Strategie & Taktik
#19
Da Logistikketten kein spannendes Thema sind, eine Ergänzung:

Manoeuvre Warfare vs Combined Arms Warfare im Bezug auf den Einsatz mechanisierter Truppen:

Prämisse:
- die Bundeswehr versteht unter mechanisierten Truppen, primär schwer gepanzerte Verbände (Panzer/-grenadiere)
- der taktisch/operativer Ansatz der BW ist das Gefecht der verbundenen Waffen (Combined Arms)

Ziele:
Combined Arms:

Zitat:Kampf- und Schützenpanzer werden im Gefecht nicht als einzelne Fahrzeuge eingesetzt, da sonst ihre Schwächen deutlich zutage treten können. Meistens bilden gepanzerte Kräfte einen Verbund. Im Zusammenwirken mit anderen Waffengattungen sind sie am stärksten, indem sie flexibel und schlagkräftig einen mehrere Kilometer breiten Gefechtsstreifen verteidigen oder in dieser Breite angreifen können. Das ist das sogenannte Gefecht der verbundenen Waffen.
In der Offensive ist damit der Durchbruch bzw. der Frontalangriff gemeint.

https://www.bundeswehr.de/de/organisatio...en-5674062

Manoeuvre Warfare:

Zitat:The key element of maneuver warfare is the disruption and disorganization of the enemy rather than a fixation with the kill-this-and-kill-that syndrome. The maneuver style of war is more psychological in its destruction of the enemy, whereas firepower-attrition war is more physical. With maneuver warfare, the precept is to create for the enemy as many unanticipated and threatening situations as possible, while at the same time seeking out tactical advantages on the battlefield. This seeking out of advantages will require the use of opportunity tactics coupled with bold aggressive action and individual initiative.

Zitat:The tactics must be coordinated in succession or simultaneous, complex for the enemy commander, rapid, and yet – surprisingly to most – they must be abstract as well. By being abstract and versatile it allows our forces to avoid formulistic procedures.

https://www.mca-marines.org/gazette/the-...e-concept/
https://cove.army.gov.au/article/manoeuv...you-use-it

Das sind zwei völlig verschiedene Ansätze, welche völlig verschieden Anforderungen an mechanisierte Truppen haben.
Allerdings sind in der Manöverkriegsführung Elemente des Combined Arms Ansatz enthalten. Die Ziele und die "Mentalität" sind verschieden.

Moderne Manöverkriegsführung:
2022 Kharkiv Gegenoffensive:
Zitat:The counteroffensive — revised this summer from its original form after urgent discussions between senior U.S. and Ukrainian officials — has succeeded beyond most predictions. Ukrainian forces have devastated Russian command and control, and appear poised to capitalize on their advances in the northeast of the country and in another campaign in the south.
https://www.nytimes.com/2022/09/13/us/po...agon.htmle
https://en.wikipedia.org/wiki/2022_Khark...al_advance
als Video:
[Video: https://www.youtube.com/watch?v=rVkmCB0f...WarArchive]

Kurz:
- Ablenkungsmanöver
- Ausschalten feindliche Kommandeure
- Einsickern leichter Einheiten statt Durchbruch schwerer Panzerkräfte
- präzise Artillerie
- Lufthoheit

Die mechanisierten Kräfte waren hier nicht unbedingt die Frontkräfte. Sie stießen in den Lücken welche die eingesickerten leichte Kräfte gerissen haben und sicherten den Angriff ab. Die Zerschlagung der feindlichen Kräften erfolgten als sie den Rückzug antraten.
In den Rücken schießen ist immer einfacher.

Zukunft:
Zitat:Updating maneuver warfare to “system disruption warfare” would better stress disrupting adversary systems across all domains. This comports with existing Marine Corps doctrine. “Surfaces and gaps” must be thought of in all dimensions, including time, and domains, not simply as dashing through weak spots in a cloud of dust, driving for the enemy’s rear.45 Moreover, combined arms must shift from simple “steel-on-target” thinking to degrading an opponent’s ability to observe and disrupting the coherence of his whole system. This is not to diminish firepower and lethality, but instead to promote the integration of all warfighting functions across all domains.

https://www.usni.org/magazines/proceedin...ust-evolve

Mein Fazit:
Mechanisierte Kräfte müssen (wie von Quintus beschrieben) deutlich leichter und beweglicher (taktisch/strategisch) werden. Sie müssen sich der gegnerischen Aufklärung zumindest temporär entziehen können. Das kann durch Tarnung geschehen (schwierig) geschehen oder sie müssen im Verbund mit anderen Kräften die feindliche (zumindest kurzfristig) Aufklärung effektiv unterdrücken können.
Noch wichtiger ist ein taktischen Umdenken. Die Zeitfenster für offensive Gelegenheiten werden immer kürzer.
Frontalangriffe auf vorbereitete Gegner müssen unter allen Umständen vermieden werden. Das bedeutet das auch gewichtige, weitreichende Entscheidungen (ohne Rücksprache mit dem HQ) von den Offizieren vor Ort getroffen werden müssen. Mut zum Risiko.
Schwer gepanzerte Großverbände (Panzergrenadierbrigaden) sind als Hauptverband des Heeres nicht mehr Zeitgemäß. Drohnen, Eloka, Artillerie, Sturmpioniere, Spezialeinheiten (jede IDF Brigade hat eine Sayeret Einheit) müssen schon auf einer niedrigeren operativen Ebenen als die Division/Korps zusammenarbeiten.

Ergänzung:
Danke Quintus. Sehr lesenswerter Beitrag über die Panzergeschichte.


(08.07.2025, 09:15)Schneemann schrieb: Denn entweder trat man mit den mechanisierten Kräften an, als die Böden und das Klima es wegen der Verschlammung nicht zuließen - so wie die Russen (man denke an die 60 km lange Kolonne zu Kriegsbeginn, die sich krampfhaft auf einer Hauptverkehrsachse konzentrierte und natürlich keinen Meter vorankam) - oder man rannte direkt gegen Panzersperren und Minenriegel an (wie die Ukrainer 2023), was natürlich ebenso nicht sinnvoll war. Dazu kommen noch Drohnen, Artillerie und auch die eine oder andere ATGM, die Erschwernisse bedeuten.

In Sachen Ausreden können es die Panzeranhänger mit Fregattenfans aufnehmen. Irgendwas ist immer, aber wenn dann mal alle Faktoren stimmen, sind die Systeme richtig gut ,versprochen.
Ein nicht ernstgemeinter schlechter Witz.

(08.07.2025, 09:15)Schneemann schrieb: Ich schätze aber, dass die Frontlinien dennoch sehr labil sind. Man kämpft quasi mit Drohnen und Artillerie, weil man ansonsten die erstarrten Linien kaum richtig abdecken könnte. Einem gut geführten Ansatz mit schweren mechanisierten Kräften dürften die Linien kaum standhalten. Und wenn erst einmal das Hinterland erreicht ist, ist die Sache gelaufen.

Man hat es durchaus versucht. Es gelang nur nicht. Historisch betrachtet ist selbst gut vorbereitete leichte Infanterie, für Panzertruppen ein nahezu unüberwindbares Hindernis.
In das Hinterland, auch das kurz hinter Front, gelangt man besser mit einsickernden leichten Kräften.
Infiltration ist aufgrund moderner Überwachungsmethoden meines Erachtens die einzig vertretbare Methode um ausgebaute Stellungen zu überwinden. Selbst das wird schwierig.
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