25.09.2004, 12:03
Präsident von Russland will "keine Kursänderung" vornehmen
Zitat:Präsident von Russland will "keine Kursänderung" vornehmenRussland und EU - Ungelöste Probleme
Nach der Kritik an der geplanten Machtkonzentration im Kreml hat der russische Präsident Wladimir Putin beteuert, an den Grundsätzen von Demokratie und Marktwirtschaftsein festhalten zu wollen. Russland habe sich vor zehn Jahren "für einen demokratischen Staat und für Marktwirtschaft entschieden", sagte Putin am Freitag vor Teilnehmern eines internationalen Kongresses von Nachrichtenagenturen in Moskau.
"Es wird keine Kursänderung geben." Für Russland seien Demokratie und Stabilisierung von gleicher Wichtigkeit. Das Land könne sich weiterentwickeln, indem es beides miteinander verbinde. Die jüngste Anschlagsserie in Russland bezeichnete Putin als "Herausforderung für die gesamte Menschheit" und eine "direkte Bedrohung gegen allen Staaten". Die Antwort darauf müsse gemeinsam erfolgen und "hart" sein.
Seine nach den Anschlägen angekündigten umstrittenen Reformen nannte Putin die "optimale" Lösung für Russland. Der Präsident hatte nach der blutigen Geiselnahme von Beslan Anfang September angekündigt, den russischen Regionen und Teilrepubliken Teile ihrer Autonomie zu entziehen und mehr Macht im Kreml zu konzentrieren. Damit löste er im In- und Ausland Sorgen um eine mögliche Einschränkung der Demokratie aus. Der Ankündigung vorausgegangen waren neben der Geiselnahme die Anschläge auf zwei Flugzeuge in Russland und ein Anschlag auf eine Moskauer U-Bahn-Station.
Der russische Staatschef dankte der internationalen Gemeinschaft für ihre Unterstützung und appellierte an das eigene Volk, "alle internen Ressourcen zu mobilisieren". "Die Zivilgesellschaft stärken, die Gesetzeslücken schließen, alle Gruppierungen und alle staatlichen Institutionen zusammenbringen, das ist die Hauptaufgabe der Mitglieder der Anti-Terror-Koalition." Diese Aufgabe, die die USA nach den Anschlägen vom 11. September 2001 begonnen hätten, müsse "in voller Übereinstimmung mit den Verfassungsgrundsätzen und dem Völkerrecht geschehen", fügte Putin hinzu. Zur Affäre um den Ölkonzern Yukos sagte er, Ziel des Staates sei nicht eine Verstaatlichung gewesen. Allerdings könnten staatliche Unternehmen als Bieter auftreten, wenn Teile oder Vermögenswerte des Konzerns veräußert werden müssten.
Zitat:Die Beziehungen zwischen Russland und der Europäischen Union haben im Mittelpunkt des jüngsten Seminars des Komitees „Russland im vereinigten Europa" gestanden. Die Veranstaltung hieß „Wie lässt sich die Kooperation zwischen Russland und der EU effektiver gestalten?"Die Superaufgabe von Präsident Putin
In seinem Vortrag hat der Sonderbeauftragte des russischen Präsidenten für die Beziehungen mit der EU, Sergej Jastrschembski, darauf hingewiesen, im laufenden Jahr sei zwar eine Reihe von Vereinbarungen zwischen Moskau und Brüssel getroffen worden, es gebe aber einige Bereiche, in denen es nicht gelinge, Fortschritte zu erzielen. Das betreffe vor allem Probleme um den Gütertransit in die russische Ostsee-Exklave Kaliningrad. Trotz Versprechungen der EU sei dieser Transit nach der EU-Osterweiterung teurer und komplizierter geworden. Jastrschembski brachte das mit der Verteuerung der Brokerdienstleistungen in Litauen in Verbindung. Die Reduzierung der Zahl der Grenzübergänge an der litauischen Grenze habe die Zollabfertigung von Transitgütern verlangsamt. Es gebe Probleme mit Sanitätskontrollen. Das sei meistens auf „mangelnde Professionalität" lettischer Zollbeamter zurückzuführen. Moskau habe Brüssel gebeten, diese Frage zu klären, es gebe aber bisher keine Antwort.
