Historische / Antike Schlachten
#41
(Teil 4) Ich habe dazu eine Theorie, die aber nirgends von den Quellen bestätigt ist. Man muß bedenken, das ein Grosteil der römischen Nobilität und Führung vor Ort war. Darunter viele politische und persönliche Feinde vom gleichen Rang. Als der Konsul Aemillius gefallen war, vielleicht aber auch schon davor, brach Uneinigkeit in der römischen Führung aus, all diese Senatoren und Konsulare meinten allein sie wären imstande weiter zu führen und machten was sie wollten. Ich glaube, abgesehen von dem Fehler mit den Triarii, war dieses Manko in der römischen Führung hautverantwortlich dafür, dass die Römer eine so totale Niederlage erlitten. Da die gleichen Kreise, die Familien der Überlebenden dann im weiteren auch die Geschichte niederschrieben, haben sie, so meine Hypthese ihre Hauptschuld an der Größe der Niederlage verschwiegen, aber ohne einen solchen Zusammenbruch der Befehlsstruktur, ohne das hätten die Legionen wie bei der Schlacht an der Trebia, wo sie ja auch eingekesselt waren ausbrechen können und die Verluste wären nicht derart verheerend gewesen. Wohlgemerkt, verloren war die Schlacht schon als man die Triarii nicht einsetzte, dennoch hätte man bei einer weiter koordinierten Führung keine derart schlimmer Niederlage erlitten. Man wäre zwar besiegt worden, und Hannibal hätte unbehellligt weiterziehen können, z.B. wieder nach Kampanien, aber man hätte maximal 10 000 Soldaten eingebüßt und hätte immer noch eine gewaltige Armee übrig gehabt, mit der man ihm hätte nachsetzen können.

Es brach aber offenbar die Koordination der Truppen zusammen und die Römische Front nach hinten begann sich aufzuspalten und zu teilen, gleichzeitig stoppten die Römer im Zentrum ihren Vormarsch gegen die Kelten und Spanier dort im letzten Moment bevor diese auseinander gerissen worden wären. Die Römer versuchten offenbar mit Teilen ihrer Armee verschiedene Dinge gleichzeitig zu tun und gerieten dabei in völlige Konfusion, in der Folge konnten sie den Druck durch ihre Masse nicht mehr aufrechterhalten und sich gerade deswegen den nun geschlossen anstürmenden Karthagern nicht mehr entgegenstemmen. Erst jetzt begannen die Römer, binnen kurzem gewaltige Verluste zu erleiden, in der Folge, und mit dem Angriff der Reiterei des Gegners in ihren Rücken brach dann wohl Panik aus. Panik bricht bei Armeen die sich im Massennahkampf befinden immer in den hinteren Reihen aus. Gerade deswegen stellten die meisten antiken und später auch mittelalterlichen Militärmächte die so kämpften die Erfahrensten und Ruhigsten in die hinteren Reihen, bei den Römern normalerweise die Veteranen Truppen der Triarii, die aber zu dem Zeitpunkt weitab vom Schlachtfeld vergeblich versuchten, dass karthagische Lager zu stürmen. Jetzt stellt sich die Frage, wie man sich dieses Abschlachten ohne weitere karthagische Verluste überhaupt vorstellen soll. Klassischerweise nimmt man ja an, dass die Römer alle in einem Kessel gefangen waren und dort Stück für Stück vom Rand her niedergemacht wurden. Aber: beim Nahkampf, beim Massennahkampf kann das so nicht gewesen sein. Die Römer hätten sich, auf engen Raum zusammengedrängt automatisch ja wieder zu Massen zusammengeschlossen und dieser Körper hätte dann von selbst angefangen, einen Gegendruck aufzubauen. Dazu: Wenn die Römer komplett eingeschlossen gewesen wären, dann wären die karthagischen Linien mangels Masse sehr dünn gewesen, warum sollten die Karthager so viel besser kämpfen, vorher vermittelt der Angriff der Phalanx das Bild, dass mit Wucht und mit Schwerpunkten gekämpft wurde, und dann sollte man das abbrechen und sich verteilen um den Gegner komplett einzuschließen?? Damit gibt man ihm ja Zeit und schwächt sich selbst und müsste partiell den Kampf abbrechen. Ich glaube daher, dass man sich den Kessel von Cannae so vorstellen muß, die Römische Masse die in verschieden Richtungen agiert, zum Teil sogar in entgegengesetzen Richtungen und die nur auf einer Seite von einer Linie karthagischer Infanterie komplett bedrängt wird, von den anderen Seiten dagegen geballten karthagische Truppen, die sich zu Sturmangriffen auf die in Panik geratenden Römer zusammensammeln, dazwischen jede Menge Lücken, vor allem nach hinten, aus denen immer weiter kleinere Gruppen von Römern herausquellen. Hier setzt nun die Kavallerie ein. Die Antike Kavallerie hatte nicht die Fähigkeit zum Schock gegen geballte Massen von Infanterie oder gegen große, in Formation befindliche Inf Verbände, dazu waren die Pferde zu klein und die Anzahl der Reiter zu wenige, außerdem sind Pferde Fluchttiere und nur schwer dazu zu bringen, geschlossene Menschenmengen einfach hineinzudonnern. Dagegen ist das sehr wohl gegen lockere, auseinanderstrebende, kleinere Gruppen von hundert Mann zum Beispiel möglich, und Manipelweise kamen die Römer ja durch die karthagischen Lücken im Rücken, nur um dann von der karthagischen Reiterei niedergeritten zu werden. Hierbei entstanden die gewaltigen Verluste, überhaupt das Gros der Verluste entstand bei diesem Vorgehen. Durch den Druck und weiteren Vormarsch der Phalanx in die Flanke und nun auch in den Rücken der verbliebenen Legionäre wurden diese nach hinten Gruppenweise durch die Lücken herausgequetscht oder flohen von selbst, um dann dort von der Keltischen, Spanischen und Numidischen Reiterei niedergemacht zu werden.

