Vorlesung 1. Weltkrieg
#22
Die Gewerkschaftsvorstände beschließen am 2. August auf Streiks zu verzichten und alle noch ausstehenden Lohnstreitigkeiten beizulegen.
Als Reaktion erfolgt eine dankbare Handlung seitens der Regierung. Es gibt keine Repressalien gegen SPDler, SPD-Zeitungen dürfen nun sogar in Kasernen verbreitet werden und Beamte dürfen nun der SPD beitreten. Allerdings bleiben in den entscheidenden Fragen die Zugeständnisse an die SPD aus. Das bringt die SPD über kurz oder lang in eine schwierige Lage.
Um die Kreditbewilligung immer wieder durchzupacken in der SPD braucht man greifbare Erfolge. Je länger diese ausbleiben, desto schwerer fällt es der SPD Basis und Flügel unter einen Hut zu bekommen. Noch Ende 1914 beginnen sich die Probleme in der SPD aufzuschaukeln. In der Parteilinken gibt es einige Stimmen, die behaupten daß Deutschland mitnichten einen Verteidigungskrieg führe. Man sei eingeseift worden und die Bewilligung der Kriegskredite sei ein Fehler. Kurt Eisner schreibt Anfang 1915: „Es handelt sich um einen Deutschen Weltkrieg“. Darauf reagiert die Regierung hart. Es werden die Belagerungsgesetze in Kraft gesetzt, das Vereinswesen wird eingeschränkt, die Zensur eingeführt.

Es bilden sich zwei Gruppen:
Die Gruppe Internationale um Liebknecht, Luxemburg und Eisner setzt auf das Mittel und will den Krieg durch Massenstreiks verhindern. Sie nennen sich Spartakusbund und bilden die Keimzelle für die KPD.
Die zweite Richtung ist die gemäßigte Richtung der Opposition um Hugo Hase, die jede weitere Kreditbewilligung ablehnt und den Kampf in den parlamentarischen Bahnen halten will. Sie will die Mehrheit der SPD auf ihre Bahn ziehen. Allerdings schließt die Parteirechte die Gruppe Hase am 24. März 1917 aus der SPD aus nachdem 14 Abgeordnete eine Bewilligung der Kriegskredite verweigert hatte. Diese Gruppe Hase gründet im April 1917 die USPD.

Kriegsvorbereitung und Kriegsalltag:

Kriegsfinanzierung durch Kriegsanleihen:
Um die Mobilmachung durchzuführen und die Kriegsfananzierung in Gang zu setzen braucht man ausreichende Barmittel. Daher wird seit Bismarcks Zeiten ein Kriegsschatz angelegt, 100 Millionen Mark in Gold. Durch ein Gesetz von Juli 1913 soll dieser Kriegsschatz auf 200 Millionen verdoppelt werden. Es liegen zu Kriegsausbruch etwa 205 Millionen in dem Spandauer Turm, zusammen mit den 1,5 Milliarden Reichsmark der Reichsbank reicht es also bei weitem nicht.
Um Kriege zu finanzieren gibt es zwei Wege
Die Erschließung neuer Steuerquellen oder die Ausgabe von Staatsanleihen, also die Verschuldung des Staates.
Die erste Option fällt weg, da dies eine grundlegende Steuerreform erfordert hätte. Die Gesamtausgaben des Reiches betrugen 1913 4,3 Milliarden Mark. Die Kredite werden zunächst von der Reichsbank bewilligt und dann durch Kriegsanleihen gedeckt, in Halbjahresabständen folgen dann 8 weitere. Schon die erste Kriegsanleihe bringt 1,2 Millionen Zeichner und 4,6 Milliarden Mark. Im Herbst 1916 konnten die Kriegsanleihen die Ausgaben nicht mehr decken, weshalb man um eine Erhöhung von zumindest einem Teil der Steuern nicht mehr herumkommt. Schon während des Kriegs vermehrt sich nun auch die Umlauf befindliche Geldmenge beträchtlich, was zu einem sprunghaften Ansteigen der Inflationsrate führt. Die Opfer sind diejenigen, deren Einkommen nicht an die Inflation angepaßt wird, die Beamten und die Rentner. Der bürgerliche Mittelstand verarmt, während die Industriellen und die Industriearbeiter der Rüstungsproduktion profitieren. Die Gewerkschaften können sehr hohe Lohnforderungen durchsetzen, die Rüstungsbetriebe zahlen damals das dreifache der normalen Industrielöhne.