Ein weiteres akutes Problem in den Beziehungen zwischen Russland und den EU ist laut Jastrschembski die Lage der russischsprachigen Bevölkerung in Lettland und Estland. Über 500.000 Menschen seien dort in ihren Rechten und Freiheiten eingeschränkt. Russland bitte um keine Sonderrechte für diese Menschen, sondern lediglich um die Einhaltung der in den EU-Ländern geltenden Kopenhagener Vereinbarungen. Das Tempo der Einbürgerung von Nichtbürgern in Lettland und Estland sei zurzeit so niedrig, dass diese Frage ohne Einmischung der EU jahrzehntelang ungeklärt bleiben könne.
Der Botschafter des EU-Präsidentschaftslandes Niederlande in Russland, Tiddo Hofstee, sagte, der Schutz der Menschenrechte werde immer auf der EU-Tagesordnung stehen. Hofstee empfahl jedoch, mit der Lösung dieses Problems auf bilateraler Ebene zu beginnen.
Jastrschembski sagte weiter, Russland wolle das Kyoto-Protokoll ratifizieren.
Der Präsidentenbeauftragte erinnerte, am 21. September hätten Russland und die EU ihre Gespräche über die Vereinfachung der Visa-Regelung aufgenommen. Moskaus erste Einschätzungen seien optimistisch.
Vor dem Gipfel EU-Russland in den Haag möchte Moskau laut Jastrschembski die bestehenden Fragen um vier geplante gemeinsame Räume zwischen Russland und die EU klären. Bei zwei ersten gemeinsamen Räumen handle es um die innere und die äußere Sicherheit. Geplant sei auch der gemeinsame Wirtschaftsraum, aber auch der gemeinsame Forschungs-, Bildungs- und Kulturraum. „Wir sollen eine neue Integrationsebene erreichen", sagte Jastrschembski. Die Europäische Union äußere aber keinen besonderen Wunsch, Vereinbarungen mit konkreten Themen zu füllen, und ziehe allgemeine Formulierungen vor.
Jastrschembski schlug vor, ein Treffen von Vizegouverneuren russischer Gebiete, die an die EU grenzen, im Oktober in Moskau abzuhalten, um den Ausbau der Zusammenarbeit dieser Gebiete mit der Europäischen Union zu erörtern. Da die EU großen Wert auf die regionale Entwicklung lege, bekämen Verwaltungen russischer Grenzgebiete möglicherweise neue Möglichkeiten bei der Lösung lokaler Probleme.
Der Chef des auswärtigen Ausschusses der russischen Staatsduma, Konstantin Kossatschow, sagte in seinem Vortrag, die russische Regierung wolle dem Parlament das Protokoll zum Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zur Ratifizierung vorlegen. Wahrscheinlich werde dieses Abkommen bald ratifiziert.
Schwierigkeiten um das Gebiet Kaliningrad stufte Kossatschow jeweils als systemische und nichtsystemische ein. Zu der ersten Kategorie gehören die Unterschiede in geltenden Regelungen. Damit würden die beteiligten Seiten wohl klarkommen, ist Kossatschow überzeugt. Mit der zweiten Kategorie sehe es aber komplizierter aus. Beunruhigend sei etwa die immer zäher werdende Position Litauens. Das lettische Parlament habe kürzlich eine Resolution über die Bedingungen des Personentransports über Litauen für Einwohner Kaliningrads verabschiedet. Diese Resolution stelle die Umsetzung der zwischen Russland und der EU getroffenen Vereinbarung über die Einführung eines visafreien Schnellzugverkehrs in Frage.
