02.11.2005, 08:22
Wahlen in Sansibar
Ich wurde von einigen hier gebeten, was über die Situation in Sansibar zu schreiben. Ich habe bereits das wiedergegeben, was ich vor meiner Reise nach Ostafrika gewusst habe. Link: <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.forum-sicherheitspolitik.org/showtopic.php?threadid=2849&pagenum=2&time=1128937238">http://www.forum-sicherheitspolitik.org/show ... 1128937238</a><!-- m -->
Dazwischen liegen zwei Monate. Ich hätte eigentlich über die Ereignisse vor der Wahl ebenfalls berichten können, hab dies aber unterlassen, weil ich nicht wirklich viel mitbekommen habe und die „Action“ an vergangenem Wochenende losging. Einzig Wahlkampfveranstaltungen der beiden Parteien kann ich persönlich bezeugen. So hat die CCM Ende September in Nungwi eine grosse Versammlung abgehalten, an der vor zahlreichen Anhängern der Präsident sprach. Ich war zufällig an diesem Tag grad dort, allerdings mit der Heimfahrt nach Stone Town vor Augen, also habe ich die Rede nicht mitbekommen, dafür aber den Aufmarsch. Da Nungwi eher als Oppositionsort bekannt ist, hat die CCM das kleine Fischerdorf regelrecht mit eigenen Leuten überschwemmt; per Boot und per Strasse wurden Tausende herangekarrt, aus allen Teilen Sansibars, möglicherweise auch vom Festland. Dadurch war in Nungwi gewährleistet, dass der Präsident vor eigenen Leuten sprechen konnte und es angesichts der Überzahl an CCM-Supportern (es müssen mehr gewesen sein als die Dorfbevölkerung) keine Zwischenfälle mit der Opposition gibt. Ein paar Tage später hat die Oppositionspartei CUF offenbar dasselbe gemacht. So wird hier Wahlkampf durchgeführt.
Zu einem Zwischenfall ist es ca. vor zwei Wochen in Mahonda, das zwischen Stone Town und Nungwi liegt gekommen. Eine unbewilligte Demo der CUF ist von Sicherheitskräften gewaltsam aufgelöst worden. Die Polizei gab an, nur Tränengas eingesetzt zu haben. Allerdings gab es Berichte von Spitälern, die Patienten mit Schusswunden meldeten. Die CUF behauptet, die Demo sei bewilligt gewesen, doch die lokalen Behörden, der CCM zugehörig, hätten sie dann eben doch noch verhindern wollen. Wie immer gibt es zwei Darstellungen.
Bis zum Wahlwochenende hat man eigentlich nicht mehr viel gehört, die Leute in der Stadt (bzw. allgemein) waren auch nicht besonders redselig, viele hatten einfach Angst. Angst davor, wählen zu gehen, Angst vor erneutem Blutvergiessen und Ähnlichem.
Am Wahlsonntag, also vor drei Tagen, war das sonst lebhafte Stone Town wie ausgestorben. Fast alle Läden hatten geschlossen, die Leute sind in langen Schlangen vor den Wahllokalen angestanden; es dauert bisweilen drei Stunden, bis man seine Wahlzettel in die Urne legen kann. In dieser Zeit wird man natürlich vom politischen Gegner und von den Sicherheitsleuten begutachtet, es kommt auch hie und da zu Ausschreitungen, wie mir von einem Wahlbüro in Stone Town berichtet wurde. In den Strassen sind fast nur UN-Fahrzeuge, internationale Wahlbeobachter und das Militär rumgekurvt. Am Sonntagabend haben die Leute in den Strassen der Altstadt, die fest in der Hand der Opposition ist, gefeiert. Die Meldung vom Sieg der Opposition hatte die Bürger vor allem via Mobiltelefon erreicht. An der Creek Road, welche die Alt- und Neustadt trennt, gab es gleichzeitig Demonstrationen; Oppositonelle feierten ihren Sieg, worauf die Sicherheitskräfte einschritten, mit dem Argument, der Sieg dürfe vor dem Bekanntgeben des Resultats nicht zelebriert werden (ist bei einer fairen Wahl und Auszählung eigentlich auch in Ordnung so).
Montags warteten eigentlich alle auf das Resultat, die Leute in der Stadt wirkten aber wesentlich bedrückter, da inzwischen natürlich auch die CCM behauptete, gewonnen zu haben. Weiter habe ich am Montag nichts mitbekommen, hatte meinen Kopf grad woanders.
