14.07.2025, 08:43
Nur weil jemand bestimmte Thesen ablehnt, bzw. diese kritisch sieht, heißt das ja nicht umgekehrt, dass er von dem Gesamtwerk nicht stark beeinflusst wäre. Die Auffassung von Betz, der moderne Krieg, insbesondere die Ansicht, der zukünftige Krieg, der La guerre moderne sei einer im Inland, eine inländische Angelegenheit, ein Bürgerkrieg, Massen-Terrorismus et al kommen nun mal direkt von Trinquier her, welcher dies als erster genau so formuliert hat.
Es ist in diesem Kontext übrigens grundfalsch, Trinquier immer nur auf seine Thesen zu Verhörmethoden hin zu reduzieren, zumal er auch in Bezug auf diese keineswegs nur einfache Folter meint.
Die Zerstörung (Auslöschung) der feindlichen Organisation bedeutet im weiteren bei Trinquier keineswegs, dass man deren Angehörige allesamt umbringt.
Keine Regeln einzuhalten (“no-holds-barred approach” ) ist jedoch zwingend erforderlich und der Westen scheitert exakt deshalb im Bereich COIN, weil er versucht hier stark regelbasiert zu agieren. Umgekehrt bedeutet keinerlei Regeln einzuhalten keineswegs dass man deswegen zwingend "Böse" handelt oder handeln muss.
Das Problem ist hierbei, dass Menschen mit Regellosigkeit schlecht umgehen können, weil zu viele Menschen (eine Minderheit zwar, aber eine ausreichend große) sofort anfangen Machtmissbrauch zu betreiben und "Böse" zu handeln, wenn keinerlei Regeln und Beschränkungen unterworfen sind. In diesem Wechselspiel von menschlicher Unzulänglichkeit und der Notwendigkeit der Regellosigkeit gelingt oder scheitert COIN.
Umgekehrt unterliegt der Insurgent keinen Beschränkungen und erlangt genau dadurch die Vorteile, welche Trinquier für den Konterinsurgenten nutzbar machen will. Denn in den meisten Fällen setzen Insurgenten ihren Einfluss keineswegs durch "Hearts and Minds" durch, und auch nicht durch Propaganda, Manipulation etc. sondern sie setzen ihn durch folgende drei Bereiche durch:
1. Terror (gegen die Zivilbevölkerung). Schlussendlich zwingend sie damit die Mehrheit auf ihre Seite. Und schlussendlich ist dies nichts anderes als das was der Staat auch macht: nämlich ein Gewaltmonopol aufbauen und seine Herrschaft mit Gewalt durchsetzen und legitimieren, was die Grundlage jedes Staates ist. Durch diese Gewalt bauen die Insurgenten:
2. einen Gegenstaat auf, also eine klandestine Organisation welche in einer Parallelwelt einen Parallelstaat erschafft. Dieser durchdringt die Gesellschaft und es ist diese Durchdringung, welche den Sieg des Insurgenten herbei führt. Entsprechend führt umgekehrt absolut kein Weg an der Zerstörung dieser Organisation vorbei und ja, dafür muss man deren Angehörige ausschalten (im weitesten Sinne).
3. Strategische Umstände - wozu insbesondere gehört, dass es bestimmte politische Bedingungen gibt, welche für den Insurgenten förderlich sind (insbesondere folgende drei: politische Ungerechtigkeiten, ausländische Unterstützer, Inkompetenz des Konterinsurgenten)
Die französische Doktrin zeichnet sich in diesem Kontext als Antwort auf diese drei Grundprobleme meiner Ansicht nach durch drei primäre Eigenheiten aus:
1. Sie ist Bevölkerungszentrisch. Es steht also eben nicht der Partisan / Terrorist / Freiheitskämpfer im Mittelpunkt, sondern die Bevölkerung. Das ist schon mal meist das erste große Missverständnis. Man reduziert die französische Doktrin auf die Bekämpfung der Gegner, diese ist in ihr aber nur eines der Mittel zum Zweck.
2. Sie vertritt die Ansicht, dass der Krieg gegen solche Gegner extralegal geführt werden muss. Denn sie geht davon aus, dass man die konventionelle, unflexible Denkweise des Militärs wie der sonstigen notwendigen Sicherheitsorgane nicht im Rahmen legaler Wege überwinden kann und dass diese die eigene Kriegsführung zu sehr einschränken. Wenn man wie der Gegner kämpfen will, der sich ja außerhalb jedweden Rechts stellt, muss man selbst auch außerhalb jedweden Rechts agieren. Die These ist, dass man wie der Gegner agieren muss, dass dies aber innerhalb eines legalen beschränkten Rahmens nicht möglich ist.
