Iranisches Atomprogramm
Zitat:INTERVIEW MIT RAKETEN-EXPERTEN SCHMUCKER

"Iran hat sinistre Absichten"

Nach dem Irak hat die Bush-Regierung nun Iran im Visier. Auf Druck der EU hat die iranische Regierung ihr Atomprogramm ausgesetzt. Doch die Gefahr ist damit nicht gebannt, sagt der deutsche Raketenexperte Robert Schmucker im Interview mit SPIEGEL ONLINE.

Robert Schmucker

Professor Robert Schmucker ist ein international anerkannter Raketen-Fachmann. Von 1995 bis 1998 war er Teil des Uno-Inspektionsteams im Irak. Seine Firma Schmucker Technologies mit Sitz in München berät staatliche und private Institutionen, unter anderem die Nato, in Raketenfragen. Er lehrt an der TU München. Schmucker war Anfang dieser Woche Redner auf einer Tagung der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung in Berlin, die sich unter anderem dem Thema Iran und Atomforschung widmete.

SPIEGEL ONLINE: Heute berät der Gouverneursrat der Internationalen Atomenergiebehörde über Iran. Die iranische Regierung hat auf Druck der EU angekündigt, ihr Atomprogramm auszusetzen. Kann man der Ankündigung vertrauen?

Robert Schmucker: Ich bin da sehr skeptisch. Verträge sind grundsätzlich nur ein Stück Papier.

SPIEGEL ONLINE: Was macht Sie so skeptisch?

Schmucker: Ich bin kein Nuklearfachmann. Aber ich sehe den Nachdruck, mit dem Iran sein Raketenprogramm betreibt. Daraus kann ich nur auf sinistre Absichten schließen. Die wollen mit den Raketen ja keine Briefe verschicken. Konventionelle Ladungen machen bei der angestrebten Entfernung und Zielgenauigkeit keinen Sinn. Eine Rakete dieser Güteklasse ist nur sinnvoll mit einer Massenvernichtungswaffe als Sprengkopf. In Anbetracht der Kapazitäten anderer Länder ist die nukleare Option die einzig nahe liegende.

SPIEGEL ONLINE: Über was für Raketen reden wir hier?

Schmucker: Iran arbeitet an der Schahab 3, baugleich mit der pakistanischen Gaury und der nordkoreanischen Nodong. Das Original kommt nach unseren Erkenntnissen aus Russland. In Iran laufen zwei parallele Programme: Zum einen bauen sie eine Eigenproduktion auf, zum anderen arbeiten sie an der Leistungsverbesserung. Die Reichweite des Originals liegt bei 1000 Kilometer, aber sie wollen 1300 Kilometer erreichen. Das erfordert einige Änderungen an den Tanks, der Lenkung und anderes mehr.

SPIEGEL ONLINE: Woher beziehen Sie Ihre Erkenntnisse?

Schmucker: Das ist einfaches "Raketen-Einmaleins". Wir können die Raketen leicht analysieren, wenn wir Bilder und Videos haben, da wir die Technologie sehr gut kennen. Raketen sind nicht zu verbergen, sie werden zur Schau gestellt, zum Beispiel auf Paraden. Und wenn irgendwo eine Rakete abgeschossen wird, sehen wir das.

SPIEGEL ONLINE: Seit wann läuft das Raketenprogramm in Iran?

Schmucker: 1998 haben sie zum ersten Mal geschossen. 2000 haben sie mit der Leistungsverbesserung angefangen. Es wird meist übersehen, dass es schwieriger ist, eine Rakete zu entwickeln als den dazugehörigen Nuklearsprengkopf. Der zeitkritische Faktor ist der Flugkörper, nicht die Waffe. Das sieht man schon daran, dass eine ganze Menge Länder eigenständige oder halb eigenständige Nuklearwaffen haben. Aber nur ganz wenige haben eigenständige Flugkörper.

SPIEGEL ONLINE: Wie weit ist das Programm der Iraner gediehen?

Schmucker: Sie machen gute Fortschritte. Seit 1998 haben sie zehn Tests mit Eigenbaugeräten durchgeführt. Sie könnten in drei bis fünf Jahren über ein operationelles System verfügen. Auf den Raketen steht: "Israel wird ausgelöscht, und Amerika kann nur zugucken". Ich würde das nicht als Vertrauen erweckend betrachten.

SPIEGEL ONLINE: In der Öffentlichkeit wird vor allem über das Atomprogramm Irans geredet. Warum redet niemand über die Raketen?

Schmucker: Ich bin der Meinung, man sollte das als gebündeltes Thema betrachten. Wenn einer an den Transportmitteln intensiv arbeitet, dann macht er auch auf der anderen Seite was. Der Raketenaspekt muss in der öffentlichen Debatte stärker gewichtet werden.

SPIEGEL ONLINE: Der amerikanische Auslandsgeheimdienst CIA hat vorgestern einen Bericht veröffentlicht, demzufolge der Vater des pakistanischen Atomprogramms, A.Q. Khan, Iran mit Bauplänen für Nuklearsprengköpfe versorgt haben soll.

Schmucker: Das würde mich nicht wundern. Auf diesem Sektor ist die Proliferation das Standardmittel zur Versorgung der anderen. Da versorgen sich viele Institutionen gegenseitig. Und die Verbreitung nimmt zu.

SPIEGEL ONLINE: Der frühere CIA-Chef George Tenet hat laut "New York Times" in einer Rede kürzlich gesagt, Khan sei so gefährlich wie Osama Bin Laden.

Schmucker: Da traue ich mir kein Urteil zu. Ich stütze mich nur auf meine technischen Beobachtungen des Raketenprogramms, und ich würde mich wundern, wenn ich falsch läge. Da Pakistan eine Nuklearwaffe hat, ist Herr Khan die nahe liegende Kontaktstelle für Iran.

SPIEGEL ONLINE: Was muss die Uno tun?

Schmucker: Darüber habe ich oft nachgedacht. Ich weiß es nicht. Für Iran ist die Situation ja sehr einfach. Laut den internationalen Vereinbarungen darf das Land Uran anreichern. Das ist schwer zu verhindern. Die Iraner betonen natürlich, dass alles friedlich ist, zur Stromgewinnung.

SPIEGEL ONLINE: Sollte man das Raketenprogramm verbieten?

Schmucker: Das wäre ein guter Hebel. Aber ich habe gerade Anfang der Woche auf einer Sicherheitstagung mit Iranern gesprochen und die sagen: Es ist völlig legitim, dass wir so ein Programm haben. Haben andere ja auch. Es dient dem nationalen Prestige und der Abschreckung. Solange die Amerikaner von Regimewechsel reden, sagen die Iraner, werden sie sich gegen einen Stopp ihres Programms wehren.

Das Interview führte Carsten Volkery
Quelle: <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,329438,00.html">http://www.spiegel.de/politik/ausland/0 ... 38,00.html</a><!-- m -->
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