09.09.2006, 23:47
Zitat:Shahab3 postetegewagt - ja, aber "garnicht gangbar"?
@Erich
Deine Idee kommt den iranischen Interessen vermutlich sehr entgegen. Das alleine dürfte wohl schon Ausschlusskriterium für eine vom Westen getragene, stärkere Zusammenarbeit sein. .....
Die von Dir vorgeschlagene Balkanisierung Afghanistans ist ein gewagter und wohl auch garnicht gangbarer Weg. Nach der Bonner Afghanistankonferenz gibts da kein Zurückrudern mehr. Die gesamte Glaubwürdigkeit der internationalen Interventions/Friedenspolitik wäre in Frage gestellt. Ausserdem sehe ich es noch nicht mal als erwiesen an, dass die Sicherheitslage dann insgesamt besser aussehen würde. Vermutlich würde es nur wenige Warlords interessieren, wie sein Machtbereich auf der Landkarte ausschaut.
Ich bin überzeugt, dass diese - ich sage betont Regionalisierung - sehr viel eher zwangsläufig kommt als jede andere Lösung. Der "Kampf um die Macht" ist ein Kampf um die Menschen, und der wird "in den Köpfen" der Menschen entschieden. Da aber gibt es die unterschiedlichsten Einflüsse.
Der "afghanische Nationalstaat" ist eine Schimäre.
Im Süden - bei den Paschtunen - haben die pakistanischen Koranschulen zur Entstehung der Taliban beigetragen, ursprünglich (?) finanziert von Saudis, die damit der Ausbreitung der rigiden wahabitsichen Lehre Vorschub geleistet haben.
Im Norden - bei den Usbeken und Turkmenen - haben die Nachbarstaaten schon immer (Dostum!) entscheidend mitgemischt. Die ISAF - am Beispiel der Bundeswehr in Faizabad, Kundus und Mazar-i-Sharif deutlich - zieht sich aus den "unsicheren Städten" in entfernte Lager und Unterkünfte abseits zurück und überlässt die Städte den einheimischen Kräften. Dort aber gewinnen - mit der Revitalisierung von Buchara, Samarkand und den anderen alten theologischen Stätten - die in der Türkei ausgebildeten Imame, die die Sprache am Ort beherrschen, immer mehr an Einfluss.
Die Mitte und der Osten Afghanistans werden von iranischen Völkern bewohnt, von den Farsi bis zu den Tadschiken sind das vielfach Menschen, die die persischen Kultur, insbesondere die Dichtung und Literatur noch sehr schätzen. Das ist der Ansatzpunkt, der den Iranern gerade im Gegenspiel zu den Paschtunen eine enorme Anziehungskraft verleiht.
Sobald die "Klammer der ISAF" wegfällt - davon bin ich überzeugt - wird es keiner afghanischen Zentralregierung mehr gelingen, über den Norden und den Süden des Landes gegen die örtlichen Stämme zu herrschen.
Die konsequente Frage ist dann:
- wie lange sollen die ISAF-Truppen bleiben, um eine zwangsläufige Entwicklung zu blockieren (und damit eine gewaltsame Erruption zu riskieren)
- oder ist es nicht sinnvoller, einen zwangsläufigen Prozess so zu moderieren, dass er unmerklich und vor allem friedlich abläuft - nach dem Motto "so viel Autonomie wie nötig, so wenig Bürgerkrieg wie möglich" ?
Ich gebe Dir aber in einem Recht: unter den derzeitigen Bedingungen wird die US-Regierung nicht bereit sein, den Einfluss einer iranischen Regierung in Afghanistan zu stärken.
Aber genauso wie der Schah inzwischen Geschichte ist, wird auch die derzeitige Konstellation nicht ewig vorherrschen. Schon in Folge der nächsten US-Wahl kann sich eine Änderung ergeben, etwa dahingehend, die "Boys" aus den islamischen Ländern "heim zu holen". Dann stellt sich die Frage, ob ein Konzept für den Rückzug vorliegt - und ein solches Konzept muss die Nachbarstaaten und deren Interessen mit einbeziehen.
Das kann nur in der Anerkennung des Iran als "Regionalmacht" und damit als Gegenpart zu den Paschtunen sinnvoll sein.
Ich sags mal provokant: wären wir noch in der Zeit des Schahs würde das ganze ganz anders aussehen, da stünden persische Truppen im Kampf gegen die Taliban an vorderster Stelle.
Und ich bin auch überzeugt - der Iran arbeitet heimlich still und leise bereits intensiv daran, Einfluss auf die Bevölkerung Afghanistans zu gewinnen.