3. Sie vertritt eine negative Auffassung in Bezug auf die Bevölkerung / Gesellschaft, sie ist also geprägt von Negativismus und Pessimismus was die Menschen angeht als auch was die möglichen Erfolge angeht. Menschen sind keine guten Wesen die es vor dem Feind zu retten gilt, deren Köpfe und Herzen man durch Gutes und positive Handlungen für sich gewinnen kann, Menschen unterwerfen sich den Terroristen mehrheitlich auch nicht weil sie deren Auffassungen besser finden, sondern aus Angst, Gier, rein rationalen selbstischen Motiven und persönlichen Vorteilen. Und sie schließen sich umgekehrt dem Konterinsurgent ebenfalls nur aus solchen Motiven an und nicht weil er der Gute ist. Schlussendlich vertritt die französiche Doktrin damit ein negatives Menschenbild. Und sie geht davon aus, dass man keinen sauberen Krieg führen kann, sie vertritt also auch ein negatives Kriegsbild.
Das Problem dass sich aus diesem Dreiklang ergibt ist, und das hat auch schon Trinquier selbst so benannt und beschrieben, dass eine solche Grundauffassung wesentlich leichter dazu führt, dass (sinnlose, weil nicht dads Ziel befördernde) Verbrechen begangen werden, die dann den Erfolg gefährden, ihn zunichte machen oder das Gegenteil von dem herbei führen, was die französische Doktrin eigentlich erreichen will. Andererseits sind gezielte spezifische "Verbrechen" notwendig um erfolgreich zu sein. Moralisch wird dies damit begründet, dass die Trennung zwischen dem was vom Kriegs- und Völkerrecht her legal sein soll und dem was nicht legal sein soll eine vollständig künstliche ist und dass diese Trennung vor allem anderen absolut heuchlerisch und sinnlos ist.
Ein praktisches Beispiel: es ist gerichtlich festgestellt völlig legal Bomben auf in einer Furt feststeckende Tanklaster zu werfen und damit um die 80 Zivilisten zu töten, darunter etliche Kinder, aber es wäre nicht legal gezielt auch nur einen Verdächtigen der bei dem Tanklaster war heimlich zu entführen und verschwinden zu lassen. Dies ist eben nach Auffassung der französischen Doktrin reine Heuchelei, verlogen und absurd.
In ihre negativen und pessimistischen Sichtweise auf die Menschheit und vor allem auf den Krieg selbst, ist Krieg der französischen Doktrin gemäß an sich immer ein Verbrechen und ist jedwede Legalisierung des Krieges und eine Trennung von legalen und illegalen Handlungen rein künstlich, heuchlerisch, verlogen und dient nur dazu die eigene Gewalt zu pseudolegitimieren.
Da diese Pseudolegitimiation von Gewalt im Modernen Krieg aber dem Feind nützt, ist sie untauglich und deshalb muss sie überwunden werden. Das ist die Kernaussage. Dass man etwaig, falls notwendig, also Folter einsetzt, ist nicht der Kern der Sache, sondern allenfalls eine mögliche Folge dieser Grundauffassung.
Womit wir beim Kernproblem von Betz sind:
Dieser schreibt, dass Demokratien (an dieser Stelle würde Trinquier höhnisch lachen) sich den Weg zum Erfolg nicht herbei-töten können. Und dass dies strategisch zur Niederlage führen muss. Er geht aber diesen gedanklichen Weg nicht konsequent weiter.
Denn die zwingende Schlussfolgerung daraus ist, dass "westliche liberale Demokratien" ganz grundsätzlich gegen jeden Insurgenten verlieren werden.
Und in Bezug auf seine These inländischer Kriege und Bürgerkriege bedeutet dies, dass "die Demokratie", also der Staat, diese Bürgerkriege verlieren wird, und er in der Folge dessen durch andere Machtstrukturen ersetzt wird, oder dass die "Demokratie" zwar siegt, aber dann keine Demokratie mehr ist, sondern entsprechend eine Gewaltherrschaft.