Gestern morgen sind wir von „Explosionslärm“ geweckt worden. Es handelte sich dabei in etwa um den Krach von Tränengaspatronen, denn es wurde wieder demonstriert, Bilder dazu gibt’s heute z.B. auf BBC. Die Stadt ist abgeriegelt worden, Verkehr in die anderen Orte ist nicht mehr möglich. Selbst die Altstadt Stone Town ist vom Rest der Stadt abgeriegelt. Da die meisten Arbeitnehmer der Altstadt nicht da wohnen, lief hier heute gar nichts mehr, selbst die wenigen Geschäfte, die gestern noch geöffnet hatten, sind heute zu. Seit den 17.00-Uhr-Nachrichten berichtet BBC, dass Präsident Karume wiedergewählt worden sei, dass also die CCM gewonnen habe. Allerdings ist dass eine offizielle Verlautbarung der Regierung, welche die Opposition sehr wahrscheinlich nicht hinnehmen wird. Die Stimmung in der Stadt ist an einigen Orten niedergeschlagen, an anderen Stellen feiern sowohl Opposition als auch Regierungspartei den Sieg. Richtig Stunk ist eigentlich nur noch eine Frage der Zeit. Obwohl alle die ganze Zeit sagen, dass man keine Gewalt wie 2000/01 wolle, weil der Tourismus zu sehr darunter leiden würde. Die Opposition hat mehrfach eine Revolution nach Art der Ukraine angekündigt, falls sie erneut beschissen würde.
Dienstagabend haben wir dann ueber Radio erfahren, dass der CUF-Praesidenschaftskandidat Said Seif Hamad ca. 46% der Stimmen machte, der Praesident Karume 53%. Die Opposition behauptet natuerlich genau das Gegenteil.
Heute Morgen hat der Belagerungszustand aufgehoert. Die Internetcafes sind wieder offen, die Fernsehsender (BBC, CNN) berichten bereits nicht mehr ueber das Thema. Spricht man mit Oppositionellen, dann sind die ein wenig ratlos. Man ist sich offenbar nicht einig, wie man gegen das von der CCM proklamierte Resultat vorgehen will. Einstimmigkeit scheint nur darueber zu herrschen, dass die CCM die Wahl erneut manipuliert habe. Was zuerst bewiesen werden muss, was wiederum nicht einfach ist und garantiert noch fuer Reibereien sorgen wird.
Mehr gibt’s momentan nicht zu sagen. Sansibar befindet sich aber wahrscheinlich erneut in der Ruhe vor dem Sturm. Und ich versuche, den Kopf unten zu halten. Stay tuned! :-)
Infoseite aus Tansania: <!-- w --><a class="postlink" href="http://www.ippmedia.com">www.ippmedia.com</a><!-- w --> (gilt hier als regierungsfreundlich, berichtet aber erstaunlich viel über die Opposition)
Ich wurde von einigen hier gebeten, was über die Situation in Sansibar zu schreiben. Ich habe bereits das wiedergegeben, was ich vor meiner Reise nach Ostafrika gewusst habe. Link: <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.forum-sicherheitspolitik.org/showtopic.php?threadid=2849&pagenum=2&time=1128937238">http://www.forum-sicherheitspolitik.org/show ... 1128937238</a><!-- m -->
Dazwischen liegen zwei Monate. Ich hätte eigentlich über die Ereignisse vor der Wahl ebenfalls berichten können, hab dies aber unterlassen, weil ich nicht wirklich viel mitbekommen habe und die „Action“ an vergangenem Wochenende losging. Einzig Wahlkampfveranstaltungen der beiden Parteien kann ich persönlich bezeugen. So hat die CCM Ende September in Nungwi eine grosse Versammlung abgehalten, an der vor zahlreichen Anhängern der Präsident sprach. Ich war zufällig an diesem Tag grad dort, allerdings mit der Heimfahrt nach Stone Town vor Augen, also habe ich die Rede nicht mitbekommen, dafür aber den Aufmarsch. Da Nungwi eher als Oppositionsort bekannt ist, hat die CCM das kleine Fischerdorf regelrecht mit eigenen Leuten überschwemmt; per Boot und per Strasse wurden Tausende herangekarrt, aus allen Teilen Sansibars, möglicherweise auch vom Festland. Dadurch war in Nungwi gewährleistet, dass der Präsident vor eigenen Leuten sprechen konnte und es angesichts der Überzahl an CCM-Supportern (es müssen mehr gewesen sein als die Dorfbevölkerung) keine Zwischenfälle mit der Opposition gibt. Ein paar Tage später hat die Oppositionspartei CUF offenbar dasselbe gemacht. So wird hier Wahlkampf durchgeführt.
Zu einem Zwischenfall ist es ca. vor zwei Wochen in Mahonda, das zwischen Stone Town und Nungwi liegt gekommen. Eine unbewilligte Demo der CUF ist von Sicherheitskräften gewaltsam aufgelöst worden. Die Polizei gab an, nur Tränengas eingesetzt zu haben. Allerdings gab es Berichte von Spitälern, die Patienten mit Schusswunden meldeten. Die CUF behauptet, die Demo sei bewilligt gewesen, doch die lokalen Behörden, der CCM zugehörig, hätten sie dann eben doch noch verhindern wollen. Wie immer gibt es zwei Darstellungen.
Bis zum Wahlwochenende hat man eigentlich nicht mehr viel gehört, die Leute in der Stadt (bzw. allgemein) waren auch nicht besonders redselig, viele hatten einfach Angst. Angst davor, wählen zu gehen, Angst vor erneutem Blutvergiessen und Ähnlichem.
Am Wahlsonntag, also vor drei Tagen, war das sonst lebhafte Stone Town wie ausgestorben. Fast alle Läden hatten geschlossen, die Leute sind in langen Schlangen vor den Wahllokalen angestanden; es dauert bisweilen drei Stunden, bis man seine Wahlzettel in die Urne legen kann. In dieser Zeit wird man natürlich vom politischen Gegner und von den Sicherheitsleuten begutachtet, es kommt auch hie und da zu Ausschreitungen, wie mir von einem Wahlbüro in Stone Town berichtet wurde. In den Strassen sind fast nur UN-Fahrzeuge, internationale Wahlbeobachter und das Militär rumgekurvt. Am Sonntagabend haben die Leute in den Strassen der Altstadt, die fest in der Hand der Opposition ist, gefeiert. Die Meldung vom Sieg der Opposition hatte die Bürger vor allem via Mobiltelefon erreicht. An der Creek Road, welche die Alt- und Neustadt trennt, gab es gleichzeitig Demonstrationen; Oppositonelle feierten ihren Sieg, worauf die Sicherheitskräfte einschritten, mit dem Argument, der Sieg dürfe vor dem Bekanntgeben des Resultats nicht zelebriert werden (ist bei einer fairen Wahl und Auszählung eigentlich auch in Ordnung so).
Montags warteten eigentlich alle auf das Resultat, die Leute in der Stadt wirkten aber wesentlich bedrückter, da inzwischen natürlich auch die CCM behauptete, gewonnen zu haben. Weiter habe ich am Montag nichts mitbekommen, hatte meinen Kopf grad woanders.
Gestern morgen sind wir von „Explosionslärm“ geweckt worden. Es handelte sich dabei in etwa um den Krach von Tränengaspatronen, denn es wurde wieder demonstriert, Bilder dazu gibt’s heute z.B. auf BBC. Die Stadt ist abgeriegelt worden, Verkehr in die anderen Orte ist nicht mehr möglich. Selbst die Altstadt Stone Town ist vom Rest der Stadt abgeriegelt. Da die meisten Arbeitnehmer der Altstadt nicht da wohnen, lief hier heute gar nichts mehr, selbst die wenigen Geschäfte, die gestern noch geöffnet hatten, sind heute zu. Seit den 17.00-Uhr-Nachrichten berichtet BBC, dass Präsident Karume wiedergewählt worden sei, dass also die CCM gewonnen habe. Allerdings ist dass eine offizielle Verlautbarung der Regierung, welche die Opposition sehr wahrscheinlich nicht hinnehmen wird. Die Stimmung in der Stadt ist an einigen Orten niedergeschlagen, an anderen Stellen feiern sowohl Opposition als auch Regierungspartei den Sieg. Richtig Stunk ist eigentlich nur noch eine Frage der Zeit. Obwohl alle die ganze Zeit sagen, dass man keine Gewalt wie 2000/01 wolle, weil der Tourismus zu sehr darunter leiden würde. Die Opposition hat mehrfach eine Revolution nach Art der Ukraine angekündigt, falls sie erneut beschissen würde.
Dienstagabend haben wir dann ueber Radio erfahren, dass der CUF-Praesidenschaftskandidat Said Seif Hamad ca. 46% der Stimmen machte, der Praesident Karume 53%. Die Opposition behauptet natuerlich genau das Gegenteil.
Heute Morgen hat der Belagerungszustand aufgehoert. Die Internetcafes sind wieder offen, die Fernsehsender (BBC, CNN) berichten bereits nicht mehr ueber das Thema. Spricht man mit Oppositionellen, dann sind die ein wenig ratlos. Man ist sich offenbar nicht einig, wie man gegen das von der CCM proklamierte Resultat vorgehen will. Einstimmigkeit scheint nur darueber zu herrschen, dass die CCM die Wahl erneut manipuliert habe. Was zuerst bewiesen werden muss, was wiederum nicht einfach ist und garantiert noch fuer Reibereien sorgen wird.
Mehr gibt’s momentan nicht zu sagen. Sansibar befindet sich aber wahrscheinlich erneut in der Ruhe vor dem Sturm. Und ich versuche, den Kopf unten zu halten. Stay tuned! :-)
Infoseite aus Tansania: <!-- w --><a class="postlink" href="http://www.ippmedia.com">www.ippmedia.com</a><!-- w --> (gilt hier als regierungsfreundlich, berichtet aber erstaunlich viel über die Opposition)