(Allgemein) Atomare Bewaffnung Deutschlands?
Diogenes:

Zitat:Man sollte jeden deutschen Politiker der irgendwas von EU Abschreckung faselt, direkt in den Knast stecken. Die lernen es sonst nie.

Schade das kein Daumen-hoch Lachgesicht gibt !

Werter Nightwatch:

Zitat:Mein Argument ist: Die Ukraine möchte eine Invasion abwehren und ihre Zerschlagung verhindern. Russland kann dies nicht erreichen, wenn es nach einem begrenzten ukrainischen Atomschlag massiv Counter Force Angriffe fährt. Damit kann es die Ukraine entgegen des eigenen Kriegszieles nur zerstören – und sich selbst im gleichen Atemzug mit. Das ist irrational und konträr zu Putins Gedankenwelt vom neuen Großrussischen Reich.

Mein erstes Argument ist: Russland muss keine massiven Counter Force Angriffe fahren um einen begrenzten Atomkrieg auf taktischer Ebene gewinnen zu können. Die Schäden wären im weiteren insgesamt betrachtet nicht größer als sie es jetzt auch sind, denn wie du richtig schreibst, sieht die Landschaft wenn sich die Russen durchgewühlt haben nicht Gros anders aus.

Die Ukraine schnell einzunehmen und schnell zum kollabieren zu bringen ist im weiteren exakt Putins Gedankenwelt vom neuen Großrussischen Reich. Ein begrenzter taktischer Nuklearkrieg (so er denn führbar wäre), würde daher genau Putins Zielsetzung entsprechend, weil er das Geschehen insgesamt leichter macht und ein ukrainischer Erstschlag den begrenzten Einsatz russischer taktischer Atomwaffen legitimieren würde.

Mein zweites Argument aber ist: dass eine Doktrin die auf einen rein konventionellen Angriff mit einem Erstschlag mit Atomwaffen reagiert nicht funktional ist, weil sich der Abtausch meiner Überzeugung nach praktisch überhaupt nicht begrenzen lässt. Damit endet jeder solche taktische Erstschlag im strategischen Atomkrieg. Und weil dies Fakt ist, wäre es unsinnig und einfach nur Selbstmord eine solche Doktrin zu verfolgen. Natürlich können Personen welche dies nicht erkennen, nicht verstehen oder anderweitig nicht wahrhaben wollen dann ignorieren und trotzdem auf die Wahnidee kommen, man käme mit einem begrenzten taktischen Erstschlag durch.

Nun ist in Wahrheit dein primäres Argument, dass genau diese Unbeherrschbarkeit und die Gefahr dass die Sache strategisch eskaliert die konventionelle Invasion verhindert. Die Kausalkette sei: Da eine konventionelle Invasion glaubhaft den taktischen Erstschlag auslöst führt dies automatisch zum strategischen Atomkrieg und damit führt der konventionelle Angriff zur beiderseitigen Vernichtung und kann daher nicht durchgeführt werden.

Wäre dem so stellt sich die Frage, warum dann überhaupt einen solchen taktischen Erstschlag ?! Dann könnte man auch gleich auf eine konventionelle Invasion strategische Erstschläge androhen. Im Kalten Krieg gab es übrigens insbesondere in Frankreich genau solche Überlegungen. Zuerst einen taktischen Angriff für den Fall der Invasion Frankreichs selbst, aber dies primär als Probe, als eine Art Test. Wenn der Gegner darauf hin sich zurück zog und selbst keine Atomwaffen einsetzte, dann wären im weiteren auch keine eingesetzt worden, im anderen Falle aber strategisch eskaliert worden.

In Wahrheit sind solche perversen Überlegungen aber einfach nur leicht daher geschrieben, in der praktischen Realität aber nicht umsetzbar.

Meine Haupthese ist daher: der begrenzte taktische Atomkrieg ist real praktisch nicht führbar, er eskaliert fast immer zwingend in unbeherrschbare Formen und damit ist er wertlos. Denn die ganze Idee, dass der taktische Erstschlag die konventionelle Invasion abwehrt bringt ja rein gar nichts, wenn beide Seiten dabei drauf gehen. Da könnte man auch gleich kapitulieren.

Und damit kommen wir zum Hauptproblem deiner Nuklearstrategie: der mangelnden Glaubhaftigkeit. Wenn der taktische Erstschlag schlussendlich die Bereitschaft zur gegenseitigen Vernichtung wegen einer konventionellen Invasion demonstrieren soll (und genau das sollte er beispielsweise in der früheren französischen Atomdoktrin), dann muss dahinter die Bereitschaft zum Massensuizid stehen und zur gnadenlosen Auslöschung des eigenen Volkes nur für den bloßen Machterhalt der Eliten die dieses beherrschen.

