22.04.2005, 19:14
Zitat:Die Definiton von Völkermord die hier greift ist eine UN Definiton die erst NACH dem Zweiten Weltkrieg so verfasst wurde (...)Sorry wenn ich da noch mal zwischenfunken muss, aber Lemkin, auf dessen Definition von Genozid ( er hat dieses Wort übrigens geprägt) der Völkermordartikel der UN-Charta basiert, hat diesen das erste mal nach dem Völkermord an den Armeniern Genozid definiert und in einem Gesetz "gegen die Zerstörung nationaler, religiöser und rassischer Gruppen" niedergeschrieben. Dieses Gesetz fand zum damaligen Zeitpunkt in der Inernationalen Gesellschaft keinen Anklang.
Was ist also Völkermord?
Eine Kurze Definition und die Zusammenhänge zu den Vorgängen im damaligen Osmanischen Reich:
Die betroffene Gruppe der Opfer definiert sich über nationale, rassische, religiöse Kriterien oder durch ihr Volkstum (d.H. Lebensweis, Kultur). Der Völkermord als Tat definiert sich über folgende Tatbestände: körperliche und seelische Schädigung der Opfer, Minderung der Lebensbedingungen, Verhütung der Vermehrung und erzwungene Herausgabe der Nachkommenschaft um sie in einer anderen Gruppe zu integrieren.
Die Armenier bildeten in der Gesellschaft eine Gruppe, welche sich definierte über rassische Unterschiede, nämlich kein Turkvolk, religiöse Unterschiede, Christen und nicht Muslime. Allein in diesen beiden Punkten bildeten sie also eine Volksgruppe für sich innerhalb des Osmanischen Reiches.
Es fand eine körperliche und seelische Schädigung der Armenier statt, z. B. hier mal ein Auszug aus dem was der deutsche Konsul Wilhelm Litten auf der Straße zwischen Deir al-Sor und Tibni im heutigen Syrien, welche er kurz nachdem einer Todesmärsche mit denen die Armenier in die Wüsten Syriens und Mesopotamiens deportiert wurden, sah und aufschrieb:
Zitat:2 Uhr: 5 frische Gräber. Rechts: ein unbekleideter Mann. Geschlechtsteil entblößt.Usw, Usf., die Rede ist von hunderten von Kilometern an deren Wegesrand Gräber waren bzw. Gebeine in der Sonne verdorrten.
2.05 Uhr: Rechts: 1 Mann, Unterleib und blutendes Geschlechtsteil entblößt.
2.07 Uhr: Rechts: 1 Mann in Verwesung.
2.08 Uhr: Rechts: 1 Mann, vollkommen bekleidet, auf dem Rücken, Mund wei aufgerissen, Kopf nach hinten gestemmt, schmerzentstelltes Gesicht.
2.10 Uhr: 1 Mann, Unterkörper bekleidet, Oberkörper angefressen.
2.25 Uhr: Links am Wege: 1 Frau, auf dem Rücken liegend, Unterkörper angefressen, nur die blutigen Schenkelknochen ragen noch aus dem Tuch
....
Desweiteren gibt es ausführliche Berichte über Massenvergewaltigungen, Plünderungen und willkürlichen Hinrichtungen innerhalb der Marschgruppen. In allen Fällen haben die begleitenden Gendarmen nicht eingegriffen, sondern meist noch unterstützt bzw. sich selbst beteiligt.
Es gibt Berichte, wonach bei Erreichen von Ortschaften immer wieder die Bewohner sich an den Deportierten vergriffen und Kinder entführten um sie als billige Arbeitskräfte einzusetzen. Auch wurden Frauen an türkische Harems und Kurden verkauft, verkauft von den begleitenten Gendarmen. Dies wir unter anderem von Mitarbeitern des Roten Kreuzes bezeugt.
Meistens wurden vor Beginn der Deportierung die Armenier zusammengetrieben, dann wurden die örtlichen Eliten kurzerhand umgebracht um eventuell aufkeimenden Widerstand in der Entstehung zu verhindern.
Und die Deportierung der Armenier aus Anatolien und ihren anderen Stammgebieten in die syrischen und mesopotamischen Wüsten unter zurücklassung aller Habe, auch der beweglichen Güter stellt ganz sicher eine kritische Minderung der Lebensbedingungen, wenn nicht sogar der Überlebensbedingungen da.
Die interessante Frage ist eigentlich nicht ob es einen Völkermord gegeben hat, sondern ob er vorne herein so geplant war. So läßt sich vermuten das zuerst wirklich nur eine Umsiedlung der Armenier geplant war, und diese sich nur auf die strategisch kritischen Gebiete bezog.
