22.09.2004, 23:18
Jetzt erst recht im Iran
Großbritannien, Frankreich und Deutschland stehen vor den Trümmern ihrer Vermittlung - von Gudrun Harrer
Was Javier Solana, Koordinator der EU-Außenpolitik, meint, wenn er im Zusammenhang mit dem Iran von "anderen Mechanismen, die wir eigentlich nicht bevorzugen" spricht, ist klar: Die EU könnte auf die harte Linie der USA einschwenken und Sanktionen befürworten, wenn nicht der Iran auf jene Teile seines Atomprogramms verzichtet, die das Land Atomwaffen näher bringen würde. Der Iran hat auf die am Samstag von der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) verabschiedete Resolution - ein Kompromisspapier, bei dem die USA zurückstecken mussten - so überzogen reagiert, dass man sich fragen muss, was passiert wäre, wenn der Text schärfer ausgefallen wäre.
Großbritannien, Frankreich und Deutschland, die sich auf ihre EU-3-Initiative viel zugute hielten, stehen vorerst einmal vor den Trümmern ihrer Vermittlung. Man muss sich ernsthaft fragen, wie manche Missverständnisse zustande kommen konnten: Der Iran behauptet ja, dass ihm im Tausch für Offenheit und Transparenz von den Europäern Technologietransfer versprochen wurde - von dem jetzt keine Rede mehr ist.
Mehr dazu im Standard, Der Standard, 22.09.2004
Grundlage Legitimität
21. September 2004 nbu. Deutlicher kann man seine Mißachtung eines UN-Organs kaum zum Ausdruck bringen: Drei Tage nachdem die Internationale Atomenergiebehörde von Iran die Aussetzung jeder Urananreicherung verlangt hat, beansprucht die Teheraner Regierung, Vorprodukte für ebendieses hochsensible Verfahren herzustellen. Staatspräsident Chatami, den der Westen lange als Partner betrachtet hat, läßt noch dazu wissen, daß Iran im Zweifelsfall ohne "internationale Aufsicht" mit seinem Atomprogramm fortfahren werde. Das heißt wohl, daß die Inspekteure der Wiener Behörde kurz davor stehen, des Landes verwiesen zu werden.
Überraschend kommt das nicht. Seit mehr als einem Jahr versucht jene Handvoll Staaten, die ihren Willen gerne als den der "Staatengemeinschaft" ausgibt (Amerika und die Europäer), Iran vom Aufbau eines Nuklearprogramms abzuhalten. Nur eine kurze Zeit lang, nach dem Irak-Krieg nämlich, zeigte man sich in Teheran gewillt, auf solche Forderungen einzugehen. Seit Bush im irakischen Treibsand feststeckt, haben die Iraner aber immer forscher deutlich gemacht, daß sie nicht gewillt sind, auf die Nutzung der Kernenergie zu verzichten. Da hat es auch nicht viel geholfen, daß die Europäer immer wieder Geld und andere Annehmlichkeiten geboten haben. In Teheran weiß man genau, welch hohen strategischen Wert es für eine Mittelmacht im Nahen Osten hat, sich die Möglichkeit zum Bau von Atomwaffen zu verschaffen. Die Aussicht auf Technologietransfer aus Europa und auf Handelsabkommen mit der Europäischen Union sind da nur billige Glasperlen.
Man wird Deutschland, Großbritannien und Frankreich, die in der Sache für die EU sprechen, nicht vorwerfen können, daß dieser Zug nicht aufzuhalten ist. In Nordkorea läßt sich besichtigen, wie schwer sich auch größere Mächte damit tun, dem neuen nuklearen Wettrüsten in der Dritten Welt Einhalt zu gebieten. Über eines sollte man hierzulande aber noch einmal nachdenken: Die Europäer erheben immer wieder das Völkerrecht zum Maßstab aller Außenpolitik. Von den Iranern verlangen sie aber, auf die Urananreicherung zu verzichten, obwohl jeder Nation im Nichtverbreitungsvertrag das Recht zugestanden wird, diese und andere Nukleartechnologien zu betreiben. Diesmal, so scheint es, haben auch die Europäer vergessen, daß Legitimität die Grundlage einer klugen Außenpolitik ist.
