26.01.2007, 17:36
phantom schrieb:Ich lese hier häufig, dass man sofort töten muss. Denke ich nicht unbedingt, Priorität hat das man den Gegner zuerst trifft. Da ist mal egal ob er gleich getötet oder nur einfach verletzt wird. Verletzt heisst ganz bestimmt in 95% der Fälle auch kampfunfähig. Ich denke sogar, dass ein verletzter Soldat mehr Moral und "Manpower" kostet, als wenn er gleich stirbt. Das klingt jetzt schlimm, aber wenn ein eigener röchelt um rumschreit ist das wohl für die eigenen Kameraden kaum zu ertragen. Und das dann alle weiterschiessen, gibts wohl nur im Theoriebuch der Armee.
Diese "Weisheiten" sind mehr als veraltet und stammen genauso wie der "Fully Automatic Warfare" einer Einsatzdoktrin, die für kollidierende Massenheere Ost/West konzipiert wurde.
Heute wird nicht mehr mit Massen an Soldaten gegen einen klar erkennbaren Gegner auf mehr oder minder gut definierten Kampflinien eines Gefechtsfeldes gefochten - heute sind die Gegner sehr schwer identifizierbar, selten lange exponiert und vor allem operieren sie oft in bewohntem Gebiet mitten unter der Zivilbevölkerung und es werden meist wenige eigene (und durch ihre Ausbildung teure) Spezialisten eingesetzt.
All das sind vollkommen andere Voraussetzungen, die auch eine Anpassung der genutzten Waffentechnik erfordern.
Vollautomatisches Feuer erhöht die Kollateralschäden unter der Zivilbevölkerung und beschädigt Infrastruktur, die nach der kurzen "heissen" Phase heutiger Konflikte dann teuer und unter Gefahren wieder aufgebaut werden muss.
Der Gegner ist oft nur kurz exponiert, die Kampfführung ist hochmobil - damit ist die Chance, Wirkungstreffer zu plazieren recht gering, d.h. plazierte Treffer sollten eine sehr gute Wirkung zeigen.
Der Gegner wird auch nicht durch Verletzte besonders gebunden, da für ihn keine Versorgungsinfrastruktur existiert, die belastet werden könnte. Tote werden verscharrt, Verletzte in den zivilen Krankenhäusern oder bei der Zivilbevölkerung zur Pflege abgegeben.
Wirkliche "Todesangst" haben radikal-gläubige Aufständige auch nicht - eher im Gegenteil. Genau aus diesem Grund ist auch bei evtl. Selbstmordanschlägen eine sofortige Waffenwirkung notwendig, um überhaupt noch eine Chance zu haben, den Angriff abzuwehren.
Die Reichweite der Waffe muss einen breiten Bereich abdecken, da die irregulären Kräfte im Normalfall die Initiative innehaben und damit die Kampfentfernungen diktieren können.
Was bringt ein Sturmgewehr für den OHK, das auf 100 Meter supereffektiv ist, wenn sich der Gegner auf aus mehreren hundert Metern ferngezündete Sprengfallen und Mörserangriffe aus 600-800 Metern Entfernung spezialisiert?
Die US haben derzeit Glück, dass die heutigen Gegner nicht unbedingt gut schiessen können - in anderen Ländern sähe das Ganze etwas anders aus.
Und da ist die Art und Beschaffenheit des Geländes (Irak<->AFG) noch überhaupt nicht berücksichtigt.
Klar, einen Krieg gewinnt man nicht über das Kaliber des Sturmgewehrs - aber das Gefühl der Sicherheit, die die persönliche Waffe ihren Soldaten vermittelt, hat einen Anteil an der Moral der Leute.
Last not least sind Waffen, die nicht nur verletzen sondern töten in den heutigen Medienkriegen wichtiger geworden denn je - heute wird in den Medien praktisch nur über die Toten des Irakkrieges geredet, dass es zehntausende Verletzte gibt, darüber hört man kaum etwas.
Die Toten brechen Gorge Dabbeljuh derzeit daheim politisch das Genick, nicht die vielen Verletzten. Und nur ein toter Aufständischer legt nicht noch einmal Sprengfallen.
Nur mal ein paar Dinge zum drüber nachdenken...