• Kriegskosten insgesamt 165 Milliarden Reichsmark
• 9 Milliarden knapp 6 Prozent aus Steuereinnahmen
• Mit Kriegsanleihen wurden 95 Milliarden Mark aufgebraucht
• Ab Herbst 1916: Umsatzsteuer, Verbrauchersteuer auf Kohle, Steuer auf Luxuswaren. Kriegsgewinnsteuer
• Ergebnis: 156 Milliarden Mark Staatsschulden in Form von Kriegsanleihen und Reichsschatzwechseln im November 1918. Der Zinsdienst verschlang im letzten Kriegsjahr 90 Prozent der gesamten Reichsausgaben.

Das gleiche wie für den mangelnden Kriegsschatz gilt für die wirtschaftliche Mobilmachung:

1. Die Verfügbarkeit von Rohstoffen für die Armee
Seit 1912 gibt es eine Kommission, die allerdings von einem schnellen Krieg ausgeht was tiefe Einschnitte nicht erforderlich macht. Es kommt also 1914 nicht zu einem vollen Ausschöpfen der wirtschaftlichen Kapazitäten, was fatal vor allm im Zusammenhang mit der britischen Seeblockade ist.

Die Folgend er Seeblockade:
• Deutschland als zweitgrößte Weltwirtschaftsmacht verlor 90 Prozent seiner Importe
• Der Außenhandel fiel von 5,9 Milliarden Dollar im Jahre 1913 auf 800 Millionen Dollar im Jahre 1917
• 1913 wurden 50 Prozent aller in Deutschland verarbeiteten Eisenerze importiert, bei anderen Metallen, wie dem Stahlhärter Mangan, bei Kupfer, Blei und Zink wurde praktisch der gesamte Bedarf importiert. Nicht anders sah es bei Kautschuk, Erdöl und vor allem bei den für die Munitions- und Düngemittelherstellung essentiellen Nitraten aus.
Es war also klar daß der Krieg auf Dauer austrocknen würde wenn man nicht von dieser Rohstoffmisere hinwegkommen würde.

Die Kriegsrohstoffabteilung im preußischen Kriegsministerium (13. August 1914)
• Walther Rathenau, Wichard von Moellendorf, Major Josef Keoth
• Nach einer Umfrage reichen die Rohstofflager noch maximal bis Jahresende
• Drastische Einschränkung des zivilen Verbrauch von Mangelrohstoffen durch die Kriegsrohstoffabteilung
• Nur die Einschnitte der Kriegsrohstoffabteilung ermögliche es den Krieg überhaupt über das erste Kriegsjahr hinaus zu führen
• Organisierung der Eisenerzzufuhren aus Schweden und der Chrom- und Manganlieferungen aus der Türkei
• Über Genua wurden bis zum Frühjahr 1915 große Mengen Baumwolle aus den USA bezogen
• Aus Belgien und Nordfrankreich bezog man Kohle aus dem französischen teil Lothringens Eisenerze, aus Serbien Kupfer
• Bedeutendste Leistung: die industrielle Herstellung von Stickstoff, dem Grundstoff zur Pulver- und Düngemittelproduktion. Bereits vor dem Krieg hatten Fritz Haber und Robert Bosch ein Verfahren entwickelt, mit dem Stickstoff aus Luft gewonnen werden konnte. Rathenau sorgte dafür, daß gewaltige Anlagen für die Massenherstellung gebaut wurden. Deutschland machte sich damit unabhängig von der Einfuhr von Chilesalpeter, dem bis dahin einzigen Grundstoff zu Stickstoffgewinnung
• Im November 1914 waren bereits alle Munitionsvorräte verschossen und die Stickstoffvorräte waren nur noch marginal. Nur die Stickstoffsynthese ermögliche die Fortführung der Produktion