Tatsächlich aber verlieren auch Gewaltherrschaften, Diktaturen usw. regelmäßig gegen Insurgenten und sind echte Demokratien gegen Insurgenten in Wahrheit deutlich wehrhafter. Denn in einer Demokratie würde selbst bei einer regellosen, keinerlei Beschränkungen unterworfenen Kriegsführung diese durch die Kultur der Demokratie selbst so geleitet werden, dass es weniger Verbrechen, Machtmissbrauch und negative Fernwirkungen aus der Regellosigkeit heraus gibt, als in einer Autokratie, Diktatur etc.
Im weiteren muss man auch die Frage nach der Definition von strategischem Erfolg stellen. Was ist überhaupt ein strategischer Erfolg in diesem Kontext ?! Hier neigt Betz zu sehr dazu, eindeutige Ergebnisse (Sieg des Staates und der Demokratie) - also totalitäre Kriegsziele - zu vertreten. Totalitär deshalb, weil diese Ziele zu allumfassend, zu weitgehend und zu ehrgeizig sind.
Die französische Doktrin kennt keine solchen totalitären Kriegsziele. Entsprechend hat Frankreich in Algerien auch nicht wegen der Folter dort verloren, sondern aus ganz anderen Gründen. Aber um beschließend nochmal auf die Frage von Verhörmethoden einzugehen:
Was hier grundsätzlich immer völlig ignoriert wird ist, dass Trinquier in Bezug auf die Folter wie sie in Algerien angewandt wurde extrem kritisch war. Seiner Ansicht nach hätten Terroristen einen ganz regulären Kombattantenstatus erhalten sollen, hätte man Folter dort wo sie notwendig ist in Begleitung von Ärzten und auch Psychologen anwenden sollen - und hätte jeder Terrorist ganz normal als Kriegsgefangener alle Rechte eines regulären Soldaten diesbezüglich bekommen. Für Trinquier waren Terroristen ganz normale Soldaten und es gab eben keinen Unterschied zwischen einem Soldaten und einem Terroristen. Entsprechend hätte man beide gleich behandeln müssen. Auch so ein Punkt der von Grund nicht verstanden wird.
Schlussendlich verkennt Betz meiner Meinung nach, dass jede Art von Krieg folgende einfache Grundeinteilung aufweist:
Eine Gruppe und eine andere Gruppe kämpfen gegeneinander. Dazwischen steht die Mehrheit der Bevölkerung, welche eigentlich überwiegend neutral ist. Beide Gruppen versuchen nun mit allen Mitteln, diese Mehrheit der Bevölkerung zu kontrollieren und damit für ihre Zielsetzung nutzbar zu machen. Im vorliegenden Fall haben wir also einen Insurgenten (Minderheit) und "den Staat" (Minderheit). Beide versuchen nun die Bevölkerung auf ihre Seite zu bringen, mit Zwang, mit Manipulation, mit Propaganda, mit Terror, mit Folter, mit Entwicklungshilfe, mit wirtschaftlichen Vorteilen, mit Bestechung, mit Korruption - mit was auch immer.
Wirklich relevant aber ist die Frage der Organisation beider Seiten und inwieweit diese Organisation innerhalb der zu beeinflussenden Mehrheit verwurzelt ist, inwieweit sie diese also durchdrungen hat und welche reale Macht sie innerhalb der Mehrheit ausüben kann. Das heißt alle genannten Methoden dienen nur der Ausbreitung der Macht der Organisation, wozu diese quantitativ wachsen muss, sie in der Gesellschaft ausbreiten muss und diese Macht auch real anwenden können muss.
Der Sieg für den Insurgenten erfolgt dann nicht daraus, dass der Wille des Konterinsurgenten unzureichend wird - wie das die modernen Thesen immer hervor heben, der Kampf des Insurgenten ist also keiner gegen den Konterinsurgenten (dass ist allenfalls indirekt so), sondern es ist ein Kampf um die Machtausübung über die Bevölkerung. Und entsprechend folgt der Sieg des Insurgenten zwingend und nicht mehr abwendbar, wenn dieser seinen Gegenstaat / Schattenstaat / Parallelstaat durchgesetzt hat und dieser stabil und nachhaltig verankert ist.
Es spielt dann gar keine Rolle mehr, ob der Konterinsurgent noch jahrelang weiter kämpft oder nicht, sich militärisch halten kann oder nicht, sobald der Gegenstaat des Insurgenten nachhaltig verankert ist, hat der Konterinsurgent verloren.