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.09.2004, Nr. 221 / Seite 1
Großbritannien, Frankreich und Deutschland stehen vor den Trümmern ihrer Vermittlung - von Gudrun Harrer
Was Javier Solana, Koordinator der EU-Außenpolitik, meint, wenn er im Zusammenhang mit dem Iran von "anderen Mechanismen, die wir eigentlich nicht bevorzugen" spricht, ist klar: Die EU könnte auf die harte Linie der USA einschwenken und Sanktionen befürworten, wenn nicht der Iran auf jene Teile seines Atomprogramms verzichtet, die das Land Atomwaffen näher bringen würde. Der Iran hat auf die am Samstag von der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) verabschiedete Resolution - ein Kompromisspapier, bei dem die USA zurückstecken mussten - so überzogen reagiert, dass man sich fragen muss, was passiert wäre, wenn der Text schärfer ausgefallen wäre.
Großbritannien, Frankreich und Deutschland, die sich auf ihre EU-3-Initiative viel zugute hielten, stehen vorerst einmal vor den Trümmern ihrer Vermittlung. Man muss sich ernsthaft fragen, wie manche Missverständnisse zustande kommen konnten: Der Iran behauptet ja, dass ihm im Tausch für Offenheit und Transparenz von den Europäern Technologietransfer versprochen wurde - von dem jetzt keine Rede mehr ist.
Mehr dazu im Standard, Der Standard, 22.09.2004
Grundlage Legitimität
21. September 2004 nbu. Deutlicher kann man seine Mißachtung eines UN-Organs kaum zum Ausdruck bringen: Drei Tage nachdem die Internationale Atomenergiebehörde von Iran die Aussetzung jeder Urananreicherung verlangt hat, beansprucht die Teheraner Regierung, Vorprodukte für ebendieses hochsensible Verfahren herzustellen. Staatspräsident Chatami, den der Westen lange als Partner betrachtet hat, läßt noch dazu wissen, daß Iran im Zweifelsfall ohne "internationale Aufsicht" mit seinem Atomprogramm fortfahren werde. Das heißt wohl, daß die Inspekteure der Wiener Behörde kurz davor stehen, des Landes verwiesen zu werden.
Überraschend kommt das nicht. Seit mehr als einem Jahr versucht jene Handvoll Staaten, die ihren Willen gerne als den der "Staatengemeinschaft" ausgibt (Amerika und die Europäer), Iran vom Aufbau eines Nuklearprogramms abzuhalten. Nur eine kurze Zeit lang, nach dem Irak-Krieg nämlich, zeigte man sich in Teheran gewillt, auf solche Forderungen einzugehen. Seit Bush im irakischen Treibsand feststeckt, haben die Iraner aber immer forscher deutlich gemacht, daß sie nicht gewillt sind, auf die Nutzung der Kernenergie zu verzichten. Da hat es auch nicht viel geholfen, daß die Europäer immer wieder Geld und andere Annehmlichkeiten geboten haben. In Teheran weiß man genau, welch hohen strategischen Wert es für eine Mittelmacht im Nahen Osten hat, sich die Möglichkeit zum Bau von Atomwaffen zu verschaffen. Die Aussicht auf Technologietransfer aus Europa und auf Handelsabkommen mit der Europäischen Union sind da nur billige Glasperlen.
Man wird Deutschland, Großbritannien und Frankreich, die in der Sache für die EU sprechen, nicht vorwerfen können, daß dieser Zug nicht aufzuhalten ist. In Nordkorea läßt sich besichtigen, wie schwer sich auch größere Mächte damit tun, dem neuen nuklearen Wettrüsten in der Dritten Welt Einhalt zu gebieten. Über eines sollte man hierzulande aber noch einmal nachdenken: Die Europäer erheben immer wieder das Völkerrecht zum Maßstab aller Außenpolitik. Von den Iranern verlangen sie aber, auf die Urananreicherung zu verzichten, obwohl jeder Nation im Nichtverbreitungsvertrag das Recht zugestanden wird, diese und andere Nukleartechnologien zu betreiben. Diesmal, so scheint es, haben auch die Europäer vergessen, daß Legitimität die Grundlage einer klugen Außenpolitik ist.
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.09.2004, Nr. 221 / Seite 1