23.04.2005, 18:05
Der Nachfolgestaat des Osmanischen Reiches präsentiert die Geschichte aus seiner Sicht
Auf Seite drei der Massenzeitung «Milliyet» konnte man vor einigen Wochen eine dramatische Schilderung der Ereignisse des Jahres 1915 lesen: «Die Armenier fliehen mit ihren Waffen aus der Osmanischen Armee, schliessen sich den russischen Streitkräften an oder bilden Banden. Jahrelang in armenischen Schulen und Kirchen versteckte Waffen werden herausgeholt... die armenischen Banden überfallen türkische Städte, Kleinstädte und Dörfer, während die Männer an der Front sind...»
Türken, die an solche Schilderungen gewöhnt sind, reagieren empört, wenn man ihnen nun auch noch einen Völkermord an den Armeniern vorwirft. Der Vorsitzende der Türkischen Gesellschaft für Geschichte, Yusuf Halacoglu, hat diese offizielle Sicht in Zahlen gegossen. Demnach starben 6500 bis 8500 Armenier, es wurden aber 519 000 Muslime von Armeniern ermordet.
«Vaterlandsverrat»
Neben der These, die Deportation der Armenier sei eine Art Notwehr im Kriege gewesen und den Armeniern sei dabei fast nichts geschehen, gibt es noch die Abwehrhaltung, die Armenier hätten zwar grosse Verluste erlitten, dies sei aber nicht geplant gewesen. Es habe also folglich kein Völkermord stattgefunden. Die Versorgungsengpässe im Krieg, Seuchen und Überfälle von «kurdischen Banden» werden verantwortlich gemacht. Kritiker in den eigenen Reihen versucht man u. a. mit dem Argument zum Schweigen zu bringen, sie brächten die Türkei international in Misskredit. «Vaterlandsverrat» muss sich der Historiker Halil Berktay vorwerfen lassen. Gegen den Schriftsteller Orhan Pamuk eröffnete die Staatsanwaltschaft gar ein Verfahren, weil er in einem Interview mit dem Zürcher «Tages-Anzeiger» die armenische Behauptung 1,5 Millionen Armenier seien getötet worden, übernommen hat. In der Türkei beruft man sich auf die Osmanischen Archive, als wären sie objektive Zeugen für die Richtigkeit der türkischen Thesen. Der Generalstab will die einschlägigen Akten in vier Bänden herausbringen. Den Armeniern wird unterstellt, die Völkermordthese diene nur dem Zusammenhalt ihrer Diaspora. Auf Armenien wird Druck ausgeübt, einer gemeinsamen Historikerkommission zuzustimmen, so als wäre die Geschichte nach 90 Jahren noch völlig offen.
Quelle: <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.tagblatt.ch/index.jsp?artikel_id=1033417&ressort=hintergrund">http://www.tagblatt.ch/index.jsp?artike ... intergrund</a><!-- m -->
Wollt ihr noch andere?
Auf Seite drei der Massenzeitung «Milliyet» konnte man vor einigen Wochen eine dramatische Schilderung der Ereignisse des Jahres 1915 lesen: «Die Armenier fliehen mit ihren Waffen aus der Osmanischen Armee, schliessen sich den russischen Streitkräften an oder bilden Banden. Jahrelang in armenischen Schulen und Kirchen versteckte Waffen werden herausgeholt... die armenischen Banden überfallen türkische Städte, Kleinstädte und Dörfer, während die Männer an der Front sind...»
Türken, die an solche Schilderungen gewöhnt sind, reagieren empört, wenn man ihnen nun auch noch einen Völkermord an den Armeniern vorwirft. Der Vorsitzende der Türkischen Gesellschaft für Geschichte, Yusuf Halacoglu, hat diese offizielle Sicht in Zahlen gegossen. Demnach starben 6500 bis 8500 Armenier, es wurden aber 519 000 Muslime von Armeniern ermordet.
«Vaterlandsverrat»
Neben der These, die Deportation der Armenier sei eine Art Notwehr im Kriege gewesen und den Armeniern sei dabei fast nichts geschehen, gibt es noch die Abwehrhaltung, die Armenier hätten zwar grosse Verluste erlitten, dies sei aber nicht geplant gewesen. Es habe also folglich kein Völkermord stattgefunden. Die Versorgungsengpässe im Krieg, Seuchen und Überfälle von «kurdischen Banden» werden verantwortlich gemacht. Kritiker in den eigenen Reihen versucht man u. a. mit dem Argument zum Schweigen zu bringen, sie brächten die Türkei international in Misskredit. «Vaterlandsverrat» muss sich der Historiker Halil Berktay vorwerfen lassen. Gegen den Schriftsteller Orhan Pamuk eröffnete die Staatsanwaltschaft gar ein Verfahren, weil er in einem Interview mit dem Zürcher «Tages-Anzeiger» die armenische Behauptung 1,5 Millionen Armenier seien getötet worden, übernommen hat. In der Türkei beruft man sich auf die Osmanischen Archive, als wären sie objektive Zeugen für die Richtigkeit der türkischen Thesen. Der Generalstab will die einschlägigen Akten in vier Bänden herausbringen. Den Armeniern wird unterstellt, die Völkermordthese diene nur dem Zusammenhalt ihrer Diaspora. Auf Armenien wird Druck ausgeübt, einer gemeinsamen Historikerkommission zuzustimmen, so als wäre die Geschichte nach 90 Jahren noch völlig offen.
Quelle: <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.tagblatt.ch/index.jsp?artikel_id=1033417&ressort=hintergrund">http://www.tagblatt.ch/index.jsp?artike ... intergrund</a><!-- m -->
Wollt ihr noch andere?