Deshalb sind alle Thesen, welche davon ausgehen, dass es um den Willen geht, und um die Moral usw. falsch. Menschen unterwerfen sich mehrheitlich auch hier und jetzt dem Staat nicht aus moralischen Gründen, sondern weil diverse subtile Zwänge - aber schlussendlich hinter diesen immer die subtile verborgene Gewaltandrohung sie dazu zwingen. Und entsprechend wird auch die Bevölkerung gezwungen, mehr oder weniger offen, mit mehr oder weniger Gewalt, aber sie wird gezwungen und nicht überzeugt.
Wir können daher versuchen was immer wir wollen, um die Zivilbevölkerung zu überzeugen, sie wird sich dem Feind zuwenden, gleichgültig wie gut wir sind, gleichgültig wieviel Gutes wir für sie tun, wenn der Gesamtzwang des Feindes stärker ist als der unsere. Oder um diesen Gedanken noch fortzuführen: echte Überzeugung ist nicht das was den Sieg bringt, sondern künstliche Überzeugung.
Dazu muss die Bevölkerung vor allem anderen glauben (mit der Betonung auf Glauben), dass der Konterinsurgent siegen wird. Und dazu muss der Gegenstaat des Insurgenten vernichtet werden, denn ansonsten ist dieser viel unmittelbarer und direkter wirkend als der Staat und kann dieser Glaube an den Sieg des Konterinsurgenten nicht herbei geführt werden.
In Bezug auf die von Betz beschriebenen Bürgerkriegssszenarien, welche ich ja schon seit vielen vielen Jahren für den Westen propagiert habe, bedeutet dies, dass der Staat hierzulande verlieren wird, sollte es den "Aufständischen" gelingen einen entsprechenden Gegenstaat erfolgreich in der Gesellschaft zu verankern. Denn kann man wie andernorten auch jahrelang nach Belieben Gutes tun und Whak an Terrorist spielen, man wird trotzdem verlieren.
Entsprechend wäre es absolut wesentlich, so früh und so radikal wie möglich jede Art von feindlicher Organisation innerhalb der eigenen Bevölkerung so weitgehend wie möglich auszuschalten (im weitesten Sinne).
Das von Betz beschriebene Szenario wird also nur dann eintreten, wenn man dies nicht tut und den Zeitpunkt verpasst, wo dies noch leicht möglich ist. Sobald hier eine ausreichende, kritische Masse erreicht wird, ist dann der Bürgerkrieg bzw. die Insurgency hier im Inland nicht mehr verhinderbar.
Es ist in diesem Kontext übrigens grundfalsch, Trinquier immer nur auf seine Thesen zu Verhörmethoden hin zu reduzieren, zumal er auch in Bezug auf diese keineswegs nur einfache Folter meint.
Die Zerstörung (Auslöschung) der feindlichen Organisation bedeutet im weiteren bei Trinquier keineswegs, dass man deren Angehörige allesamt umbringt.
Keine Regeln einzuhalten (“no-holds-barred approach” ) ist jedoch zwingend erforderlich und der Westen scheitert exakt deshalb im Bereich COIN, weil er versucht hier stark regelbasiert zu agieren. Umgekehrt bedeutet keinerlei Regeln einzuhalten keineswegs dass man deswegen zwingend "Böse" handelt oder handeln muss.
Das Problem ist hierbei, dass Menschen mit Regellosigkeit schlecht umgehen können, weil zu viele Menschen (eine Minderheit zwar, aber eine ausreichend große) sofort anfangen Machtmissbrauch zu betreiben und "Böse" zu handeln, wenn keinerlei Regeln und Beschränkungen unterworfen sind. In diesem Wechselspiel von menschlicher Unzulänglichkeit und der Notwendigkeit der Regellosigkeit gelingt oder scheitert COIN.