Diese Eliten müssten also dahingehend glaubhaft sein, ihr eigenes Volk auszulöschen, nur damit jemand anders es nicht regiert, und dass ist nicht glaubhaft im Fall der Ukraine. Es wäre ebensowenig glaubhaft wenn die Ukraine noch Atomwaffen gehabt hätte.

Deiner Nuklearstrategie fehlt die Glaubhaftigkeit, es gibt keinen begrenzten taktischen Atomkrieg da dieser real praktisch nicht geführt werden kann, aber selbst wenn: nehmen wir es mal rein theoretisch an es ginge doch, dann fehlt deinem begrenzten taktischen Atomkrieg der praktische Effekt. Denn entweder ist er begrenzt, dann ist er für den Verteidiger unzureichend, oder er ist nicht ausreichend begrenzt, dann eskaliert er.

Als praktisches Beispiel im Kontext der Ukraine:

Zitat:Der Einsatz von Atomwaffen erfolgt im ukrainisch-russischen bzw. weißrussischen Grenzgebiet, nicht erst wenn der Russe in irgendwelche Ballungszentren gefahren ist das sie das nicht können haben sie ja sehr anschaulich bewiesen.

Wenn die Ukraine aber taktische Nuklearwaffen hätte und eine glaubhafte Doktrin diese im Erstschlag bei einer konventionellen Invasion einzusetzen, dann würden die Russen absolut alles daran legen müssen, so schnell wie möglich sich in Ballungszentren festzusetzen. Desweiteren würden sie ihre Truppen dann stark dislozieren (müssen). Entsprechend wäre die Wirkung auf die Russen selbst massiv reduziert und die Wirkung auf die eigene Zivilbevölkerung drastisch erhöht.

Und da kommen wir meiner Meinung nach zu dem entscheidendsten Gedankenfehler bei dir: du beschreibst hier ein Szenario in welchem die Ukrainer Atomwaffen haben und eine glaubhafte Erstschlagdoktrin, aber die Russen handeln genau gleich wie bei ihrer Invasion 2022. Sowohl Angriffszeitpunkt als auch Angriffsachsen als auch Truppenkonzentration - auf russischer Seite alles gleich, aber auf ukrainischer Seite ist alles anders einschließlich Atomwaffen und Erstschlagdoktrin.

Das geht nicht zusammen. Wäre es so, würden auch die Russen (gezwungenermaßen) völlig anders handeln. Ein Musterbeispiel für diesen deinen Primär-Fehler:

Zitat:Rufe dir doch mal in Erinnerung wie das 2022 gewesen ist. Die Russen rückten in riesigen Kolonnen entlang von Hauptverkehrsadern vor. Wenn du da an Engstellen drei, vier Bomben im niedrigen einstelligen kT Bereich abwirfst geht da gar nichts mehr.

Hätte die Ukraine Atomwaffen und eine Erstschlagdoktrin, hätte es weder einen Angriff zu diesem, äußerst ungünstigen Zeitpunkt gegeben, noch hätte man solche Kolonnen gebildet.

Die übrigens von westlicher Artillerie und Kampfflugzeugen ebenso ganz leicht zerschlagen worden wären. Dafür braucht man nicht einmal taktische Atombomben. Aber wenn die Ukraine diese hätte, wären die Russen niemals zu diesem Zeitpunkt so vorgerückt und auch nicht entlang dieser Angriffsachse. Im übrigen widersprach das was die Russen da real gemacht haben selbst im rein konventionellen Bereich allen normalen militärischen Grundsätzen. Wäre die Ukraine nicht ebenfalls so unfähig gewesen und wäre sie nicht strategisch überrascht worden, dann wären diese Kolonnen noch ganz ohne jeden taktischen Atomwaffeneinsatz das Ende der Invasionstruppen gewesen.

Die Wahrscheinlichkeit dass die Russen derart immense Fehler machen sinkt aber, wenn sie der Gefahr taktischer Atomangriffe ausgesetzt sind. Die Wahrscheinlichkeit dass man ihre Invasionsstreitkräfte dann greifen kann, ist in diesem Fall dann sogar geringer.

