(Allgemein) Atomare Bewaffnung Deutschlands?
(27.02.2025, 10:54)Quintus Fabius schrieb: Werter Nightwatch:

Du schreibst an mir vorbei: ich schrieb nicht über einen russischen Erstschlag mit Atomwaffen, sondern über einen konventionellen russischen Angriff. Dieser wird durch eine ukrainische Zweitschlagfähigkeit oder selbst durch die Bereitschaft auf einen konventionellen Angriff mit einem Erstschlag zu reagieren nicht abgeschreckt, weil die gleiche Logik auch umgekehrt gilt: führt die Ukraine einen Erstschlag als Reaktion auf einen konventionellen Angriff aus, ist das ukrainische Volk vernichtet.

Die Ukraine gewinnt also nicht, wenn sie auf einen konventionellen Angriff einen Erstschlag androht. Sie verliert also in jedem Fall, während Russland hier nur in manchen Fällen verliert. Und genau aus diesem Ungleichgewicht sind Atomwaffen für die Verteidigung unbrauchbar und ist auch die Androhung eines nuklearen Erstschlags auf einen konventionellen Angriff in Wahrheit völlig wertlos.
Die Ukraine würde doch nicht mit einem strategischen Angriff für den Fall einer Invasion drohen oder einen solche durchführen. Der Atomkrieg würde auf der taktischen Ebene beginnen. Wenn Russland dieses maximal eskaliert sterben sie nur als zweite. Daran können sie kein Interesse haben. Ergo keine Eskalation des Atomkriegs, ergo keine Invasion, die durch taktische Waffen gestoppt wird.

(27.02.2025, 10:54)Quintus Fabius schrieb: Doch, hätte es. Denn exakt dass ist aktuelle russische Doktrin. Greift jemand russische Streitkräfte mit taktischen Nuklearangriffen an, dann wird darauf nuklear geantwortet. Das ist ja gerade eben notwendig, um den taktischen Angriff abzuschrecken und damit zu verhindern.
Natürlich wird darauf geantwortet. Es ist aber davon auszugehen, dass es sich die Antwort auf der gleichen Eskalationsstufe oder marginal darüber bewegt. In einer maximalen Eskalation verlieren sie schließlich genauso wie die Ukraine.
Nach einem begrenzten Schlagabtausch, der mit zerschlagenen Invasionsstreitkräften und jeder Menge zerstörter Ukrainischer militärischer Infrastruktur endet würde ein Patt entstehen und keine Seite wird Interesse bzw. Möglichkeiten haben den Krieg fortzuführen.

(27.02.2025, 10:54)Quintus Fabius schrieb: Wenn der Gegner glaubhaft strategische Angriffe als eine Reaktion auf einen taktischen Einsatz einsetzen wird, kann man die taktischen Einsätze in der Verteidigung bei einem ansonsten rein konventionellen Angriff vollkommen vergessen.
Ja, aber es glaubt Putin niemand, dass er nach einem taktischen Einsatz gegen russische Panzerverbände irgendwo im russisch-ukrainischen Grenzgebiet Bomben auf Kiew und Kharkiv wirft wenn er anschließend Moskau und St. Petersburg verliert.
Ein strategische Angriff ist ein derart großer Eskalationssprung, dass damit kein taktischer Schlag abgeschreckt werden kann.
In den Planungen des Kalten Krieges mag das noch teilweise anders ausgesehen haben, weil man hier mehr Automatismen vermutete und ob der hohen Zahl verfügbarer taktischer Waffen die Grenzen zum strategischen Austausch wenigstens bezogen auf Europa diffus waren, aber selbst damals plante man seitens der Nato steht mit dem taktischen Einsatz und anschließenden Hoffen, dass es nicht weiter eskaliert.

(27.02.2025, 10:54)Quintus Fabius schrieb: Die Russen haben immens viel mehr taktische Nuklearwaffen bzw. für solche taktischen Einsätze vorgesehenen Waffen als die Ukraine oder sonst irgendein Staat in der Welt. Ein ukrainischer taktischer Erstschlag - beispielsweise gegen die Kolonne in Richtung Kiew hätte damit Russland das Recht gegeben, rein taktisch zu antworten und damit hätte Russland mittels seiner taktischen Waffen die gesamten ukrainischen Streitkräfte auf der Stelle ausgelöscht und die Ukraine verliert und zwar haushoch und auf der Stelle !
Ein solches russisches Vorgehen wäre die bewusste Eskalation hin zum strategischen Atomkrieg. Die Ukrainer würden entsprechend antworten und ihre Ziele immer weiter ausdehnen, auch auf russisches Staatsgebiet. Russland gewinnt damit nichts sondern eskaliert eine Auseinandersetzung in der sie nicht genau abschätzen können, wann für die Ukrainer die kritische Schwelle zum maximalen Einsatz überschritten ist.
Fehlkalkulationen sind hier zu erwarten, vor allen Dingen wenn die ukrainischen Nuklearstreitkräfte direkt angegriffen werden und die Machthaber in Kiew drohen/meinen die Kontrolle zu verlieren.
Sprich, auf diesem Weg hat Russland nichts zu gewinnen und am Ende alles zu verlieren. Eine Sackgasse.