Umgekehrt unterliegt der Insurgent keinen Beschränkungen und erlangt genau dadurch die Vorteile, welche Trinquier für den Konterinsurgenten nutzbar machen will. Denn in den meisten Fällen setzen Insurgenten ihren Einfluss keineswegs durch "Hearts and Minds" durch, und auch nicht durch Propaganda, Manipulation etc. sondern sie setzen ihn durch folgende drei Bereiche durch:
1. Terror (gegen die Zivilbevölkerung). Schlussendlich zwingend sie damit die Mehrheit auf ihre Seite. Und schlussendlich ist dies nichts anderes als das was der Staat auch macht: nämlich ein Gewaltmonopol aufbauen und seine Herrschaft mit Gewalt durchsetzen und legitimieren, was die Grundlage jedes Staates ist. Durch diese Gewalt bauen die Insurgenten:
2. einen Gegenstaat auf, also eine klandestine Organisation welche in einer Parallelwelt einen Parallelstaat erschafft. Dieser durchdringt die Gesellschaft und es ist diese Durchdringung, welche den Sieg des Insurgenten herbei führt. Entsprechend führt umgekehrt absolut kein Weg an der Zerstörung dieser Organisation vorbei und ja, dafür muss man deren Angehörige ausschalten (im weitesten Sinne).
3. Strategische Umstände - wozu insbesondere gehört, dass es bestimmte politische Bedingungen gibt, welche für den Insurgenten förderlich sind (insbesondere folgende drei: politische Ungerechtigkeiten, ausländische Unterstützer, Inkompetenz des Konterinsurgenten)
Die französische Doktrin zeichnet sich in diesem Kontext als Antwort auf diese drei Grundprobleme meiner Ansicht nach durch drei primäre Eigenheiten aus:
1. Sie ist Bevölkerungszentrisch. Es steht also eben nicht der Partisan / Terrorist / Freiheitskämpfer im Mittelpunkt, sondern die Bevölkerung. Das ist schon mal meist das erste große Missverständnis. Man reduziert die französische Doktrin auf die Bekämpfung der Gegner, diese ist in ihr aber nur eines der Mittel zum Zweck.
2. Sie vertritt die Ansicht, dass der Krieg gegen solche Gegner extralegal geführt werden muss. Denn sie geht davon aus, dass man die konventionelle, unflexible Denkweise des Militärs wie der sonstigen notwendigen Sicherheitsorgane nicht im Rahmen legaler Wege überwinden kann und dass diese die eigene Kriegsführung zu sehr einschränken. Wenn man wie der Gegner kämpfen will, der sich ja außerhalb jedweden Rechts stellt, muss man selbst auch außerhalb jedweden Rechts agieren. Die These ist, dass man wie der Gegner agieren muss, dass dies aber innerhalb eines legalen beschränkten Rahmens nicht möglich ist.
3. Sie vertritt eine negative Auffassung in Bezug auf die Bevölkerung / Gesellschaft, sie ist also geprägt von Negativismus und Pessimismus was die Menschen angeht als auch was die möglichen Erfolge angeht. Menschen sind keine guten Wesen die es vor dem Feind zu retten gilt, deren Köpfe und Herzen man durch Gutes und positive Handlungen für sich gewinnen kann, Menschen unterwerfen sich den Terroristen mehrheitlich auch nicht weil sie deren Auffassungen besser finden, sondern aus Angst, Gier, rein rationalen selbstischen Motiven und persönlichen Vorteilen. Und sie schließen sich umgekehrt dem Konterinsurgent ebenfalls nur aus solchen Motiven an und nicht weil er der Gute ist. Schlussendlich vertritt die französiche Doktrin damit ein negatives Menschenbild. Und sie geht davon aus, dass man keinen sauberen Krieg führen kann, sie vertritt also auch ein negatives Kriegsbild.
Das Problem dass sich aus diesem Dreiklang ergibt ist, und das hat auch schon Trinquier selbst so benannt und beschrieben, dass eine solche Grundauffassung wesentlich leichter dazu führt, dass (sinnlose, weil nicht dads Ziel befördernde) Verbrechen begangen werden, die dann den Erfolg gefährden, ihn zunichte machen oder das Gegenteil von dem herbei führen, was die französische Doktrin eigentlich erreichen will. Andererseits sind gezielte spezifische "Verbrechen" notwendig um erfolgreich zu sein. Moralisch wird dies damit begründet, dass die Trennung zwischen dem was vom Kriegs- und Völkerrecht her legal sein soll und dem was nicht legal sein soll eine vollständig künstliche ist und dass diese Trennung vor allem anderen absolut heuchlerisch und sinnlos ist.
Ein praktisches Beispiel: es ist gerichtlich festgestellt völlig legal Bomben auf in einer Furt feststeckende Tanklaster zu werfen und damit um die 80 Zivilisten zu töten, darunter etliche Kinder, aber es wäre nicht legal gezielt auch nur einen Verdächtigen der bei dem Tanklaster war heimlich zu entführen und verschwinden zu lassen. Dies ist eben nach Auffassung der französischen Doktrin reine Heuchelei, verlogen und absurd.