Zitat:Demgegenüber, was wollen die Russen im Gegenzug bombardieren? Verteidigende Infanterie wird schwierig, die Infanterie hat überhaupt keine Stellung bezogen

Zum einen haben die Ukrainer durchaus etliche Truppenkonzentrationen gehabt, insbesondere bei der Artillerie. Der Gros der Ukrainer stand zudem recht geballt im Osten im Donbass. Desweiteren kann sich ein Verteidiger nicht nach belieben dislozieren, da er gewisse strategische Punkte, Räume, Linien usw. halten muss, ohne welche seine Verteidigung ganz genau so zusammen bricht.

Die Russen hätten sowohl im Osten die ukrainischen Stellungs- / Festungssysteme zerstören können einschließlich der dort stehenden ukrainischen Truppen, als auch sonst den Durchbruch auf wesentliche Punkte welche von den Ukrainern durchaus mit Stellungssystemen der Infanterie gehalten wurden erzwingen können. Man unterschätzt ganz allgemein, wie sehr der Erfolg der Ukrainer 2022 rein konventionellen Methoden geschuldet war, insbesondere auch ukrainischen Großkampfverbänden, einschließlich mechanisierten Einheiten und Artillerie. Das Bild der Drohnen war zu keinem Zeitpunkt weniger relevant als in der Anfangsphase.

Zitat:die Ukrainer können darauf verweisen (und es im Vorfeld ankündigen), dass es ihr gutes Recht ist sich mit allen Mitteln zu verteidigen und russische Invasionstruppen völlig legitime Ziele sind. Erst recht wenn die Bomben (größtenteils) noch über ukrainischen Gebiet niedergehen.

Wenn sie dies tun und dies glaubhaft ist, hätten die Russen nie in der Art angegriffen wie sie es dann getan haben. Es hätte weder die Kolonnen gegeben noch Kiew als erstes Primärziel. Und man hätte stattdessen mit der strategischen Überraschung welche ja geglückt ist zunächst mal mit Hochdruck seine Truppen inmitten der ukrainischen Bevölkerung untergebracht.

Mal abgesehen von allen berechtigten Zweifeln an der Glaubwürdigkeit einer solchen ukrainischen Selbstmordstrategie, die Wirkung wäre bei einem begrenzten Erstschlag für die Russen verkraftbar gewesen. Ad extremum hätte man nicht einmal mit Atomwaffen zurückschlagen müssen und hätte konventionell weiter kämpfen können.

Du überschätzt meiner Überzeugung nach in immensen Ausmaß die Wirkung von begrenzten taktischen Angriffen auf dislozierte mechanisierte Verbände. Die dislozieren können, weil die Ukrainer ja ebenfalls nicht konzentrieren können.

Zitat:Was in der Realität 2022 von den Russen fabriziert wurde hätte sich ausgezeichnet durch taktische Waffen stoppen lassen.


Dafür hätte man nicht einmal taktische Waffen benötigt. Was die Russen da 2022 fabriziert haben, spottet selbst im rein konventionellen Bereich jeder Beschreibung. Selbst die Ukrainer hätten hier in Wahrheit bessere Resultate erzielen können.

Aber der wesentlichste Punkt von allen ist, dass die Russen das was sie da in der Realität fabriziert haben, bei der Präsenz ukrainischer Atomwaffen mit Erstschlagdoktrin niemals fabriziert hätten. Entsprechend fällt damit deine ganze Argumentation diesbezüglich vollkommen weg. Es spielt überhaupt keine Rolle ob man die Russen 2022 unter den damaligen Umständen so hätte vernichten können. Es hätte diese Umstände so ja gar nie gegeben !

Zitat:Demgegenüber hätten sich die ukrainischen Truppen im Feld disloziert und ein russischer Gegenschlag in ähnlicher Größenordnung wäre im Vergleich ziemlich wirkungslos geblieben.

Du kannst dich als Verteidiger aber nicht so stark dislozieren, ohne die Gefahr einer konventionellen Niederlage. Darüber hinaus stand der Gros der Ukrainer im Osten recht geballt in den Stellungssystemen dort. Nun könntest du argumentieren, dass diese Truppen sich dann ja auch disloziert hätten. Dann hätten sie aber besagte Stellungsysteme nicht halten können etc.

Du schreibst den Russen fest bestimmte Vorgehensweisen und Strategien zu, tust dies aber bei den Ukrainern nicht, die in deiner Diskussion völlig handlungsfrei sind. Das ist schlicht und einfach falsch, weil dem nicht so wäre, wenn die Umstände derart anders wären.
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