Diese türkische Rechtfertigung wurde aber damals schon von deutschen Diplomaten im Osmanischen Reich als "krasse Lüge" bezeichnet.
Vielleicht sollte man auch mal den ideologische Hintergrund betrachten, so war seit 1908 eine Bewegung im Osmanischen Reich an der Macht, welche sich "Jungtürken" nannten. Die führenden Köpfe dieser Bewegung wollten das Osmansiche Reich durch eine Modernisierung nach Europäischem Vorbild retten. Zuerst agierten sie auch durchaus postiv und standen sogar der Forderung der Armenier nach Selbstverwaltung aufgeschlossen gegenüber. Nachdem sie aber mit ansehen mußten wie fast der gesamte Teil der Besitzungen auf dem Balkan sich erfolgreich vom Osmanischem Reich los sagte und die dort lebenden Muslime massenhaft vertrieben wurden, kam die dunkle Seite der westlichen Ideologie hinzu, nämlich die vom ethnisch reinen Nationalstaat, welche noch beflügelt wurde von der Angst, das der Zar, welcher ja auch den Titel "König von Armenien" führte, versuchen würde die armenisch besiedelten Gebiete zu beanspruchen. Dazu kamen dann noch noch andere ideologische Einflüsse, wie z.B. die Idee einen Staat aller Turkvölker zwischen Thrakien im Westen und China im Osten. Da störten die Armenier nur, und dies führte zu "Slogans" wie "die Türken müssen die anderen ausrotten um nicht selbst ausgerottet zu werden". Intern wurden die Armenier von den Jungtürken dann auch fortan mit wenig schmeichelhaften Begriffen wie Tumoren und Seuchenherden betitelt, welche es zu beseitigen gelte.
Erste Deportationen fanden bereits 1914 statt, insbesondere in den russischen Gebieten welche für kurze Zeit von den Türken besetzt werden konnten. Aber das Jahr 1915 beschleunigte alles nochmal, da man ernsthafte Verluste an Gebieten und Menschen gegenüber den Russen hatten und die Engländer auf Gallipolli landeten, was zu einer fast panischen Stimmung innerhalb der Führung des Osmansichen Reiches führte. Auch russische Propaganda und Agitation führten zur festen Überzeugung, das die Armenier eine ernst zu nehmende Gefahr für die territoriale Integrität des Osmanischen Reiches darstellten.
Dass das Vorgehen nicht planlos war läßt sich am Grad der Organisation festmachen, so gab es ein Zentralkomitee, welches eine Antwort suchte auf die Frage "Wie entledigen wir uns der Armenier?" Die Anwort lautete folgendermaßen "Total, auf geeignete Weise, diskret und unter den geringsten Kosten und Risiken."
Das heißt im Klartext:
1. Total:
Ziel ist völlige Auslöschung der Armenier! Kein Armenier darf in der Lage sein, Zeugnis von dem zu geben, was geschehen ist.
2. ...auf geeignete Weise:
Problem ist, das Massaker in Siedlungsräumen der Armenier Aufsehen erregen und nicht gründlich genug sind. Lösung: Vollständige "Evakuierung" der Armenier=Deportation(Todesmärsche)
3. ...diskret:
"Endziel" der Operation darf international nicht bekannt werden!
Voraussetzungen:
- Blockierung ausländischer Informationskanäle
- Geheimhaltung bzw. Vernichtung einschlägiger Dokumente
- Fotografierverbot
4. ... unter geringstmöglichem Risiko:
Problem hier: die Militärverbände sind massiv in Kampfhandlungen gebunden
Lösung: Entwaffnung der Armenier, Vorherige Beseitigung der Eliten
5. ...zu den geringstmöglichen Kosten:
Bewegliches und unbewegliches Eigentum der Armenier fällt an türkische Regierung und Armenier, die wichtige Funktionen wahrnehmen werden solange verschont bis Ersatz bereitsteht.
6. Einrichtung der nötigen Strukturen, Ausnutzung von Vorwänden:
Strukturen:
- "Verwaltung herrenloser Güter"
- "Deportationskommissionen" (in Konstantinopel und Aleppo)
- Komitee für Einheit und Fortschritt (Kopforganisation)
Vorwände:
- Desertion
- geringste örtliche Rebellionen
- Kollaboration
(Quelle: Ternon, Yves: Tabu Armenien: Geschichte eines Völkermords, Frankfurt/M; Berlin, 1981)
Gruß NoBrain