14.02.2005, 22:15
Zitat:ANSCHLAG AUF EX-PREMIER HARIRIQuelle: <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,341757,00.html">http://www.spiegel.de/politik/ausland/0 ... 57,00.html</a><!-- m -->
Der Terror kehrt nach Beirut zurück
Rafik al-Hariri prägte seit Jahren die Geschichte des Libanon. Zuletzt stellte er sich immer mehr gegen die prosyrische Haltung von Präsident Lahud. Jetzt fiel der langjährige Premier einem Attentat zum Opfer - und mit ihm mindestens neun weitere Menschen. Die Zeit der relativen Ruhe im Libanon ist vorbei.
Beirut/Dubai - Rund hundert Menschen wurden bei dem Anschlag verletzt, darunter der frühere Wirtschaftsminister und jetzige Parlamentsabgeordnete Bassel Fleihan. Es war einer der schwersten Bombenanschläge im Libanon seit Ende des Bürgerkriegs vor 15 Jahren.
Das Kabinett wurde nach dem Anschlag zu einer Sondersitzung zusammengerufen. Staatspräsident Emile Lahud, ein langjähriger politischer Rivale Hariris, bezeichnete den Anschlag in einer Erklärung als "einen dunklen Punkt in unserer Geschichte". Der Oberste Verteidigungsrat rief nach einer Krisensitzung eine dreitägige Staatstrauer aus. Dem Gremium, dem der Staatspräsident, das Sicherheitskabinett und führende Vertreter der Streitkräfte angehören, wies die Sicherheitskräfte an, alles zu tun, um die Ordnung aufrechtzuerhalten. Beobachter befürchten, dass nach dem gewaltsamen Tod Hariris der anhaltende Streit um die Rolle Syriens im Land erneut in einen blutigen Konflikt münden könnte.
Eine unbekannte Gruppe von muslimischen Extremisten bekannte sich einem Fernsehsender zufolge inzwischen zu dem Attentat. "Für unsere Mudschahedin-Brüder in Saudi-Arabien... haben wir die Umsetzung der Exekution derer beschlossen, die dieses Regime unterstützen", sagte ein bärtiger Mann auf einem Videoband, das der Sender al-Dschasira ausstrahlte. Der Mann saß vor einer schwarzen Flagge mit der Aufschrift "Gruppe für den Sieg und den Heiligen Krieg in der Levante".
Der Anschlag ereignete sich gegen Mittag in einem Geschäftsviertel an der Uferpromenade Beiruts, an der sich auch mehrere beliebte Hotels befinden. Augenzeugen zufolge handelte es sich um ein gezieltes Attentat auf den 60-jährigen Hariri, dessen Fahrzeugkolonne die Stelle kurz vor der Explosion passierte. Der frühere Regierungschef starb noch auf dem Weg ins Krankenhaus.
Milliardär aus bescheidenen Verhältnissen
Der Zustand des bei dem Anschlag verletzten Ex-Wirtschaftsministers Fleihan wurde als kritisch bezeichnet. Er liege auf der Intensivstation der Amerikanischen Universitätsklinik in Beirut, sagte der Abgeordnete Atef Madschdalani, ein Gefolgsmann Hariris. Nach einem Bericht von Hariris eigenem Fernsehsender Future TV wird erwogen, ihn zur weiteren Behandlung ins Ausland zu fliegen.
Anschläge sind in Beirut nach dem Bürgerkrieg von 1975 bis 1990 selten geworden. Allerdings haben die Spannungen zwischen Regierung und Opposition in den vergangenen Monaten zugenommen. Zuletzt waren bei einem Autobombenanschlag im Oktober ein Oppositionspolitiker verletzt und sein Leibwächter getötet worden.
Hariri hat die Geschicke seines Landes nach dem Bürgerkrieg entscheidend mitbestimmt. Der aus bescheidenen Verhältnissen stammende Selfmade-Milliardär stand seit 1990 insgesamt zehn Jahre an der Spitze der Regierung, bevor er im Konflikt mit seinem langjährigen Rivalen, dem pro-syrischen Staatschef Emile Lahud, im Oktober 2004 zurücktrat.
