Historische / Antike Schlachten
#38
Die Schlacht von Cannae (Teil 1):

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte keine der beiden Seiten Fehler gemacht, Hannibal hatte sich in das, für seine Armee gegen diese Übermacht günstigste Gelände zurückgezogen und eine Festung erobert, die ihm als fester Rückhalt dienen konnte. Die weiten Ebenen in der Gegend boten seiner Reiterei die bestmöglichste Entfaltung, vor allem aber ermöglichten sie auch kompliziertere taktische Manöver, ein entscheidender Vorteil der Karthagischen Truppen, die von der Taktik und Beweglichkeit her das beste waren, was ihre Zeit hervorbrachte. Auch die Römer hatte bis dahin eine makellose Strategie an den Tag gelegt, man hatte die größtmögliche Zahl von Soldaten aufgestellt und Hannibal gestellt. Er konnte nicht versorgen, und die Römer in ihren Lagern und Befestigungen auch nicht angreifen. Sie bestimmten die Bewegungswege von Hannibal und konnten sich das Schlachtfeld aussuchen. Die Karthager konnten sich von Cannae aus dem römischen Zugriff nur in bergiges Gelände entziehen, in dem sie dann noch viel mehr gegen die Römer im Nachteil gewesen wären, vorausgesetzt es wäre ihnen nicht gelungen einen Hinterhalt zu legen. Die Römer waren aber in diesem Gelände inzwischen übervorsichtig, so dass sie sogar auf offensichtlich sichere Siege wie bei Gerunium verzichteten, nur um nicht in einen karthagischen Hinterhalt zu geraten. Daher war es sehr unwahrscheinlich, dass ein solcher noch einmal hätte gelingen können.

Es stellt sich zu diesem Zeitpunkt die Frage der Größe der vor Ort stehenden Streitkräfte und was für Truppen beide Seiten zur Verfügung hatten. Die Karthager hatten insgesamt 40 000 Mann Infanterie und ungefähr 10 000 Mann Kavallerie vor Ort. Allgemein wird die römische Armee als ungefähr doppelt so stark wie die Karthagische angegeben, die römische Kavallerie aber sei nur halb so stark gewesen. Wenn man nun die 8 Legionen + 8 Bundesgenossen Legionen von ihrer normalen Sollstärke her zusammenrechnet, kommt man tatsächlich auf ungefähr 84 000 römische Soldaten, bekannterer maßen gab es dazu 5000 Mann römische Kavallerie. Tatsächlich aber habe ich dabei einige Zweifel. Die römische Kavallerie müsste zum Beispiel, wenn man von einer vollen Sollstärke der Legionen ausgeht ebenfalls 10 000 Mann stark gewesen sein. Dann bezieht sich die Aussage, dass die römischen Truppen numerisch doppelt so stark gewesen seien, nur auf die eigentliche Schlacht selbst. Aber beide Seiten setzten in der Schlacht nicht ihre gesamte Armee ein. Die Römer beließen in ihrem Lager ungefähr 10 000 Soldaten zurück, die gleichzeitig zur Schlacht das karthagische Lager erobern sollten, und auch Hannibal ließ etwa 4000 Keltische Soldaten im Lager, um dieses gegen genau diesen Angriff zu verteidigen, dazu kommen noch weitere Truppen die während der Schlacht in Cannae oder im zweiten römischen Lager blieben.

Sehr wahrscheinlich waren die Legionen dazu nicht in voller Sollstärke aufgestellt worden und hatten daher pro Legion weniger Soldaten als man gemeinhin annimmt. Daher kann man wohl eher von um die 70 000 Legionären ausgehen, statt von über 80 000. Von diesen 70 000 wurden dann noch bis zu 10 000 für andere Zwecke als direkt zur Schlacht eingesetzt, daher kann man wohl von ungefähr
60 000 bis maximal 65 000 Legionären auf dem eigentlichen Schlachtfeld ausgehen, aber nicht von fast 90 000 wie das die meisten Quellen propagieren.
Zur Frage, was für Truppen da im römischen Lager zurückblieben: Es ist sehr auffällig, dass es bei der bekannten Anzahl von Legionen ungefähr 9600 Triarii, die letzte Reihe der Legionen, gegeben haben muß. Und nun heißt es, die Römer wären 10 000 Mann weniger zur Schlacht angetreten, daher waren diese `10 000`höchstwahrscheinlich die Triarii. Ein wichtiger Punkt für den weiteren Schlachtverlauf. Sehr sicher hat Hannibal über Spione davon, und von dem Ziel dieser Aktion, seinem Lager, gewusst, sonst hätte er auch nicht so viele Truppen ( 4000!) in seinem Lager zurückgelassen. Wenn man noch 2000 Mann für Cannae und andere Stellungen ansetzt, dann traten von Hannibals Armee höchstwahrscheinlich so um die 30 000 bis 35 000 Mann Infanterie an, dann wären auch die 60 000 bis 70 000 Römer ungefähr das doppelte gewesen und die hier genanten Zahlen würden zu den Quellen passen.

