und Disziplin.
Wie Quintus angesprochen hat in seinem Beispiel mit den Spaniern und Tlaxcalteken war es dort die mangelhafte Moral der Tlaxcalteken, die einen eigentlich sicheren Sieg in eine Niederlage verwandelt hat. Letztendlich hat in fast allen Schlachten immer der verloren, der aufgibt. So simple das klingt, so wahr ist es. In antiken Schlachten lagen die Verluste im Schnitt bei nur 5% in der eigentlichen Schlacht. Der größte Teil der Toten - vor allem beim Verlierer - kam zustande nachdem die Schlacht verloren war und der Sieger den Besiegten verfolgte um seinen Sieg auszubauen. Wer als erstes die Nerven verliert, der verliert auch die Schlacht. Und das trifft auch auf überlegenen Armeen zu. Im Prinzip könnte man vereinfacht sagen, die ganze Rumknallerei und Rumschnetzelei im Krieg ist nur dazu da dem Feind Angst zu machen und ihm die Lust am Weitermachen zu verleiden. Ein schönes Beispiel dafür ist eine Schlacht in den Napolenischen Kriegen in Spanien (ka, welche das ganau war), wo Napoleon gekotzt hat, weil die Briten einfach nicht aufgegeben haben, obwohl sie seiner Meinung nach eigentlich geschlagen waren. Aber wie oben ausgeführt, weil sie nicht aufgegeben haben, haben sie trotzdem nicht verloren.

Bezüglich deiner Frage Quintus, ob die europäische Kultur generell flexibler war als die der anderen Völker, möchte ich mit einem klaren JEIN antworten. Die Kultur als ganzes war vermutlich nicht wesentlich flexibler und anpassungsfähiger. Aber die Abenteurer und Siedler, die in die neu entdeckten Gebieten zogen, repräsentierten eben nicht die gesammte europäische Kultur oder auch nur den Durchschnitt. Sondern das war der Teil der am mobilsten und abenteuerlustigsten war.
Im Prinzip blieben die die im alten System verwurzelt waren und sich mit ihm arrangierten und eben nicht gewillt waren sich neuen Herausforderungen zu stellen und sich dann auf neue Situationen einzustellen zu Hause. Und nur die die mobiler und bereit waren sich neuen Herausforderungen zu stellen und die keine Möglichkeiten in den alten Systemen hatten, gingen in die neue Welt.
Das waren auf die Gesamtbevölkerung gerechnet auch nicht wirklich viele, die anfangs auszogen und die entscheident für das Erringen der Vorherrschaft waren. Aber eben diese, die vorher in Europa überall verstreut waren, konzentrierten sich in der Neuen Welt und erlangten durch diese Konzentration erst ihre Durchschlagskraft.
Und zu deiner zweiten Frage ob wir diese Flexibilität immernoch haben, würde ich in Bezug mit oben mit einem klaren JA antworten. Die mobilen und flexiblen Menschen werden den gleichen Anteil der Bevölkerung ausmachen wie früher. Aber wie früher sind sie in der konservativen und trägen Durchschnittsbevölkerung verstreut und können entsprechend nichts bewirken. Wenn es eine Möglichkeit gäbe sie ähnlich früher auf ein Ziel zu konzentrieren und ihnen weitgehende Handelsfreiheit zu geben, könnten sie heute wie früher eine extreme Durchschlagskraft entfalten. Und es gibt immer wieder Gebiete auf denen das auch passiert. Aber diese Gebiete sind heute nicht mehr geopolitisch sondern anders geartet. Im Prinzip ist die IT-Revolution und die Netz-Revolution von Konzentrationen solcher Leute gepusch worden. Als es keine Regeln vom Establischment in diesen Bereichen gab, kam es zu gradezu explosionsartigen und bahnbrechenden Entwicklungen. Aber immer wenn so eine Revolution stattgefunden hat - das gilt auch für gesellschaftliche Revolutionen - wird sie früher oder später von den konservativen Apparatschkis übernommen reglementiert und abgewürgt.
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
Kulturen im Konflikt - von Erich - 05.05.2004, 21:27
RE: Kulturen im Konflikt - von Schneemann - 06.09.2023, 08:56
RE: Kulturen im Konflikt - von Quintus Fabius - 01.11.2023, 11:13
RE: Kulturen im Konflikt - von Quintus Fabius - 01.11.2023, 11:14
RE: Kulturen im Konflikt - von Nightwatch - 01.11.2023, 16:17
RE: Kulturen im Konflikt - von Schneemann - 07.11.2023, 11:59

Gehe zu: