Türkei
schauen wir uns doch geographisch die Konkurrenz an:
im Norden Russland - dahin war Jahrzehnte lang die gesamte Infrastruktur und Wirtschaft hin orientiert, allerdings wird der russische Einfluss immer auch etwas als Kolonialismus empfunden und immer mehr Russen verlassen die zentralasiatischen Staaten und machen einheimischen Eliten Platz, und Zentralasien beginnt, sich vom russischen Monopol zu verabschieden
im Osten China - der "neue Stern am Himmel", und in der Tat wegen der unmittelbaren Landgrenze die erste Möglichkeit, sich vom Transit durch Russland unabhängig zu machen - die erste Ölpipeline von Kasachstan, die nicht über russisches Territorium lief, führte nach China, und die geschäftstüchtigen Chinesen sind durchaus auch in der Lage, die Märkte in Zentralasien mit Billigwaren zu überschwemmen, aber nicht mit neuesten Hightech-Produkten, die von den ehrgeizigen zentralasiatischen Eliten mit zunehmender Einnahme aus den Rohstoffexporten nachgefragt werden
im Süden Iran und Afghanistan - keine wirkliche Alternative, weder für den Rohstoffexport (es sei denn als Transitland) noch als Handelspartner für neue Bedürfnisse
da bleibt nur
im Westen Aserbaidschan und die Türkei - einmal als Korridor, um den Westen als drittes Standbein im Rohstoffexport zu gewinnen, und dann natürlich als direkter Handelspartner und Lieferant.
Scholl-Latour meint in seinem Buch "Das Schlachtfeld der Zukunft" über Zentralasien, die einheimischen Eliten seien kulturell durchaus auf Istanbul und die Türkei hin orientiert - und sähen in der Türkei das Vehikel, um den Austausch mit dem "lockenden Westen", vor allem mit Europa zu fördern
- mit Erdöl- und Erdgaspipelines über Aserbaidschan und Georgien in die Türkei (die werden über das Kaspische Meer verlängert, und ein Meer ist kein Hinderungsgrund für Kontakte und Handelsaustausch, wie Skandinavien zeigt: mit Fähren und Pipelines lässt sich da vieles aufbauen).

Das vom türkischen Kultusministerium unterhaltene Kultur- und Kunstforum (Türk Kültür ve Sanatlari Ortak Yönetime, TÜRKSOY) ist in allen zentralasiatischen türkischen Staaten aktiv. Seit 1993 werden von der "Stiftung für Freundschaft, Brüderlichkeit und Zusammenarbeit der türkischen Staaten und Gemeinschaften" (Türk Devlet ve Topuluk, Dostluk, Kardeslik ve Isbirgligi Vakh, TDEV) regelmäßig jährliche Treffen finanziert, an denen bisweilen auch hochrangige türkische Politiker teilnehmen. Seit 1999 gibt es ein "Permantes Forum für Zusammenarbeit der Türkischen Welt" und eine lose "Vereinigung türkischer Clubs". Diese mehr idealistisch geprägten Initiativen haben den Boden für eine sehr pragmatische Zusammenarbeit der türkisch sprachigen Staaten bereitet.
Die Türkei leistet besondere Ausbildungshilfen für mittelständische Unternehmen im Bereich Bank- und Transportwesen und Kommunikation, im internationalen Warenverkehr und beim Management. 1992 wurde die türkisch kasachische Hoca Ahmet Yesevi Universität (mit mehr als 7.000 Studenten in 2003) gegründet, und das kirgisische Pendant in Manas unterrichtete (ebenfalls 2003) rd. 1.700 Studenten. Zudem waren mehr als 10.000 zentralasiatische Studenten von 1992 bis 2005 in der Türkei immatrikuliert. Die Türkei bildet also einen Großteil der neuen nationalen Eliten aus, die in den zentralasiatischen Ländern die Schalthebel der Macht von den russischen Eliten übernehmen.
Die türkische Privatwirtschaft investierte in modernen Hotels und Restaurants der zentralasiatischen Hauptstädte. Die türkischen Privatinvestitionen werden von 1992 bis 2005 auf insgesamt etwa 3,5 Mrd. $ geschätzt. Anfanglich setzten die beschränkten Mittel des türkischen Wirtschaftsraums der Zusammenarbeit Grenzen. Von 1991 bis 2005 waren etwa 1.000 türkische Firmen in Zentralasien tätig, die zusammen ein Handelsvolumen von rund 7 Mrd. $ abwickelten. Seitdem die zentralasiatischen Staaten - dank einer Ölpipeline, die über Aserbaidschan an die türkische Mittelmeerküste führt - ihre Rohstoffe direkt auf dem Weltmarkt absetzen können (und damit nicht mehr auf russisches Wohlwollen angewiesen sind) verfügen die zentralasiatischen Staaten aber über immer größere Deviseneinkommen. Damit können zunehmend Investitionen in der eigenen Wirtschaft finanziert werden. Türkische Anbieter, die einerseits über das know how des Westens verfügen und andererseits sprachlich und mentalitätsmäsig mit den Interessenten kommunizieren und kooperieren können, sind bei entsprechenden Ausschreibungen durchaus im Vorteil. Türkische Baufirmen sind inzwischen sowohl bei öffentlichen wie auch bei privaten Aufträgen "am Ball".

Ich bin überzeugt: je mehr Geld durch den Rohstoffexport verdient wird - und der wird nicht in Renminbi sondern in Dollar oder allenfalls noch Euro bezahlt (Öl!) desto mehr Nachfrage kommt aus Zentralasien - und erster Ansprechpartner wird dabei die Türkei sein, als Lieferant und Transiatland für westliche Waren.
Damit ist die Türkei automatisch in der Situation, sich zum bevorzugten Wirtschafts- und Handelspartner zu entwickeln, was zwangsläufig auch zu politscher Abstimmung und Kooperation führt.
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