US-Wahl 2004
#70
Zitat:Vier weitere Jahre Bush
Entsetzen in Hollywood

Die US-Präsidentschaftswahl hat im liberalen Hollywood Sprachlosigkeit hervorgerufen, europäische Autoren äußerten große politische Befürchtungen. Sorge vor einem Rückfall in politischen Isolationismus der USA, eine wachsende Spaltung des Westens und eine Aushöhlung der Freiheitsrechte in den USA bestimmten erste Reaktionen zur Wiederwahl von George W. Bush.

"Die konservative Revolution wird nun ausgebaut", sagte die diesjährige Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek in Wien. Die Österreicherin sieht "düstere Jahrzehnte auf uns zukommen". Es werde ein zunehmender politischer Isolationismus der USA entstehen, der mit einer Aggression nach außen einhergehen werde. "Gesellschaftspolitisch liberale Tendenzen haben jetzt für lange Zeit abgewirtschaftet."

Moore & Co. abgetaucht

Michael Moore, Schöpfer des Anti-Bush-Films "Fahrenheit 9/11", verzichtete bisher auf ein Statement. Auf seiner Website veröffentlichte er ein Bild von Bush. Es ist zusammengesetzt aus hunderten Einzelporträts von im Irak umgekommenen US-Soldaten. Darunter steht "Wir verschwinden nicht. Tragt Euch in unsere e-mail-Liste ein."

Ein bislang beispielloses Großaufgebot amerikanischer Künstler hatte den Wahlkampf von John Kerry unterstützt. Doch nach dem klaren Sieg Bushs sind sie auf Tauchstation gegangen. "Hollywood scheint sprachlos zu trauern", spöttelte ein Radiomoderator. "Kein Star will das Wahlergebnis kommentieren."

"Betäubt und demoralisiert"

Der US-Schriftsteller Richard Powers ("Der Klang der Zeit") reagierte sichtlich getroffen. "Furcht und Fundamentalismus haben vorübergehend die Oberhand gewonnen über Vernunft und Gerechtigkeit", erklärte er in einem Statement für die "Süddeutsche Zeitung". "Die Hälfte des Landes ist nach diesem Ergebnis betäubt und demoralisiert aufgewacht und will vielleicht ins Ausland fliehen."

Für den Vorsitzenden des Deutschen PEN-Zentrums in Darmstadt, Johano Strasser, ist die Spaltung der USA und damit auch der westlichen Welt unübersehbar. Bush müsse nun zeigen, wie er die wirtschaftlichen und außenpolitischen Probleme lösen wolle. "Seine zweite Amtszeit kann für ihn zum Debakel werden." Daneben sei zu befürchten, dass der Präsident in moralischen Fragen wie Abtreibung und Umgang mit Homosexuellen das Rad zurückdrehen werde.

Strasser verglich die Situation in den USA mit dem vom RAF-Terror bedrohten Deutschland. "Damals wurden auch Gesetze verabschiedet, die in einer Demokratie bis dahin nicht denkbar erschienen." In Amerika werde die Aushöhlung der Freiheitsrechte von einer großen Mehrheit mitgetragen, befürchtet der Schriftsteller. "Viele fundamental gesinnte Christen haben ein sehr gestörtes Verhältnis zur Demokratie."

"Die Lüge hat gewonnen"

Der portugiesische Literaturnobelpreisträger José Saramago meinte: "Mit Bush hat die Lüge gewonnen." Der US-Präsident habe "die Lüge als Massenvernichtungswaffe eingesetzt, und alles deutet darauf hin, dass er dies auch in Zukunft tun wird. Die Amerikaner machen einen Prozess des Autismus durch."

Bush befördert nach Ansicht des deutschen Schriftstellers Martin Walser indirekt die Einigung Europas. Von der These eines gespalten Westens halte er nichts, sagte Walser. "Der Westen war noch nie ein monolithischer Block." Um den Weltfrieden sei er überhaupt nicht besorgt, meinte Walser. So wie Bush indirekt Einfluss auf die Einigung Europas habe, so werde ein einiges Europa auch auf Bush wirken.

Mit einem Schuss Ironie reagierte der israelische Schriftsteller Amos Oz. "Ich hätte Bush ebenso wenig gewählt wie Arafat. Auch (Israels) Ministerpräsident Ariel Sharon habe ich meine Stimme nicht gegeben", sagte Oz. Ob es zu einer Wiederbelebung des Friedensprozesses durch die Bush-Regierung kommt, hält Oz derzeit für schwer einschätzbar. "Die Frage ist doch, wie viel Einfluss wir den Vereinigten Staaten lassen. "
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