Täuschen und Tarnen
#26
Zitat:Im Übrigen sind die Serben auf genau die selben Tricks reingefallen. So wurden komplette Frontabschnitte der Kroaten von in den Boden gesteckten Ofenrohren gehalten...
Tom hat recht, hab mich Anfang der 90`ziger selbst davon überzeugen können was man alles für Tricks angewendet hat um dem Gegner entweder eigene Stärke vorzutäuschen oder vermeintliche Ziele zu bieten. Da die Kroaten ganz zu Anfang des Krieges relativ wehrlos dastanden, vor allem was schwerere Waffen angeht, nicht zuletzt wegen der Auflösung der Territorialverteidigung und den Abzug beinahe der gesamten Bestände der Jugoslawischen Volksarmee nach Serbien und die Serbengebiete in Kroatien und Bosnien, sowie natürlich dem verhängten Waffenembargo, mußte man auf einiges aus der Trickkiste zurückgreifen. Stellungen wurden wie von Tom beschrieben als Geschützstellungen "getarnt", mit irgendwelchen Rohren auf Gestellen, Raketenatrappen u.ä. aufgestellt, dazwischen vereinzelt nach den ersten erfolgreichen Erstürmungen der verbliebenen Kasernen und Waffenlager der ein oder andere "echte" Panzer oder Geschütz postiert, somit konnte man durch gelegentliches zurückschiessen die Illusion aufrechterhalten alles sei "echt". Da die JNA wusste was an Beständen da war, was erbeutet wurde und was in den Kämpfen verloren ging, hat man über die Medien und Rundfunk dauernd von Waffenlieferungen und Schmuggel von vermeintlichen Verbündeten berichtet, teilweise real, oftmals natürlich übertrieben, um die vorgetäuschten Waffen auch zu begründen. Von den vorhandenen, anfangs meißt erbeuteten schweren Waffen wurden die sichtbaren Nummerierungen entfernt um eine Zuordnung zu einzelnen Einheiten zu verschleiern sowie die zahlenmäßige Einschätzung der eigenen Bestände durch den feind zu verhindern. Die Abschreckung hat in vielen Fällen funktioniert, da bei so mancher Offensive sonst diese mit kaum etwas aufgehalten werden konnte. Habe selbst an der Front so allerhand "Reaktiviertes" Kriegsgerät aus dem WWII gesehen, wie z.B. einige deutsche 88 ´er, britische 25 Pfünder, Russische ZIS und andere Geschütze aus dem Waffenmuseum, sowie der ein oder Andere T-34 oder M-36, wofür die passende Muni in Kleinwerkstätten produziert wurde, auch wurden zig tausende alter Infanteriewaffen instandgesetzt wie Mauserkarabiner, MG3, M48, Thompson u.v.m.. Ebenso wurden alle Jägervereinigungen und Privatleute aufgefordert zu den jeweiligen Stäben alles mitzubringen was noch halbwegs schiesst, mit ein Grund das man somit Verteidiger mit diversen Jagdgewehren, Pumpguns und Schrotflinten mit an der Front antraf, dennoch gab es bis ca. Anfang 1992 noch immer mehr Freiwillige als bewaffnet werden konnten. Nach und nach im Verlaufe des Krieges wurden die Atrappen immer weiter mit erbeuteten und geschmuggelten Waffen real aufgefüllt, ebenso die Infanteriebewaffnung nach und nach, je nach Zulauf erneuert und ausgetauscht, gleichzeitig wurde aber weiter an der Täuschtaktik festgehalten um dem Gegner eine noch größere Stärke vorzugaukeln als diese wirklich vorhanden war, bis man dann bis 1995 genügend Waffen zur Verfügung hatte um die damals rd. 300.000 Mann starke kroatische Armee, die gerne mal mit 500.000 angegeben wurde ausreichend gut zu bewaffnen und die Operationen Zima 94 ( Winter 94 ), Skok 1 und 2 ( Sprung 1 und 2 )Bljesak ( Blitz ), Ljeto 95 ( Sommer 95 ), Oluja ( Sturm ), Maestral und Juzni Potez ( Südlicher Zug ) erfolgreich durchzuführen.
Eine der besten Aktionen die ich mitbekommen habe nördlich von Split war das die Feuerleitstelle der damaligen JNA abgehört wurde samt allen Passwörtern und Codes, sowie dank einiger Überläufer und Deserteure, dann "neue" Koordinaten durchgegeben wurden, was dazu führte das eine noch unter der JNA Kontrolle stehende Kaserne samt Waffendepot sowie die Stellungen der JNA von der eigenen JNA Artillerie beschossen wurden.

Aus Aluminiumrohren, Schwarzpulver, diversen chemischen Mischungen aus Karbit und Phosphor u.ä. sowie Dynamit wurden zu Beginn des Krieges aus purer Not heraus auch "Raketen" selbst gebaut, ähnlich denen die die Palästinenser gelegentlich Richtung Israel schicken, die zwar weder in ihrer Reichweite, Wirkung noch Präzision diesen Namen eigentlich verdient hätten, aber dennoch auf den Gegner psychologischen Effekt hatten da diese so gebaut wurden das sie möglichst viel Lärm schon während des Fluges erzeugen und die 1-2 Kg Dynamit im Sprengkopf gewissen Schaden anrichteten, falls die Rakete halbwegs in die Nähe potentieller "Ziele" kam, was eher Glückstreffer waren.

In Vukovar gab es eine Einheit die "Krtica" (Maulwurf) genannt wurde. Diese haben auf Grund nur weniger oder ganz fehlender AT-Waffensysteme oder Raketen Panzerhaftminen oder selbstgebaute Sprengsätze aus einigen Kilo Bergbaudynamit auf den Rücken geschnallt und sind gut getarnt mit Tarnnetzen u.ä. stundenlang langsam kriechend an die serbischen Panzer oder Geschützstellungen gekrochen, oftmals alleine bei Nacht, tagsüber so gut es ging gedeckt durch Sniper. Einiges an schwerem Gerät und Panzern konnte so zerstört werden was sich sonst ausser Reichweite befand, diesem Himmelfahrtskommando fiel aber ein Teil der Einheit durch Entdeckung zum Opfer.

Die Auslieferung des damals modernsten und neuesten Raketenschnellbootes auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslavien, vorgesehener Name Sergej Masera, später von der kroatischen Marine auf Kralj ( König ) Petar Kresimir IV ( Kroatischer König 11. Jahrhundert ) getauft wurde 1991 kurz vor Auslieferung in Sibenik heimlich von den kroatischen Werftarbeitern selbst sabotiert sowie technische Störungen hervorgerufen wurden und konnte nicht auslaufen bzw. der JRM, Jugoslavenska Ratna Mornarica ( Jugoslavische Kriegsmarine ) übergeben werden, dies wurde dadurch immer wieder verzögert und verhindert bis die neu entstehende kroatische Marine alle ehemaligen Basen und Militärhäfen der JRM auf kroatischem Staatsgebiet unter ihre Kontrolle brachte, incl. dieses Schiffes sowie rd. 30 weiterer Schiffe und Schnellboote.

Täuschen, Infiltrieren, Sabotieren, Propaganda, psychologische Kriegsführung und Tarnung sind neben der Kampfmoral und der Vaterlandsliebe, sowie der Situation Familie und Haus schützen zu müssen sehr wichtige Bestandteile der Kriegsführung, um wie man im ehemaligen Jugoslawien sowie Vietnam, Afghanistan und anderswo sehen konnte auch um einen quantitativ weit überlegenen Gegner aufhalten zu können.
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