27.02.2025, 20:53
Quintus Fabius schrieb:Aber es würde bereits ein begrenzter taktischer Gegenschlag genügen, damit die Ukraine den Krieg verliert.Mein Argument ist: Die Ukraine möchte eine Invasion abwehren und ihre Zerschlagung verhindern. Russland kann dies nicht erreichen, wenn es nach einem begrenzten ukrainischen Atomschlag massiv Counter Force Angriffe fährt. Damit kann es die Ukraine entgegen des eigenen Kriegszieles nur zerstören – und sich selbst im gleichen Atemzug mit. Das ist irrational und konträr zu Putins Gedankenwelt vom neuen Großrussischen Reich.
Zitat:Darüber hinaus sollte man an dieser Stelle einwenden, dass der Gegenschlag von dem du hier sprichst auf ukrainischem Gebiet stattfindet, man also Nuklearwaffen inmitten der eigenen Zivilbevölkerung zündet und die Russen würden sich zweifelsohne mitten unter die ukrainischen Zivilisten mischen, hätte die Ukraine Atomwaffen.Überspitzt gesagt: Sähe es denn irgendwo groß anders aus nachdem der Russe sich durchgewühlt hat nachdem man auch noch eine Atombombe draufgeworfen hätte? Also ich meine nicht.
Der Einsatz von Atomwaffen erfolgt im ukrainisch-russischen bzw. weißrussischen Grenzgebiet, nicht erst wenn der Russe in irgendwelche Ballungszentren gefahren ist (das sie das nicht können haben sie ja sehr anschaulich bewiesen. Ich sehe dann das Drama nicht. Man löscht maximal einige Dörfer aus. Das würde auch geschehen, wenn man dem Angriff eigene mechanisierte Kräfte entgegensetzen würde.
Aber wenn wir schon bei fiktiven Szenarien sind können wir auch einfach in den Raum stellen, dass die Ukrainer, weil sie mit einem Atomschlag planen die Bevölkerung der betroffenen Gebiete noch vor Invasionsbeginn in weiten Teilen evakuiert hätte.
Zitat:Und noch ein Aspekt: angreifende mechanisierte Einheiten werden durch Angriffe taktischer Atomwaffen weniger hart getroffen als in der Verteidigung stehende Truppen und insbesondere weniger als in der Verteidigung stehende Infanterie etc.Weniger hart ist immer noch ausreichend hart. Rufe dir doch mal in Erinnerung wie das 2022 gewesen ist. Die Russen rückten in riesigen Kolonnen entlang von Hauptverkehrsadern vor. Wenn du da an Engstellen drei, vier Bomben im niedrigen einstelligen kT Bereich abwirfst geht da gar nichts mehr.
Demgegenüber, was wollen die Russen im Gegenzug bombardieren? Verteidigende Infanterie wird schwierig, die Infanterie hat überhaupt keine Stellung bezogen, die Angriffsspitzen des Feindes sind verdampft und der Nachschub badet gerade im Fallout. Natürlich werden sie frustriert einige Bomben auf irgendwelche militärischen Einrichtungen werfen, aber das war es dann auch wenn man ihnen nicht größte Irrationalität unterstellen will.
Zitat:Noch besser (schlimmer): die Russen könnten dann darauf verweisen, dass sie zunächst lediglich konventionell angegriffen haben.Jo, schön. Und die Ukrainer können darauf verweisen (und es im Vorfeld ankündigen), dass es ihr gutes Recht ist sich mit allen Mitteln zu verteidigen und russische Invasionstruppen völlig legitime Ziele sind. Erst recht wenn die Bomben (größtenteils) noch über ukrainischen Gebiet niedergehen. Wenn der Russe dann auch noch atomar zurückschlägt (und weitaus umfangreicher wie du in dem Raum stellst) ist das kein sonderlich tragfähiges Argument für irgendetwas.
Zitat:Man kann eine konventionelle Invasion aber eben nicht sinnvoll durch taktische Waffen stoppen.Definiere sinnvoll. Was in der Realität 2022 von den Russen fabriziert wurde hätte sich ausgezeichnet durch taktische Waffen stoppen lassen. So massiert wie die Russen vorgerückt sind hätte wahrscheinlich ein Dutzend Sprengköpfe gereicht um die Hauptachsen der Invasion zu zerschlagen. Demgegenüber hätten sich die ukrainischen Truppen im Feld disloziert und ein russischer Gegenschlag in ähnlicher Größenordnung wäre im Vergleich ziemlich wirkungslos geblieben.