2. Die Arbeitskräfte für die Rüstungsindustrie
Rekrutierung von Arbeitskräften für die Rüstungsproduktion
Die Gründe für den Mangel an Facharbeitern lag an der wirren und planlosen Einberufungswirtschaft, die auf die Belange der Wirtschaft keine Rücksicht nahm, dazu kamen die Freiwilligen. Ende 1914 hatte bereits 1/3 der Facharbeiter den Arbeitskittel gegen den Rock getauscht. Dazu kamen der Personalbedarf durch die dauernd neu aufgestellten Divisionen, insgesamt 13,25 Millionen Mann (20,4% der Gesamtbevölkerung) die Armee. Wegen des gravierenden Personalproblemen kam es zu folgenden Maßnahmen:
• Zwangsweise Verbringung ausländischer Arbeiter nach Deutschland, da die Anwerbung von Arbeitskräften in den besetzten Gebieten, praktisch erfolglos blieb (62.000 belgische Zwangsarbeiter, bis 1918 rund 300.000 Polen)
• Zurückstellung wehrdienstfähiger Männer vom Frontdienst. 1918 war ihre Zahl allein in Preußen auf 1,1 Millionen angewachsen.
• Rund die Hälfte der etwa 2,5 Millionen Kriegsgefangenen wurden zum Arbeitseinsatz herangezogen. Einsatz vor allem in der Landwirtschaft. Allerdings waren die hauptsächlich aus Rußland kommenden Gefangen in der Regel so schlecht ausgebildet daß sie bestenfalls als Handlanger in der Rüstungsindustrie verwendbar waren.
• Rekrutierung von Frauen für den Arbeitseinsatz. Der Frauenanteil in der Instudstire stieg von knapp 22 Prozent im Jahr 1913 auf 34 Prozent im Jahr 1918. Alleine die Kruppwerke beschäftigten fast 40 Prozent Frauen. Es kam jedoch nicht zu einer vollen Mobilisierung wegen der Vorbehalte der fast ausnahmslos von Männern geleiteten Betrieben und der fehlenden Mobilität der Frauen

Die Maßnahmen waren unzureichend, was sich erst unter Hindenburg und Ludendorff in der 3. OHL änderte. Unter Eindruck der alliierten Offensiven kam es zu intensivsten Anstrengungen um alle Reserven zu mobilisieren.
Das Hindenburgprogramm:
Das Hindenburgprogramm wurde am 31. August 1916 von der OHL erlassen und setzte sich als Ziel den Rüstungsausstoß um ein vielfaches zu steigern um die Rüstungsproduktion der Gegner zumindest kurzfristig zu übertreffen. Die Pulverproduktion sollte binnen 3 Monaten verdoppelt, der Ausstoß von MGs und Geschützen sollte verdreifacht werden.
Im September 1916 wird erstmals eine Zentralstelle gebildet, das Amt für Waffen- und Munitionsbeschaffungsamt. Im Dezember 1916 wird das Kriegsamt gebildet, dem die Kriegs-Rohstoffamt, das Waffen- und Munitionsbeschaffungsamt unterstehen. Die Leitung unterliegt Willhelm Groener. Dieser ist ein Württemberger, ein sozial denkender General und der Chef der Eisenbahnabteilung im Generalstab. Er macht Karriere als er der Nachfolger Ludendorffs wird und mit Ebert den Ebert-Groener-Pakt abschließt und als er dann in der Weimarer Republik mehrfach Reichswehrminister ist. Groener ist der Mann, der Schleicher in die Politik bringt. Groener ist der typische Schreibtischgeneral.
Im Winter 1916-1917 kam es wegen des Hindenburgplans zu einem heillosen durcheinander. SO wurden Verträge in Massen Firmen vergeben, die diese nicht erfüllen konnte, es wurde nicht geprüft ob die Firmen die Anforderungen überhaupt erfüllen. Dazu kommt eine schwierige Transportkrise im Winter. Der Versuch schnellstmöglich neue Fabriken aus dem Boden zu stampfen, der Bauboom überfrachtet das Eisenbahnnetz, die ständigen Truppenverschiebungen zwischen West und Ost überlasten ebenfalls die Eisenbahnen. Der Winter ist äußerst hart, so daß die Binnenschiffahrt ausfällt. Der Schienenverkehr kollabiert und die Rüstungsproduktion kommt hierbei fast völlig zum Erliegen. Erst als der Hungerwinter vorbei ist steigen die Produktionszahlen langsam wieder an. 1917/18 übertrifft der Ausstoß von Geschützen und Maschinengewehren sogar das Planziel des Hindenburgprogramms, man hat inzwischen fast das Vierfache zur Verfügung. Auch das Produktionsziel von 12.000t Munition monatlich werden im Herbst erreicht. Dem ist es zu verdanken daß nicht nur die britische Flandernoffensive abgewehrt werden kann, auch werden die Kapazitäten für die Frühjahrsoffensive für das Frühjahr 1918 geschaffen.
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