In ihre negativen und pessimistischen Sichtweise auf die Menschheit und vor allem auf den Krieg selbst, ist Krieg der französischen Doktrin gemäß an sich immer ein Verbrechen und ist jedwede Legalisierung des Krieges und eine Trennung von legalen und illegalen Handlungen rein künstlich, heuchlerisch, verlogen und dient nur dazu die eigene Gewalt zu pseudolegitimieren.
Da diese Pseudolegitimiation von Gewalt im Modernen Krieg aber dem Feind nützt, ist sie untauglich und deshalb muss sie überwunden werden. Das ist die Kernaussage. Dass man etwaig, falls notwendig, also Folter einsetzt, ist nicht der Kern der Sache, sondern allenfalls eine mögliche Folge dieser Grundauffassung.
Womit wir beim Kernproblem von Betz sind:
Dieser schreibt, dass Demokratien (an dieser Stelle würde Trinquier höhnisch lachen) sich den Weg zum Erfolg nicht herbei-töten können. Und dass dies strategisch zur Niederlage führen muss. Er geht aber diesen gedanklichen Weg nicht konsequent weiter.
Denn die zwingende Schlussfolgerung daraus ist, dass "westliche liberale Demokratien" ganz grundsätzlich gegen jeden Insurgenten verlieren werden.
Und in Bezug auf seine These inländischer Kriege und Bürgerkriege bedeutet dies, dass "die Demokratie", also der Staat, diese Bürgerkriege verlieren wird, und er in der Folge dessen durch andere Machtstrukturen ersetzt wird, oder dass die "Demokratie" zwar siegt, aber dann keine Demokratie mehr ist, sondern entsprechend eine Gewaltherrschaft.
Tatsächlich aber verlieren auch Gewaltherrschaften, Diktaturen usw. regelmäßig gegen Insurgenten und sind echte Demokratien gegen Insurgenten in Wahrheit deutlich wehrhafter. Denn in einer Demokratie würde selbst bei einer regellosen, keinerlei Beschränkungen unterworfenen Kriegsführung diese durch die Kultur der Demokratie selbst so geleitet werden, dass es weniger Verbrechen, Machtmissbrauch und negative Fernwirkungen aus der Regellosigkeit heraus gibt, als in einer Autokratie, Diktatur etc.
Im weiteren muss man auch die Frage nach der Definition von strategischem Erfolg stellen. Was ist überhaupt ein strategischer Erfolg in diesem Kontext ?! Hier neigt Betz zu sehr dazu, eindeutige Ergebnisse (Sieg des Staates und der Demokratie) - also totalitäre Kriegsziele - zu vertreten. Totalitär deshalb, weil diese Ziele zu allumfassend, zu weitgehend und zu ehrgeizig sind.
Die französische Doktrin kennt keine solchen totalitären Kriegsziele. Entsprechend hat Frankreich in Algerien auch nicht wegen der Folter dort verloren, sondern aus ganz anderen Gründen. Aber um beschließend nochmal auf die Frage von Verhörmethoden einzugehen:
Was hier grundsätzlich immer völlig ignoriert wird ist, dass Trinquier in Bezug auf die Folter wie sie in Algerien angewandt wurde extrem kritisch war. Seiner Ansicht nach hätten Terroristen einen ganz regulären Kombattantenstatus erhalten sollen, hätte man Folter dort wo sie notwendig ist in Begleitung von Ärzten und auch Psychologen anwenden sollen - und hätte jeder Terrorist ganz normal als Kriegsgefangener alle Rechte eines regulären Soldaten diesbezüglich bekommen. Für Trinquier waren Terroristen ganz normale Soldaten und es gab eben keinen Unterschied zwischen einem Soldaten und einem Terroristen. Entsprechend hätte man beide gleich behandeln müssen. Auch so ein Punkt der von Grund nicht verstanden wird.
Schlussendlich verkennt Betz meiner Meinung nach, dass jede Art von Krieg folgende einfache Grundeinteilung aufweist:
Eine Gruppe und eine andere Gruppe kämpfen gegeneinander. Dazwischen steht die Mehrheit der Bevölkerung, welche eigentlich überwiegend neutral ist. Beide Gruppen versuchen nun mit allen Mitteln, diese Mehrheit der Bevölkerung zu kontrollieren und damit für ihre Zielsetzung nutzbar zu machen. Im vorliegenden Fall haben wir also einen Insurgenten (Minderheit) und "den Staat" (Minderheit). Beide versuchen nun die Bevölkerung auf ihre Seite zu bringen, mit Zwang, mit Manipulation, mit Propaganda, mit Terror, mit Folter, mit Entwicklungshilfe, mit wirtschaftlichen Vorteilen, mit Bestechung, mit Korruption - mit was auch immer.
