29.12.2004, 00:33
Dieser Artikel macht mich traurig.
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Zitat:Flucht ins Feuer
Rund 150 Frauen setzten sich innerhalb von sechs Monaten in Herat, einer Stadt im Westen von Afghanistan, in Brand. Aus Angst, aus Scham, aus Verzweiflung. Ein Fanal, das mehr über das Land verrät als die Wahl am vergangenen Samstag.
Die Angst würgt Fariba, sie muss sich erbrechen. Ihr ganzer Körper bebt, ihre Stimme zittert, kreischt, schrillt: Bitte nicht! Sie soll tief einatmen und kann nur wimmern. Bitte nicht, bitte, bitte. Allah hilf! Faribas Fingernägel schimmern hennarot, ihre Hände sind unverletzt. Im schwarzen Haar trägt sie eine Spange. Mumiengleich ist ihr Oberkörper eingewickelt. Der Pfleger kommt, und Fariba erstarrt. Er packt die Verbände, reißt sie ab, schnell und hart, an Brust, Armen, Rücken. Fariba schreit nicht mehr. Sie jault. Sie wird gehäutet bei lebendigem Leib. Unter den Bandagen glänzt das offene Fleisch, blutrot.
Seit einem Jahr durchlebt sie diese Prozedur, alle zwei bis drei Tage. Zuerst im Krankenhaus in Herat, nach sechs Monaten zu Hause. Seitdem musste die Mutter die Verbände wechseln, wochenlang ertrug sie kaum die Schreie ihrer Tochter. Die Wunden heilten nicht. So hat sie Fariba wieder in die Klinik gebracht. Irgendetwas sollen die Ärzte tun. Irgendwie müssen sie ihrem Kind doch helfen können. "Warum ist das Schicksal so hart zu uns?", klagt die Mutter. "Wäre doch dieser Unfall nie passiert!" Wenn es denn einer war.
Vor einem Jahr hatte die 15-jährige Fariba den Traum, ein einziges Mal etwas allein zu erleben, ohne die Familie. Sie wollte ihre Grenzen ausloten. Grenzen, die für afghanische Mädchen an der Haustür beginnen. Fariba schwänzte die Schule, ging mit ihrer Freundin in den Park. Sie erinnert sich noch an die Früchte zum Picknick und an das gebratene Fleisch. War ein Junge dabei? Das will sie nicht sagen.
...
Aber das erklärt nicht, weshalb sich ausgerechnet in Herat, im Westen Afghanistans, die Selbstverbrennungen häufen und die Toten zu Vorbildern werden, denen andere nachzueifern scheinen. Mehr als 150 Frauen haben sich allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres in Brand gesteckt, im vergangenen Jahr waren es 160. Vielleicht liegt es an der Nähe zum Iran, an den afghanischen Frauen, die von dort zurückkehren nach Jahren im Exil.
Im Iran konnten sie arbeiten und sich frei bewegen, das Leben hatte eine Zukunft. In Afghanistan bleibt davon nur eine Erinnerung, und das Einzige, was diese Frauen hinüberretteten, scheint die Freiheit zum Feuertod zu sein. ...