Mit einer Baufirma in Saudi-Arabien legte der sunnitische Muslim in den siebziger Jahren den Grundstock zu seinem heute auf vier Milliarden Dollar geschätzten Vermögen. Schon bei der Vermittlung des Friedensabkommens, das 1990 nach 15 Jahren den Bürgerkrieg im Libanon beendete, spielte Hariri eine entscheidende Rolle. Seit 1992 trieb er als Ministerpräsident den Wiederaufbau des Landes voran. Dabei verdiente Hariri an der Rekonstruktion Beiruts über das Unternehmen Solidere kräftig mit. Seine geschäftlichen und politischen Beziehungen verhalfen dem hoch verschuldeten Land aber auch zu internationaler Anerkennung und ausländischen Investitionen.
Assad verurteilt Mord an Hariri
Mit der Wahl von Lahud zum Staatschef endete 1998 Rafiris Amtszeit, doch gelang ihm 2000 mit einem klaren Wahlsieg ein Comeback. Vor vier Monaten legte er sein Amt als Ministerpräsident nieder, nachdem das libanesische Parlament mit Rückendeckung der Schutzmacht Syrien die Amtszeit von Lahud verlängert hatte. Hariris pro-syrische Kritiker warfen ihm vor, eine im September 2004 verabschiedete Uno-Resolution betrieben zu haben, die den Abzug der 15.000 syrischen Soldaten und die Neuwahl des Präsidenten fordert.
In den letzten Monaten hielt sich Hariri zurück, einige Quellen beschrieben ihn als "stillen Oppositionellen" der pro-syrischen Regierung. Zum Imperium des Geschäftsmanns gehörten Computerfirmen, Banken, Versicherungen, Immobilien und Medien wie der Fernsehsender Future TV. Hariri hinterlässt eine Frau und sechs Kinder.
Der syrische Präsident Baschar Assad verurteilte den Anschlag als "furchtbares Verbrechen". Er rief laut einer Meldung der amtlichen syrischen Nachrichtenagentur SANA das libanesische Volk auf, sich "in dieser kritischen Situation" nicht spalten zu lassen.
Der im französischen Exil lebende frühere libanesische Armeechef General Michel Aoun machte Syrien und die neue pro-syrische Regierung für den Anschlag verantwortlich. "Ich denke, sie stecken gemeinsam hinter dem Verbrechen", sagte Aoun im Fernsehsender al-Arabija. Die französische Regierung forderte eine internationale Untersuchung des Anschlags.
Zitat:ATTENTAT IM BEIRUTQuelle: <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,341775,00.html">http://www.spiegel.de/politik/ausland/0 ... 75,00.html</a><!-- m -->
Islamisten wollen den Dschihad in den Libanon tragen
Seit Monaten fragen Islamisten im Internet, warum es keine Dschihad-Organisation in Syrien und im Libanon gibt. Jetzt könnte sich ihre fatale Hoffnung erfüllt haben: Zu dem Mord am libanesischen Ex-Premier bekannte sich eine bisher unbekannte Gruppe, die weitere Anschläge in der arabischen Levante ankündigte.
Berlin - Es ist ein mittlerweile nur allzu vertrautes Bild, aber diesmal will der Ort einfach nicht stimmen: Im Libanon, nicht im Irak oder in Saudi-Arabien, soll das Videoband aufgenommen worden sein, das heute dem arabischen Setellitensender al-Dschasira zugespielt wurde. Es zeigt einen Turban tragenden Mann vor einem in Arabisch geschriebenen islamischen Glaubensbekenntnis. Darunter prangt der Name der Gruppe, die heute in der Hauptstadt Beirut mit vermutlich 300 Kilogramm TNT-Sprengstoff zehn Menschen tötete, darunter den ehemaligen Premierminister des Landes, Rafiq al-Hariri.
"Beistand und Dschihad in der Region al-Scham", nennen sich die Bekenner. Al-Scham ist er arabische Begriff für das historische Syrien oder die arabische Levante und umfasst die heutigen Staaten Syrien und Libanon sowieso die Palästinensischen Gebiete und Teile Jordaniens. "Um unserer Mudschahidin-Brüder in Saudi-Arabien Willen haben wir uns entschlossen, die gerechte Hinrichtung all jener durchzuführen, die das Regime unterstützen", soll es Agenturberichten zufolge in dem Video heißen, das zur Stunde noch nicht im islamistischen Internet kursiert. Hariri wird weiter vorgeworfen, ein Agent der Saudis gewesen zu sein.
"Dies war eine Märtyreroperation", erklärt der bärtige Mann auf dem Band weiter, womit er unzweifelhaft einen Selbstmordanschlag meint. "Sie ist der Beginn vieler Märyreroperationen gegen die Ungläubigen in al-Scham." Al-Dschasira zufolge identifiziert sich der Sprecher als Ahmad Abu Adas; wie der Sender weiter mitteilte, hat das Beiruter Büro des Senders zuvor einen Anruf erhalten, in dem ein Mann auf Arabisch aber mit Akzent die Verantwortung für den Anschlag übernommen hatte, der fast einen gesamten Straßenzug zerstörte. Grauenhafte Bilder waren heute aus Beirut zu sehen, hoch standen die Rauchschwaden in dem am Meer gelegenen Nobel-Stadtteil, in dem der Anschlag stattfand.
Chaos in der "Schweiz des Nahen Ostens"
Sollte sich das Bekennervideo als authentisch herausstellen und die Drohungen von weiteren Anschlägen wahr gemacht werden, stünde der Nahe Osten vor einem Desaster, das größer kaum sein könnte. Neben dem Irak und Saudi-Arabien gäbe es dann eine dritte durch Terror destabilisierte Region, die zu allem Überfluss auch noch an den Krisenherd Israel grenzt. Auch so ist die Lage in der Levante kompliziert genug: Der Libanon, ein halbwegs funktionierende Demokratie, ist seit Jahrzehnten vom autokratisch regierten Syrien nahezu besetzt. Friedensverträge mit Israel gibt es nicht, und an der Grenze zum Judenstaat, im Süden des Libanon, liegt das Kerngebiet der vom Iran unterstützten Hizbollah-Miliz.
Seit dem Abzug der israelischen Armee aus dem Südlibanon vor drei Jahren befindet sich die schiitische Hizbollah auf dem Weg der Entmilitarisierung. Das Entstehen einer sunnitischen Dschihadistengruppe im Land könnte ungeahnten Einfluss auf diese Entwicklung haben. Im Irak beispielsweise zählt der Versuch, die Schiiten anzugreifen, zur Taktik der Qaida-Filiale, die auf diese Weise einen Bürgerkrieg entfachen will
Die Levante ist ein fragiles politisches Gebilde, auch hier, in der vermeintlich stabilsten Region des Nahen Ostens, können Konflikte aufbrechen, die gegenwärtig nicht virulent sind. Wie schnell das gehen kann, hat gerade der Libanon schon einmal erleben müssen, als 1975 ein grausamer Konfessions- und Bürgerkrieg in dem kleinen Land ausbrach, das wegen seiner vermeintlichen Stabilität einmal die "Schweiz des Nahen Ostens" geheißen hatte.
Islamistische Terrorgruppen leben von der politischen Unsicherheit in den Ländern, in denen sie aktiv sind, wie Vampire vom Blut. Weil das so ist, liegt es auch in ihrem Interesse, die Instabilität selbst herbeizuführen. In ein solches Muster könnte der heutige Anschlag auf Hariri passen. Auch die Verbindung des Milliardärs zur unter Islamisten verhassten saudi-arabischen Monarchie klingt aus einer islamistischen Weltsicht heraus plausibel. Noch aber ist es viel zu früh, die Existenz eines Terrornetzwerks im Libanon als gesichert zu betrachten. Schon mehr als einmal haben Trittbrettfahrer versucht, sich Anschläge auf ihre Fahnen zu schreiben. Grund zur Besorgnis gibt es seit heute aber sehr wohl, auch wenn die mutmaßlichen Täter sich (noch) nicht als Teil des Terrornetzwerks al-Qaida bezeichnet haben.
Yassin Musharbash