Die Verluste: Die genaue Höhe der Verluste ist nur sehr schwer abzuschätzen, die Römer verloren auf jeden Fall einen Gros ihres Heeres. Dennoch ist es sehr interessant, dass aus den Überlebenden Römern von Cannae dann zwei neue Legionen gebildet wurden, so dass also schon mit den Bundesgenossen zusammen so um die 15 000 Römer überlebten. Wenn man diese auf die ungefähr 85 000 Mann Heeresstärke die meist propagiert wird bezieht, kommt man dann auf die 70 000 Mann Verluste die Rom angeblich erlitt. Wenn man aber meiner Argumentation folgt, und das römische Heer in der Schlacht nur 65 000 Mann stark war, dann beliefen sich die römischen Verluste wohl auf um die 50 000 Mann, also 20 000 Mann weniger als gemein hin angegeben wird!
Am schwierigsten ist aber die Frage nach den Karthagischen Verlusten zu beantworten. Meist werden diese als niedrig angenommen, und vor allem die Verluste an Infanterie als die primären hingestellt, die Zahlen gehen meist in den Bereich von 6000 bis 8000 Mann Infanterie, wobei davon 5000 durch den Pilenhagel binnen Minuten herbeigeführt worden waren und vielleicht 1000 Mann Kavallerie. Zur Frage der römischen Verluste muß man unbedingt noch erwähnen, dass sich zehntausende Römer am Schluß ergaben, dabei töteten die Karthager die römischen Bürger, ließen aber die Bundesgenossen ziehen, so dass von den 50 000 Mann Verlusten weitere 10 000 als Gefangene zu verbuchen sind, die Hannibal zwar laufen ließ, die sich aber mit ihren Städten oder Stämmen dann Hannibal im weiteren anschlossen und so auch für Rom dauerhaft verloren waren.

Dennoch sind diese Verluste eine noch nie dargewesene militärische Katastrophe für Rom gewesen, warum aber wurden sie so besonders hochgespielt in der Geschichtsschreibung? Üblicherweise versucht man ja die eigenen Verluste geringer darzustellen, die Römer neigten auch üblicherweise dazu, in dieser Schlacht jedoch nicht. Ich vermute das es an den Verlusten des Adels und des Senats liegt, die dieser in der Schlacht erlitten hatte, und da diese Schicht die einzig schreibende, auch geschichtsschreibende war, und die Geschichten der Schlacht sogar von Teilnehmern handelten, wurde das Geschehen wohl hier sogar noch aufgebauscht, um das eigene Überleben zu rechtfertigen und um die Ungeheuerlichkeit dieses einzigartigen Vorgangs, dass ein Gros des Senats in einer einzigen Schlacht Kämpfend ums Leben gekommen war zu verdeutlichen. Es fielen zu den ganzen Rittern und Senatoren, sowie den Angehörigen Adliger Familien auch der Konsul dieses Jahres Aemillius, sein Vorgänger im Amt Servilius und auch der Magister Equitum Minucius, der Hannibal im Vorjahr so erfolgreich angegriffen hatte. Vor allem aber fiel de facto die gesamte römische Opposition gegen Quintus Fabius, der selber an der Schlacht nicht teilnahm, sondern an anderen Kriegsschauplätzen agierte. Als einziger höherrangiger überlebte der Initiator der ganzen Offensive Gaius Terentius, dem es gelang, mit den Überlebenden Bundesgenossen Reitern nach Canusium zu entkommen.
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