Zitat:Nehmen wir mal rein theoretisch an, es wäre möglich den Krieg auf der gleichen begrenzten Eskalationsstufe zu führen. Woran ich rein persönlich massivste Zweifel habe, ich halte dies nämlich für real praktisch kaum machbar. Aber mal rein theoretisch: dann verliert die Ukraine. Weil die Antwort auf der gleichen Eskalationsstufe für Russland vorteilhaft ist (Gründe u.a. siehe oben). Die Russen würden dann den begrenzten Nuklearkrieg gewinnen.Wie soll denn ein Sieg aussehen? Da gibt es keinen Sieg, nur sinnlose Zerstörung auf beiden Seiten. Wenn die Ukraine zur Abwehr eine Invasion eine Handvoll Bomben mit einer Gesamtsprengwirkung von unter 200kT einsetzt und damit den Hauptteil der Invasionsstreitmacht vernichtet, gibt es nichts was Russland mit Gegenschlägen in ähnlicher Größenordnung anrichten könnte um den Krieg zu gewinnen. Erst recht nichts um seine ursprünglichen Kriegsziele – Zerschlagung und Übernahme der Ukraine – zu erreichen. Es mag durchaus sein, dass Russland zurückschlägt und damit viel militärische Infrastruktur der Ukrainer vernichtet. Haben sie deswegen gesiegt, wenn es dann dabei bleibt? Sehe ich nicht. Die Ukrainischen Streitkräfte stehen immer noch (disloziert) im Feld und frischen russischen Kräften würde ein ganz ähnliches Schicksal erwarten wie der ersten Welle.
Wie schon geschrieben, Russland hat da garnichts zu gewinnen. Es kann nur stumpf und sinnlos weiter eskalieren und wird damit nur viel mehr verlieren als seine mechanisierten Verbände. Die Ukraine dagegen muss nur die Invasion abwehren und den kolportierten Atomkrieg nicht maximal eskalieren um am Ende weiter unabhängig von Russland zu existieren.
Das wahrscheinlichere Szenario: Nach einem begrenzten Schlagabtausch kommt es zu einer internationalen Intervention, diesen Unfug sein zu lassen und sich zu einigen.
Zitat:Ist es glaubhaft dass die Eliten / Reichen / Machthaber ihr eigenes Volk auslöschen nur damit es nicht dem Feind in die Hände fällt ? Und sich selbst gleich mit ? Denn das ist die Drohung von der du hier sprichst: entweder hört ihr auf, oder wir vernichten uns selbst damit ihr nicht unsere Pfründe und unsere Lohnsklaven erbeuten könnt. Wäre die Ukraine als Staat dazu in der Lage, wäre sie es nicht mal wert weiter zu existieren. Dann wäre es tatsächlich besser, es gäbe diese Machthaber nicht.
Dieses extreme Szenario wäre: Russland überzieht die Ukraine nach einem begrenzten ukrainischen Schlag gegen die Invasionsverbände mit massiven, unverhältnismäßigen Angriffen. Die Ukraine kann diese Eskalation ein stückweit mitgehen und ihrerseits Ziele in Russland angreifen (Bahnhöfe, Don-Brücken, Fliegerhorste usw.). Wenn dieser Verlauf nicht durch eine Intervention von außen gestoppt wird und Russland nicht gewillt ist seine Angriffe einzustellen wird zwangsläufig irgendwann der Kulminationspunkt erreicht sein, dass auf Ukrainischer Seite soviel zu Bruch gegangen ist, dass man das eigene Überleben eh nicht mehr als gegeben ansieht und man die Russen nur noch in den Untergang mitnehmen kann.
Es mag Führer geben, die dann eher kapitulieren und das eigene, eh schon tote Volk dem langsamen Dahinsiechen in einem zerstörten und verstrahlten Land unter der Knute der Unmenschen die ihnen das angetan haben aussetzen würden – mindestens ebenso viele würden Freiheit, Ehre, Bestrafung und Vergeltung höher gewichten und es an diesem Punkt final beenden. Auch in Verantwortung gegenüber dem Rest der Welt: Wenn nicht wir, dann wird ihn ein anderer stoppen müssen. Unter den selben Vorzeichen.
Sofern also in so einer Situation dann überhaupt noch rationale Überlegungen möglich sind könnten sich Russland alles andere als sicher sein, dass der Krieg nicht mit der Zerstörung von Moskau und St. Petersburg endet.
Und weil sie das nicht können geht es die ganze Eskalationskette zurück, bis zu dem Punkt an dem sie erkennen, dass die einzig sinnvolle Option ist nicht einzumarschieren. Ihre Kriegsziele können gegen eine nuklear bewaffnete Ukraine schlicht nicht erreicht werden.
Zitat:Das für sich allein reicht aber nicht. Das Kriegsziel ist nämlich nur dann zu erreichen und wird auch nur dann erreicht, wenn der Krieg endet. Was er nicht tun wird, nur weil eine erste Invasionsstreitmacht mit Nuklearwaffen zerschlagen wurde. Ich kenne die Russen recht gut als Volk, die würden dann einem Frieden niemals zustimmen, unter keinen wie auch immer gearteten Umständen. Jede denkbare russische Regierung müsste den Krieg fortführen und dem folgend hätte die Ukraine damit nichts erreicht als mehr Schaden für sich selbst.
Immer dieser russische Opfermythos. Es ist das eine, wenn Freiwillige in der Ukraine sterben. Die Aussicht den eigenen Hintern in Moskau oder St. Petersburg ins Atomfeuer zu halten etwas sehr anderes. Im realen Leben schreckt Putin seit Jahr und Tag aus guten Gründen davor zurück zu mobilisieren und wir werden wahrscheinlich schon bald sehen, wie weit das mit dem „niemals und unter keinen Umständen Frieden“ wirklich her ist.