06.07.2025, 13:58
(05.07.2025, 22:48)Quintus Fabius schrieb: Richtig, aber es sollen ja nicht 300 oder 500 Leopard 2 neu beschafft werden, sondern es sollen 1000 Leopard 2 beschafft werden.Falls es wirklich dazu kommt, dürfte es sich um einen Rahmenvertrag handeln, mit weiteren Kunden als lediglich dem deutschen Heer. Ich bezweifle, dass am Ende tatsächlich 1.000 Leoparden auf den Hof rollen werden.
Davon abgesehen ist auch nicht gesagt, dass es sich bei der abgerufenen Zahl ausschließlich um Kampfpanzer handeln wird. Es besteht ein Bedarf an einer hohen zweistelligen, vielleicht dreistelligen Zahl an Wannen für Funktionsfahrzeuge.
(05.07.2025, 22:48)Quintus Fabius schrieb: Und woran machst du diesen vermeintlichen Rezenzeffekt fest ? Das ich gegen die völlig sinnfrei und kontextlos im Raum stehende Beschaffung von 1000 Kampfpanzern bin ?Du hältst sie für sinnfrei. Ob sie tatsächlich sinnfrei ist, darüber kann man vortrefflich streiten.
Und was heißt schon "kontextlos". Der unmittelbare Kontext besteht darin, dass man nun die finanziellen Mittel hat, um einen seit Jahren bekannten Mangel abzustellen. Ich wüsste nicht, warum man darauf verzichten sollte. Es entsteht kein Schaden daraus, dass man es tut, im Gegenteil. Selbst wenn ich mir z.B. nicht sicher bin, ob ich das richtige Schuhwerk für den Weg habe, der vor mir liegt, kann die gescheitere Alternative ja nicht darin bestehen, dass ich barfuß losmarschiere.
(05.07.2025, 22:48)Quintus Fabius schrieb: Oder das ich gar nichts über Drohnen geschrieben habe ?Es geht im Übrigen ja nicht allein um Drohnen. Deine Beiträge zur Zukunft der Kriegsführung in diesem Forum—und speziell in diesem Faden—legen nahe, dass Du das herkömmliche Gefecht der verbundenen Waffen insgesamt für obsolet erachtest. Du plädierst für einen grundlegenden Wandel, einen radikalen Paradigmenwechsel.
Meiner Wahrnehmung nach leitest Du Deine Schlussfolgerungen v.a. aus den Beobachtungen in der Ukraine ab. Natürlich bist Du in dieser Hinsicht nicht allein, es gibt viele Stimmen, die Dir beipflichten. Aber genauso, wie die Gegenmeinung (die ich mir zu Eigen gemacht habe) Gefahr läuft, sich von Beharrungskräften ausbremsen zu lassen, läuft die Forderung nach einem radikalen Umdenken Gefahr, voreilig verallgemeinernde Lehren aus anekdotischer Evidenz ziehen zu wollen.
@Galileo meinte spaßeshalber, Du seiest nie zufrieden. Mein Eindruck ist, dass Du allzu grundsätzlich den Entscheidungsebenen nichts zutraust und das Heil im technischen Fortschritt und in radikaler Ablehnung von Doktrinen suchst. Diese Einschätzung kann ich nicht teilen.
(05.07.2025, 22:48)Quintus Fabius schrieb: Ich schrieb stattdessen, dass die Führung dieser Bundeswehr in einer bloßen Strukturextrapolierung feststecktDas dürfte aber eine Fehleinschätzung sein, weil es jedenfalls einstweilen darum geht, nur auf dem Papier vorhandene Strukturen überhaupt einmal effektiv zu hinterlegen. Ironischerweise ähnelt Deine Argumentation hier ein wenig der Argumentation der "Aufrüstungsgegner", die übersehen, dass wir zurzeit eher "mit dem Abrüsten aufhören", als tatsächlich aufzurüsten.
(05.07.2025, 22:48)Quintus Fabius schrieb: […] und nicht aus ihrem konventionellen Denken ausbrechen kann.Was nur ein Problem ist, wenn dieses konventionelle Denken nicht länger zielführend sein sollte. Davon abgesehen, und darauf zielte meine Kritik in dieser Hinsicht ab: Ist dieses "konventionelle Denken" denn wirklich bundeswehrspezifisch, geschweige denn ein bundeswehrspezifisches Problem? Handelt es sich nicht vielmehr um das, was man die westliche Lehrmeinung nennen könnte?
(05.07.2025, 22:48)Quintus Fabius schrieb: Exakt dieses Denken meine ich. In die Tiefe wohin ? Mit welchem Zweck ? In welchem Kontext ?Zunächst einmal—und das ist keine rhetorische Frage—: Warum sollten abstrakte Antworten nicht genügen?
Im Sinne Clausewitz’ ist die Armee nur ein Werkzeug, oder besser gesagt, ein Werkzeugkasten, und die Armeeführung hat dafür Sorge zu tragen, dass Werkzeuge für die wichtigsten denkbaren Anwendungen vorhanden sind. Der Anwendungsfall muss nicht bis ins letzte Detail konkretisierbar sein, um denkbar zu sein, es genügt, wenn die Erfahrung lehrt, dass er denkbar ist.
