Indonesien
#14
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/606/34572/">http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/a ... 606/34572/</a><!-- m -->
Zitat:02.07.2004 17:24 Uhr


Indonesien

Mit Turnschuhen in die Zukunft


Konzerne wie Adidas wollen nicht als Ausbeuter dastehen, die Bedingungen in Indonesiens Fabriken sind deshalb besser geworden – und die Jobs sind begehrt.
...
„Wir sind keine Maschinen“ – unter diesem Titel hatte die Nichtregierungsorganisation Oxfam 2002 einen Bericht über Arbeitsbedingungen in indonesischen Fabriken veröffentlicht, die zu hundert Prozent für westliche Konzerne fertigen.

Daraus wurde eine Beschwerde gegen Verletzung der OECD-Arbeitsrichtlinien, über die bis vor wenigen Tagen Adidas und die Clean Clothes Campaign (CCC) beim Berliner Bundeswirtschaftsministerium als nationaler Kontaktstelle stritten.
....
„Der Fall der Ngadinah Mawardi hat die Augen geöffnet“, sagt Carmelo Noriel von der UN-Arbeitsorganisation ILO in Jakarta. 2001 wurde die bei PT Panarub beschäftigte Arbeiterin von der Polizei festgenommen – wenige Monate zuvor hatte sie als Vertreterin der kleinen, radikalen Gewerkschaft Perbupas einen Streik organisiert. Der Fall erregte internationales Aufsehen. Adidas, besorgt um sein Image, intervenierte massiv bei der Regierung. Ngadinah kam frei.

Oxfam und die CCC legten nach, warfen Adidas weiterhin Unregelmäßigkeiten bei der Bezahlung und Schikanen vor. Der Konzern reagierte. Obwohl das Unternehmen stolz auf sein System der Kontrolle von Arbeitsbedingungen verweist, beauftragte es das unabhängige amerikanische Workers Rights Consortium (WRC) mit einer Untersuchung seines Zulieferers PT Panarub.

Der kürzlich veröffentlichte Bericht zeigt säuberlich und erbarmungslos die Ergebnisse von mehr als 150 Befragungen auf. Keine großen Skandale sind darunter, aber viele, zu viele kleine Missstände: An der Heißklebe-Maschine fanden die Inspektoren Arbeiter mit Brandwunden, weil ihnen die Handschuhe fehlten. Manche Aufseher hätten Näherinnen an den Haaren gezogen und beschimpft, hörten die WRC-Leute. Mitarbeiter sprachen von einem „Klima der Angst“. Und vier renitente Mitglieder der Perbupas-Gewerkschaft seien erst willkürlich versetzt, dann „ungesetzlich entlassen“ worden.
...
Transparenz ist angesagt
Adidas reagierte erneut, in fast allen Punkten will der Konzern einlenken. Vierteljährlich will das Unternehmen nun über die Fortschritte bei der Umsetzung der WRC-Empfehlungen berichten – Transparenz ist angesagt. Die Perbupas-Aktivisten sind bereits wieder eingestellt worden. Die firmeneigene Poliklinik soll künftig alle Familienmitglieder der Arbeiter kostenfrei behandeln.
Auch Hendrik Sasmito, Direktor von Panarub, gibt klein bei: „Vielleicht waren wir etwas stur, weil wir so lange immer mit nur einer Gewerkschaft zu tun hatten statt mit mehreren. Aber Adidas hat uns da voran geschubst.“
...
Andere Maßstäbe
...
„Die wirklich schlimmen Arbeitsbedingungen sind in einheimischen Kleinunternehmen zu finden, wo Arbeiter von morgens sieben bis abends zehn Uhr schuften und ihren Schlafplatz in der Werkstatt auf dem Fußboden haben.“ In Bereichen, die von der Globalisierung kaum erfasst sind.

Länder ohne freie Gewerkschaften
Seit die Gewerkschaften in Indonesien erstarkt seien, klagt Hariono, verlagerten die Konzerne ihre Produktion nach China oder Vietnam – in Länder ohne freie Gewerkschaften. Paradebeispiel ist für ihn die Schließung der indonesischen Nike-Fabrik Doson vor zwei Jahren.
Dies, nicht die Arbeitsbedingungen bei Panarub, seien die wahren Folgen der Globalisierung. Dass die Verlagerung etwas mit den Gewerkschaften zu tun hat, bestreiten die Arbeitgeber. Tatsächlich tobt aber in Indonesien eine Debatte über zu hohe Arbeitskosten und einen zu wenig flexiblen Arbeitsmarkt – ganz wie in Deutschland, nur auf ungleich niedrigerem Niveau.
Die Zahl der Beschäftigten in der indonesischen Schuh-Industrie stürzte staatlichen Daten zufolge von 2002 zu 2003 um sechzig Prozent auf 128.000 ab. Arbeitgeberverbände machen den seit 1999 verdreifachten Mindestlohn dafür verantwortlich, der faktisch ein Standardlohn ist.
Zugleich aber schwand die Kaufkraft. Zahlen der US-indonesischen Handelskammer belegen, dass in Dollar gerechnet der Lohn sogar sank. Das Mindestentgelt liegt demnach unter dem von Niedriglohn-Konkurrenten wie den Philippinen oder China, wenn auch über Vietnam.
So dürften die wahren Nachteile des Standorts Indonesien andere sein: geringe Produktivität infolge schlechter Bildung, die unsichere Entwicklung der jungen Demokratie, das Terrorrisiko in dem islamischen Land; vor allem aber staatliche Bürokratie, Korruption und mangelnde Rechtssicherheit.

Lohnkosten fallen kaum ins Gewicht
Vertrauliche, wenige Jahre alte Daten von Nike-Indonesien aber zeigen: Bei den teuersten Modellen zahlt die Marke der Fabrik 20 US-Dollar pro Paar, bei den Spitzenmodellen wie dem „Air Max“ meist aber nur die Hälfte. Der Anteil der Lohnkosten hieran beträgt je nach Arbeitsaufwand zwischen 1,12 und 1,53 Dollar – fällt also kaum ins Gewicht.
Weder Adidas noch Nike wollen diese Rechnung bestätigen, aber sie gilt so oder so ähnlich noch immer für alle Sportschuhmarken. Das bedeutet: Eine Lohnerhöhung beispielsweise um 50 Prozent würde den Endverkaufspreis nur um vielleicht 60 Euro-Cent erhöhen. Wäre also eine große Veränderung für die Arbeiter nur eine kaum merkliche für die Konsumenten?
....
(SZ vom 03.07.04)
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema

Gehe zu: