Makedonien ein eigener Staat
#91
Mazedonien oder FYROM? - Der Namensstreit mit Griechenland
Auf internationaler Ebene kennt man die Balkanrepublik, nicht zuletzt wegen der Blockadehaltung Griechenlands, unter der wenig eingängigen und alles andere als identitätsstiftenden Bezeichnung FYROM ("The Former Yugoslav Republic of Macedonia").

Jetzt mehren sich aber die Anzeichen, dass der leidige Namensstreit mit dem Nachbarn endlich beigelegt werden könnte.

Der geschichtliche Hintergrund: 1878 - Das Schicksalsjahr der Mazedonier
Alles begann im Jahr 1878: Damals entschied der Berliner Kongress, das zu dieser Zeit als Mazedonien bezeichnete Gebiet bei der Türkei zu belassen und nicht, wie Russland durch den Frieden von San Stefano erreichen wollte, an Großbulgarien anzuschließen. Daraus ergab sich ein eigenes politisches Schicksal und eine eigene Interessenslage für die Mazedonier. Allen Bevölkerungsgruppen lag die Verwirklichung der vom Berliner Kongress versprochenen "Reformen" am Herzen, die in erster Linie als Autonomie verstanden wurde. Doch Mazedonien verblieb im osmanischen Reich und somit wurde der Wunsch nach Autonomie zunichte gemacht.

Bis zu den Balkankriegen 1912 blieben die Grenzen, wie 1878 beschlossen, unverändert. Wesentlich erscheint, dass der moderne Mazedonienbegriff, wie er sich nach 1878 herausbildete und in die europäische politische Sprache Eingang fand, zu allen Zeiten auch das Gebiet der heutigen Republik Mazedonien einschloss.

Die Balkankriege 1912/1913
Die Balkankriege, die die Mazedonier heute keineswegs als Befreiungskriege betrachten, brachten die Aufteilung des mazedonischen Raumes und der Bevölkerung: Der Vertrag von Bukarest (August 1913) legte die neue Aufteilung der Balkanhalbinsel fest. Daraufhin folgte eine massive Abwanderung aus Griechenland, die Umsiedlung griechischer Flüchtlinge aus Kleinasien und eine starke Assimilierungspolitik. Nach dem Bürgerkrieg (1947-1949) flüchteten einige zehntausend Menschen über die Grenze in das damalige Jugoslawien, was zunächst das Ende der "Völkerwanderung" in der Region bedeutete. Im griechischen Bürgerkrieg unterlagen die Kommunisten, auf deren Seite auch die Mazedonier des griechischen Teils kämpften, den Royalisten, die der Westen unterstützte.

Interessant im heutigen Namensstreit ist auch der folgende Aspekt. Während der Zeit nach dem griechischen Bürgerkrieg hielt Athen dem Alleinanspruch der mazedonischen Nationalisten auf den Namen Mazedonien die These entgegen, Mazedonien sei ein rein geographischer Begriff. Er umfasse ein Gebiet, in dem viele Nationalitäten wohnten und das jetzt auf drei Staaten aufgeteilt sei. Der Name gehöre somit allen und kein im mazedonischen Raum lebendes Volk könne ihn für sich alleine Beanspruchen. In den sechziger und siebziger Jahren ging Griechenland in seinem Norden daher äußerst sparsam mit dem Namen Mazedonien um, immer war von "Nordgriechenland" oder vom "griechischen Norden" die Rede.

Die aktuelle Entwicklung
1991 sollte die so genannte Badinter-Kommission prüfen, welche der Nachfolgestaaten Jugoslawiens alle Anforderungen für eine internationale Anerkennung erfüllten. Damals kam die Kommission zum Schluss, dass dies nur auf Slowenien und Mazedonien zutreffe. Jedoch erkannte die UNO Mazedonien auf Drängen Griechenlands nicht an, sondern zunächst Slowenien und Kroatien.

Der eigentliche Disput begann mit der Unabhängigkeitserklärung Mazedoniens im Jahre 1991 und dauert bis zum heutigen Tag an. Anfangs fürchtete Athen territoriale Ansprüche Skopjes auf die griechische Provinz mit dem Namen Mazedonien. Bis 1993 verzögerte das die internationale Anerkennung des jungen Staates, der im April 1993 als FYROM in die Vereinten Nationen aufgenommen wurde. Im Februar 1994 verhängte Griechenland unter der Ägide von Premierminister Andreas Papandreou ein Handelsembargo über Mazedonien.

1995 kam Bewegung in den Konflikt. Dank der internationalen Vermittler Cyrus Vance und Lord Owen unterzeichneten Skopje und Athen ein Interimsabkommen. Nach diesem Abkommen, welches 2002 ausgelaufen ist, änderte Mazedonien seine Staatsflagge: Sie zeigt jetzt nicht mehr den "Stern von Vergina", sondern eine stilisierte Sonne. Zuvor hatte Mazedonien seine Verfassung um drei Passagen ergänzt, wonach es auf territoriale Ansprüche gegenüber seinen Nachbarn verzichtet, sich nicht in deren innere Angelegenheiten einmischt und Grenzänderungen allenfalls in Übereinstimmung mit internationalen Normen anstrebt.


Heutige "Republika Makedonija"
Mittlerweile haben sich die Beziehungen zwischen den beiden Ländern entspannt. Griechenland ist heute der größte ausländische Investor in Mazedonien. Eine Einigung steht - trotz UN-Vermittlung - allein im Namensstreit noch aus.

Eine mögliche Lösung hat die Brüsseler Nichtregierungsorganisation "International Crisis Group" (ICG) vorgeschlagen. Darin listet die ICG drei Schlüsselelemente auf, die beiden Seiten eine Einigung ohne Gesichtsverlust ermöglichen könnten. So ist ein bilateraler Vertrag zwischen Mazedonien und Griechenland vorgesehen, der Griechenland berechtigt, für seinen Nachbarn die Bezeichnung "Ober-Mazedonien" oder eine andere zusammengesetzte Formel zu verwenden. Gleichzeitig dürfen Unternehmen beider Staaten für Waren und Dienstleistungen, die auf dem jeweiligen Territorium produziert werden, den Namen "Mazedonien" führen. Demgegenüber wird Mazedonien von der internationalen Staatengemeinschaft unter dem verfassungsmäßigen Namen "Republika Makedonija" anerkannt.

Momentan wird eine Kommission einberufen, bei der ein mazedonischer Vertreter (Nikola Dimitrov) ein griechischer (N.N.) und ein internationaler Vermittler (Cyrus Vance) über mögliche Lösungen verhandeln werden. Es wird erwartet, dass der Vorschlag der ICG angenommen wird und dass Griechenland bilateral einen zusammengesetzten Namen verwenden wird. Auf internationaler Ebene wird Mazedonien jedoch unter der verfassungsmäßigen Bezeichnung in allen Organisationen vertreten sein.
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