Hollands Botschafter in Russland, Tiddo Hofstee, wies in seinem Beitrag darauf hin, die EU werde mit einer ganzen Reihe von Binnenproblemen konfrontiert. Die Europäische Union wolle zwei Aufgaben zugleich lösen. Bei der ersten gehe es um die geographische Erweiterung, bei der zweiten um die innere Stärkung. Die Beziehungen mit Russland seien für Brüssel sehr wichtig. Worauf sich Russland aber konzentriere (etwa die Gründung gemeinsamer vier Räume), unterscheide sich aber manchmal von dem, was die EU im Visier habe. (RIA)
Zitat:Die Superaufgabe von Präsident Putinhttp://russlandonline.ru/mainmore.php?tp...iditem=177
„Russland will ein demokratischer, Marktwirtschafts- und Sozialstaat werden und wird es sein", erklärte Russlands Präsident Wladimir Putin, als er auf dem Kongress der Nachrichtenagenturen in Moskau auf Fragen antwortete.
Noch vor einem Monat hätte man diese Worte als eine der üblichen Redewendungen aus dem wohl bekannten gehobenen Sprachschatz Wladimir Putins aufgenommen. Jetzt lassen sie sich schon kaum als unverbindliche Banalität bezeichnen, sondern eher als Andeutung eines politischen Programmes, eine Art Treueid, der in der Minute einer schweren Wahl geschworen wird.
Es hat keinen Sinn, sich der bitteren Wahrheit zu entziehen: Der Terrorismus ist für das heutige Russland tatsächlich zu einer solchen Bedrohung geworden, die dessen bisherige Leistungen auf dem Wege zur Demokratie und Marktwirtschaft in Frage stellt.
Ist ein Rücklauf möglich? Ob und wieviel Freiheit muss man um der Sicherheit willen aufgeben? Diese Fragen stellen sich heute wahrscheinlich nicht nur politische Analytiker in Russland und im Ausland, sondern auch Präsident Putin selbst.
Bei den Problemen des russischen Präsidenten handelt es sich nicht um persönliche Probleme Wladimir Putins, der nach einem neuen, der Lage entsprechenden politischen Stil suchen muss, sondern vor allem um Probleme Russlands, die mit seiner zweiheitlichen Stellung in der Welt von heute verbunden sind: Einerseits ist Russland ein Teil der westlichen Zivilisation, bekennt sich seit Jahrhunderten zu den gleichen Werten und strebt nach den gleichen Idealen. Andererseits ist Russland das schwächste Glied der westlichen Zivilisation, eine Stelle, an der viele von deren Problemen - seien es die Wirtschaft, die Politik, die Finanzen oder die Sicherheit - auch seit Jahrhunderten am schärfsten an die Oberfläche kommen.
Heute kämpft der Westen, verkörpert durch die USA und deren Verbündete, gegen den internationalen Terrorismus in Irak und Afghanistan. Bei diesem Kampf macht man natürlich Fehler, nicht alle Schritte werden gut überlegt, was gewisse Spannungen unter den westlichen Staaten und heftige politische Streite in diesen Staaten hervorruft. Aber davon ist jetzt nicht die Rede. Russland ist in einer grundsätzlich anderen Situation: Es muss nämlich auf dem eigenen Territorium gegen den internationalen Terrorismus kämpfen. Und dieser Kampf kann nicht umhin, die Besonderheiten der russischen Demokratie und Marktwirtschaft wesentlich zu beeinflussen.
Putins Superaufgabe besteht daher darin, diesen Einfluss zu minimieren und die Werte und Ideale der Gesellschaft, die ihn zum Präsidenten wählte, vor ihm zu behüten. Aus der Bewusstheit dieser Tatsache erklären sich wahrscheinlich seine nachdrücklichen Vorschläge, eine Gesellschaftliche Kammer zu gründen, welche die Handlungen der Macht kontrollieren würde, und die gesellschaftliche Aufsicht über die Geheimdienste zu verstärken.
Putins neue Formel muss lauten: „Staat und Gesellschaft sind Verbündete und Partner im Kampf gegen den Terrorismus. Im Alleingang ist sowohl der Staat als auch die Gesellschaft zur Niederlage verurteilt."
Ob Putin seiner Superaufgabe gewachsen ist, wird die Zeit zeigen. Die Absicht, mit ihr fertig zu werden, hat er allerdings schon bekundet. (Juri Filippow, politischer Beobachter der RIA Nowosti)