20.04.2025, 14:41
(19.04.2025, 20:42)Schneemann schrieb: Bzgl. Iran und der Ajatollahs war es so, dass man 1979 und nach dem Sturz des Shah tatsächlich nach einer Lösung suchte, wie man mit den Mullahs zusammenarbeiten könnte, ja dass man im State Department und in Langley händeringend nach einer Art von Ansatz oder Idee auf eine Zusammenarbeit suchte - hinter den Kulissen, wohlgemerkt. Scholl-Latour hat dies einmal gut umschrieben. Nach der Botschaftsbesetzung und v. a. nach den Terrorakten der Hisbollah im Libanon in den 1980ern sah man den Iran aber als erzkonservatives Böses an (und der Iran gab allen Anlass, dass man es so sehen kann), und man schrieb es sich auf die Fahnen, diesem terroristischen Monster die Zähne zu ziehen. Dass man Saddam im 1. Golfkrieg dann unterstützte, hat auch damit zu tun. Der Blick auf manche Facette der iranischen Politik ging aber verloren.
Scholl-Latour finde ich auch sehr gut, aber diese Aussagen von ihm über eine geplante Zusammenarbeit der USA mit dem Iran kurz nach dem Sturz von Pahlawi ist mir entgangen. Zumal die von Dir zitierte Botschaftsbesetzung unmittelbar auf den Sturz erfolgte, existierte dieses vermeintliche Zeitfenster auch so nicht. Danach folgte die Unterstützung des mit Chemiewaffen geführten Krieges von Saddam Hussein und verschiedenen Terroranschlägen durch u.a. direkt von USA finanzierte "Oppositionskräfte". Nach 1991, 2001 und 2003 haben die USA das Machtgefüge im Mittleren Osten durcheinander gewühlt, es folgte IS und Al-Kaida und gleichzeitig ein völlig schamlos und unkontrolliert agierendes Israel (inkl. Blutdurst und Atomwaffen).
Gerade Peter Scholl-Latour hat immer wieder darauf hingewiesen, dass die einseitige Brandmarkung des Irans ein Fehler ist und man ebenfalls die Perspektive und das historische Gedächtnis der Iraner missversteht. im Umgang mit dem Iran betonte stets, dass der US-gestützte Sturz des iranischen Premierministers Mossadegh im Jahr 1953 durch die CIA einen nachhaltig wirkenden, tiefen Bruch im Vertrauen zwischen den beiden Ländern verursachte. Dieser Eingriff präge das iranische Selbstverständnis bis heute als (Zitat) "Demütigung und Schmach" und dies wäre der Ursprung einer (Zitat) "endlosen und tragischen Gegnerschaft" zwischen den USA und dem Iran. Ergo kenne ich hier andere Aussagen von ihm, die sich auch von mir persönlich besser in das Zeitgeschehen einordnen lassen.
Zitat:Aber II: Die fanatischen Blutsäufer der Säuberungen in Iran nach 1979, die Schwarzweißdenker auf iranischer Seite, ihr Fanatismus und ihr Wille, zwischen der US-Unterstützung Israels und dem Mossadegh-Sturz eine unabwendbare Schicksalsergebenheit des Kampfes hin zum "großen Satan" im Rahmen eines islamisch-schiitisch verklärten Antikolonialkampfes zu konstruieren - und nebenbei noch die Palästinenserfrage mit einzuspannen -, vernebelte es ihnen umgekehrt genauso, einen Ausgleich mit Washington zu suchen. Dass sie sich damit höchstselbst in einen Konflikt hineintrieben (den sie eigentlich gar nicht brauchen und auch nicht wirklich gewinnen konnten) und dass sie damit auch umgekehrt die Falken in den USA befeuerten, die ihnen in einem überdimensionierten Indianerkrieg nachzustellen trachteten und bereit waren, sahen sie natürlich nicht. Und sie wollen es heute immer noch nicht.
Naja, dann aber auch konsequent, denn auch zur politischen Agitation und dem Potential einer konstruktiven Zusammenarbeit hatte sich Peter Scholl-Latour wiederholt geäußert. So erkannte er, dass der Iran in einer zunehmend instabilen Region als stabiler Akteur fungiert. Er nannte den Iran sogar den (Zitat) "einzigen stabilen Faktor im Nahen Osten", insbesondere nach dem Rückzug der USA aus dem Irak und der Destabilisierung Syriens. Er sagte, dass diese geopolitische Rolle des Iran für den Westen großes Potential besitze, um mit dem Iran als zentraler Verhandlungspartner wieder Stabilität in der Region zu etablieren. Es ist tatsächlich auch weniger das iranische Modell dass man Verhandlungen und Interessensaustausch durch Gewalt ersetzt. PSL betonte gern, dass die Mullahs zwar eine theokratische Herrschaft ausüben, aber in vielen Punkten pragmatisch handeln. Er verwies auf die (Zitat) „politische Klugheit“ der iranischen Führung, insbesondere in außenpolitischen Fragen.
Tatsächlich lese ich die Iraner durch eigene Beobachtung und Einschätzung ebenso und das entspricht genau nicht dieser von Dir hier zitierten "blutrünstigen" Vorgehensweise. Blutvergießen ist aus iranischer Sicht eher zu vermeiden und wenn es stattfindet, dient es dem Ziel noch größeres Blutvergießen zu vermeiden. Ich würde sogar sagen, dass die Gegenseite diese Vorgehensweise mittlerweile als Schwäche ausgemacht hat. Denn die US-Zionisten handeln nicht so. Die vergießen Blut nach rein mathematischen Modellen, ökonomischen Zielen und auf der Basis von technischer Machbarkeit. Deine Einschätzung, diese Form des Machtmissbrauchs sei rationaler oder konstruktiver als jene der Mullahs, teile ich insofern so nicht. Und PSL würde das sicherlich bestätigen, wenn er noch könnte.
Zitat:Insofern: Ja, das Atomprogramm ist ein Aspekt, der Kern des Dilemmas ist aber älter und vielschichtiger. Und der Iran hat seinen großen Anteil.
Der Kern des Dilemmas ist die systematische Ausbeutung und Zerstörung der gesamten Region.