Wirklich relevant aber ist die Frage der Organisation beider Seiten und inwieweit diese Organisation innerhalb der zu beeinflussenden Mehrheit verwurzelt ist, inwieweit sie diese also durchdrungen hat und welche reale Macht sie innerhalb der Mehrheit ausüben kann. Das heißt alle genannten Methoden dienen nur der Ausbreitung der Macht der Organisation, wozu diese quantitativ wachsen muss, sie in der Gesellschaft ausbreiten muss und diese Macht auch real anwenden können muss.
Der Sieg für den Insurgenten erfolgt dann nicht daraus, dass der Wille des Konterinsurgenten unzureichend wird - wie das die modernen Thesen immer hervor heben, der Kampf des Insurgenten ist also keiner gegen den Konterinsurgenten (dass ist allenfalls indirekt so), sondern es ist ein Kampf um die Machtausübung über die Bevölkerung. Und entsprechend folgt der Sieg des Insurgenten zwingend und nicht mehr abwendbar, wenn dieser seinen Gegenstaat / Schattenstaat / Parallelstaat durchgesetzt hat und dieser stabil und nachhaltig verankert ist.
Es spielt dann gar keine Rolle mehr, ob der Konterinsurgent noch jahrelang weiter kämpft oder nicht, sich militärisch halten kann oder nicht, sobald der Gegenstaat des Insurgenten nachhaltig verankert ist, hat der Konterinsurgent verloren.
Deshalb sind alle Thesen, welche davon ausgehen, dass es um den Willen geht, und um die Moral usw. falsch. Menschen unterwerfen sich mehrheitlich auch hier und jetzt dem Staat nicht aus moralischen Gründen, sondern weil diverse subtile Zwänge - aber schlussendlich hinter diesen immer die subtile verborgene Gewaltandrohung sie dazu zwingen. Und entsprechend wird auch die Bevölkerung gezwungen, mehr oder weniger offen, mit mehr oder weniger Gewalt, aber sie wird gezwungen und nicht überzeugt.
Wir können daher versuchen was immer wir wollen, um die Zivilbevölkerung zu überzeugen, sie wird sich dem Feind zuwenden, gleichgültig wie gut wir sind, gleichgültig wieviel Gutes wir für sie tun, wenn der Gesamtzwang des Feindes stärker ist als der unsere. Oder um diesen Gedanken noch fortzuführen: echte Überzeugung ist nicht das was den Sieg bringt, sondern künstliche Überzeugung.
Dazu muss die Bevölkerung vor allem anderen glauben (mit der Betonung auf Glauben), dass der Konterinsurgent siegen wird. Und dazu muss der Gegenstaat des Insurgenten vernichtet werden, denn ansonsten ist dieser viel unmittelbarer und direkter wirkend als der Staat und kann dieser Glaube an den Sieg des Konterinsurgenten nicht herbei geführt werden.
In Bezug auf die von Betz beschriebenen Bürgerkriegssszenarien, welche ich ja schon seit vielen vielen Jahren für den Westen propagiert habe, bedeutet dies, dass der Staat hierzulande verlieren wird, sollte es den "Aufständischen" gelingen einen entsprechenden Gegenstaat erfolgreich in der Gesellschaft zu verankern. Denn kann man wie andernorten auch jahrelang nach Belieben Gutes tun und Whak an Terrorist spielen, man wird trotzdem verlieren.
Entsprechend wäre es absolut wesentlich, so früh und so radikal wie möglich jede Art von feindlicher Organisation innerhalb der eigenen Bevölkerung so weitgehend wie möglich auszuschalten (im weitesten Sinne).
Das von Betz beschriebene Szenario wird also nur dann eintreten, wenn man dies nicht tut und den Zeitpunkt verpasst, wo dies noch leicht möglich ist. Sobald hier eine ausreichende, kritische Masse erreicht wird, ist dann der Bürgerkrieg bzw. die Insurgency hier im Inland nicht mehr verhinderbar.