Die Römischen Truppen:

Die Römer verfügten also über 8 Legionen + Bundesgenossen, die sich in 4 verschiedene Infanterietypen gliederten. Vorneweg die Velites, leichbewaffnete Plänkler, von denen es pro Legion ungefähr 1200 gab. Dazu kamen 300 Mann Kavallerie bei römischen Legionen, und 900 Mann Kavallerie bei bundesgenössischen Legionen. Die Velites hatten Rundschilde, Wurfspeere und Handwaffen, häufig auch Schwerter. Die Kavallerie hatte griechische Lanzen (Hasta), Schwerter, häufiger Körperpanzerung und zu dieser Zeit noch ebenfalls Rundschilde die man ´parma´ nannte. Dann hatte jede Legion je 10 Manipel Hastaten, Principes und Triarii. Die Hastaten und Principes trugen das schwere, ovale Scutum (großer Schild), Schwerter (zu dieser Zeit auch noch längere Typen makedonisch/süditalischer Herkunft) und das Pilum. Die Hastaten hatten wohl mehr Pilen und seltenst Körperpanzerung, bei den Prinzipes gab es etwas mehr Körperpanzer, vor allem Brustplatten aus Metall und auch schon Kettenhemden. Die Triarii trugen fast alle leichtere Rüstungen oder Kettenhemden, dazu das Scutum aber als Hauptwaffe eine griechische Lanze (Hasta) und kein Pilum. Bei 120 Mann je Hastati und Principes Manipel und bei 60 Mann je Triarii Manipel kam man so auf insgesamt 4200 Mann pro Legion. Da jeder römischen Legion eine Bundesgenossen Legion zugeordnet war, kam man also auf 8400 Mann pro Legion und 1200 Mann Kavallerie. Bei 8 Legionen wären das 9600 Mann Kavallerie gewesen, warum aber waren es nur ungefähr 5000 Mann? Ich folge hier der Theorie, dass die fehlenden 4600 Mann die 5000 Reiter sind, die am Trasimeno See gefallen waren. Rom war bis zu Cannae dieser Theorie gemäß nicht in der Lage gewesen, die Verluste an Kavallerie auszugleichen. Die meiste Kavallerie kam ja aus Kampanien, und genau dieses Gebiet war ja im Jahr zuvor von den Karthagern noch besetzt gewesen, dass passt sehr gut dazu. Die Römer verfügten also nur über 1000 Mann römische Kavallerie und ungefähr 4000 Mann Bundesgenossenkavallerie.

Die Karthagischen Truppen:

Die Karthager verfügten sehr wahrscheinlich über 40 000 Fußsoldaten und 10 000 Kavallerie insgesamt. Diese gliederten sich je nach Herkunft und Volkszugehörigkeit, und nicht wie bei den Römern durch ein Volksübergreifendes System. Zumeist war die Volkszugehörigkeit auch gleichzeitig die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Waffengattung, die Karthager verwendeten ein Heer aus lauter Spezialisten, die sich aus den jeweils in einem Metier besten Völkern rekrutierten. Die Karthagischen Streitkräfte bei Cannae gliederten sich also nach Völkern in:

12 000 afrikanische Fußsoldaten (mehrheitlich Phalanx), diese trugen einen Rundschild, de facto alle Kettenpanzer oder Hoplitenpanzer, Schwerter und eine lange Lanze, wohl eine Kopie der makedonischen Sarissa, dann 8000 spanische Fußsoldaten die mit Ovalschilden, schweren Wurfspießen, Kurzschwertern und Wurfspeeren sowie Schleudern ausgerüstet waren und 20 000 keltische Fußsoldaten, die Langschwerter, Ovalschilde und Lanzen führten, und ebenfalls überdurchschnittlich mit Kettenhemden ausgestattet waren. Dann die Kavallerie: 6000 spanische und numidische Reiter, die Spanier waren schwere Kavallerie mit Kettenhemden, Lederpanzern, zum Teil Pferdepanzerung, Kurzschwertern und Lanzen, sowie Rundschilden, die Numider sehr leichte Kavallerie nur mit Rundschilden und leichten Wurfspeeren, auf Geheiß Hannibals aber auch mit Lanzen. Dazu kamen noch 4000 keltische Reiter, allesamt mit Kettenhemden, Ovalschilden, Langschwertern und Lanzen, vereinzelt auch mit Rundschilden.
Ungefähr 30% der Infanterie muß man als leichte Infanterie und Plänkler einstufen, obwohl man in der vorhergehenden Schlachten römische Rüstungen erbeuten konnte.
Daraus folgt, daß die Phalanx selbst ungefähr 8000 bis 10 000 Mann stark war, die Spanier 6000 schwere Infanterie stellten und die Kelten 14 000 schwere Infanterie. Von diesen 14 000 Kelten nahmen 4000 nicht an der Schlacht teil, sondern bewachten das karthagische Lager und die Festung Cannae.
Da die numidische Reiterei auf dem rechten Flügel (von Hannibals Sicht aus) den Bundesgenossen ungefähr numerisch gleichwertig war, kann man glaube ich von 4000 Numidischen Leichten Reitern und 2000 Spanischen Schweren Reitern ausgehen.

Am 1. August stießen diese Karthagischen Truppen dann von Cannae aus über den Aufidius vor und boten dort den Römern die Schlacht an. Die Römer ließen sich nicht provozieren und reagierten nicht auf die Karthager, am Abend musste Hannibal sein Heer wieder zurück führen. Es sah zu diesem Zeitpunkt danach aus, als ob Cannae zu einem Stellungskrieg mit sicherem römischen Sieg am Ende werden sollte. Bei dem römischen Oberkommando war derweilen aber ein erbitterter Streit darüber ausgebrochen, ob man Hannibal jetzt einfach nur zermürben, oder doch eine Schlacht eingehen sollte. In der August Hitze in Süditalien hatten wohl auch die Römer inzwischen Versorgungsprobleme, in den Quellen wird auch von Trinkwassermangel gesprochen. Die Römer beschlossen daher, Hannibal die Schlacht anzubieten, aber auf einem von ihnen ausgewählten Schlachtfeld. Am nächsten Tag in der Früh, den 2. August stießen die Römer ihrerseits über den Fluß vor stellten das ganze Heer am rechten Ufer des Aufidius auf und begannen mit dem Vormarsch auf die Karthager dort.
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