Die Antwort auf Deine Frage "… wohin?" ließe sich in diesem Sinne durchaus hinreichend beantworten mit: "Dorthin, wo es nötig sein wird." Denn so lange sich eine Situation ergeben kann, in der ein mechanisierter Angriff als erfolgversprechend eingestuft werden darf, wird es sinnvoll sein, entsprechende Fähigkeiten vorzuhalten.
Die ukrainische Offensive in Kursk, die noch im Juli 2024 von so diversen Stimmen wie Markus Reisner, Ralph Thiele und Douglas Macgregor für unmöglich gehalten worden war, zeigt, dass es durchaus sinnvoll ist, konventionell aufgestellte mechanisierte Kräfte für Gelegenheitsangriffe vorzuhalten.
Davon abgesehen: Es gibt ja einen Kontext, einen Zweck, ein Ziel. Weiter im Folgenden.
(05.07.2025, 22:48)Quintus Fabius schrieb: Das Kriegshandwerk ist zunehmend zu bloßem magischen Denken verkommen. Man macht A, dann wird schon irgendwie auf magische Weise B und daraus der Sieg folgen.Der "Kontext", auf den das Heer zurzeit doch halbwegs konsequent ausgerichtet wird, stellt auf einen russischen Angriff auf die baltischen Staaten ab. Denn so unwahrscheinlich eine militärische Konfrontation zwischen NATO und Russland auch sein mag, so herrscht unter "westlichen" Beobachtern doch weitgehend Konsens: Das am wenigsten unwahrscheinliche aller unwahrscheinlichen Szenare geht dahin, dass Moskau den Wehrwillen der Europäer auf die Probe stellen und versuchen könnte, eine Landbrücke zu seiner Exklave Kaliningrad zu erobern.
Diese Vorstellung allein schon, dass dann hunderte Leopard 2 in einem sehr kleinen Zeitfenster in einem schnellen riskanten Stoß in die Tiefe des gegnerischen Raumes ansetzen mag für dich ja irgendwie strategisch sinnvoll erscheinen, aber es wäre zur höheren Wahrscheinlichkeit in den meisten Szenarien nur der sicherste Weg in die Niederlage und die Vernichtung dieser mechanisierten Einheiten.
Deutschland ist kein Frontstaat mehr. Man hat jedoch Raumverantwortung in Litauen übernommen, weil man—völlig zurecht—zur Einschätzung gelangt ist, dass der Schutz des Baltikums für uns strategische Relevanz besitzt. Es handelt sich um den einzigen Teil des Bündnisgebiets, den Russland zu erobern hoffen könnte, und falls die NATO hier nicht ihren Wehrwillen unter Beweis stellt, wird sie erpressbar und in eine geostrategisch unhaltbare Lage geraten.
Die permanente deutsche militärische Präsenz in Litauen ist daher nicht nur taktisch-operativ bedeutsam.
Die größte Herausforderung für das Heer würde darin bestehen, die PzBrig 45 im Krisenfall auf dem Landweg zu entsetzen. Bereits 2018 hat man eine solche Operation, inklusive Verlegeübung im Brigaderahmen, durchexerziert und festgestellt, dass russische oder weißrussische Truppen (unabhängig von ihrem Vorankommen in Litauen selbst) versuchen dürften, die Suwalki-Lücke schon in Polen zu sperren. In diesem Fall bräuchte man durchsetzungsstarke und mobile Kräfte, die den Gegner werfen oder niederhaltend umgehen könnten, um den Anschluss an die Verteidiger in Litauen zu erzielen.
Aus diesen Beobachtungen entwickelte man das Konzept der mittlere Kräfte, über dessen Details man natürlich großartig diskutieren kann; man wird jedoch nicht behaupten können, dass sich keiner etwas dabei gedacht hätte.
Die militärische Topografie Osteuropas und die Raumverantwortung für das doch recht kleine Litauen schreiben uns einen derart konkreten Anforderungskatalog ins Pflichtenheft, wie es ihn seit 35 Jahren nicht mehr gegeben hat, als man direkt in den Bereitstellungsräumen eines künftigen Krieges üben konnte.
Was soll daran nun "magisches Denken" sein?
Die Hauptaufgabe lautet, einem möglichen Angriff mit maximaler Härte an der wahrscheinlichsten Einfallstelle aufzuhalten, da ein allfälliger Krieg mit Russland schnell zu einem möglichst günstigen Abschluss gebracht werden muss, bevor das gegenseitige Drohen mit Nuklearwaffen zum Stillstand führt. Obendrein würde ein langer Krieg unsere Resilienz übersteigen.
Das weiß man in Straußberg auch und plant entsprechend. Weiter strategisch ausholen können muss die Bundeswehr nicht, weil wir keine Angriffs- oder Präemptivkriege führen werden.