Wie viele taktische Waffen man dabei selbst mehr als der Gegner hat ist doch nicht relevant. Entscheidend ist nur, dass die Ukrainer genug hätten um nach der Zerschlagung der russischen Invasionsstreitkräfte noch schlagfähig zu sein.
Ein (zu) kleines ukrainisches Arsenal erhöht dabei das Risiko für Russland, schließlich ist anzunehmen, dass die Ukraine die letzten verbliebenen Waffen so einsetzen würde, dass es den Russen wirklich weh tut.

(27.02.2025, 10:54)Quintus Fabius schrieb: Und damit landet man dann sehr schnell in Eskalationsspiralen in welchen es dann doch zum strategischen Atomkrieg kommt. Warum haben die Russen dann überhaupt so viele taktische Atomwaffen wenn diese so wertlos sind ?! Die Antwort liegt genau darin: um jeden taktischen Einsatz eines nuklear bewaffneten Gegners auf dieser Eskalationsstufe völlig zu entwerten und damit diese Eskalationsebene auszuschließen und für den Feind zu entwerten. Der Feind wird dadurch gezwungen sich rein konventionell zu wehren oder den strategischen Atomkrieg zu führen, welchen er ebenso verliert.
Du definierst die Eskalationsstufen hier falsch. Es existiert nicht nur die Grenze zwischen taktischen und strategischen Angriffen sondern durchaus eine quantitative.
Wenn Russland sich dazu entscheidet einen begrenzten taktischen Schlag gegen angreifende Truppen mit massiven bzw. zahlreichen Angriffen auf militärische Infrastruktur zu beantworten verlässt es die vom Gegner gewählte Eskalationsstufe und geht je nach Größe und Umfang des Einsatzes einen Schritt oder mehr weiter.
Man entwertet die Eskalationsstufe mithin nicht für den Feind sondern für sich selbst. Den Kriegszielen hilft es nicht, die Invasion ist so oder so gescheitert. Man kann höchstens noch beidseitig eine ganze Menge mehr kaputt machen und geht dabei ins Risiko, dass der Gegner dieses Spiel nicht unendlich lange mitspielen können wird und daher maximal eskaliert.

Die Russen haben übrigens so viele taktische Waffen weil sie schlicht zu träge und zu dumm sind hier sinnvolle Abstriche zu machen. Sie könnten ihr Arsenal locker um fünfzig Prozent reduzieren, würden eine Menge Geld sparen und die Gesamtsituation würden sich keinen Meter ändern.

(27.02.2025, 10:54)Quintus Fabius schrieb: Das heißt: die Ukraine verliert wenn sie Atomwaffen hat und diese einsetzt. Oder sie verliert konventionell. Wie man es dreht und wendet, sie verliert.
Das Kriegsziel der Ukraine ist die Invasion abzuwehren. Wenn sie die Invasionsstreitkräfte mit Atomschlägen zerstört ist die Invasion gescheitert. Russland kann dann auf der gleichen Eskalationsstufe im begrenzten Umfang militärische Infrastruktur mit Atomwaffen angreifen. Eine Menge geht zu Bruch, aber danach wäre das Geschehen vorbei.
Russland kann sich dazu entscheidend ihrerseits die gewählte Eskalationsstufe zu verlassen, massiv und unverhältnismäßig nuklear zu antworten. Das ändert auch nichts daran, dass die Invasion gescheitert ist. Eine ganze Menge mehr wird zu Bruch gehen und Russland wird seinerseits eine ganze Menge verlieren. Gewinnen können sie dadurch nichts mehr.
Im Worst Case kalkuliert jemand nicht wie erwartet und überschreitet Grenzen die zum strategischen Austausch führen oder die Ukraine wird in eine use it or loose it Situation gedrängt. Auch wieder nichts zu gewinnen.

Die Erwartung also, dass die Ukraine eine Invasion nicht mit Atomwaffen abwehren würde fußt also auf der Annahme, dass die Ukraine glaubt, dass Russland nach einer gescheiterten Invasion bereit ist für nichts noch viel mehr selbst zu verlieren als ein paar Manövergruppen.
Das ist nicht realistisch, vielmehr würde man Putin einen solch irrationalen Kurs nicht zutrauen und darauf bauen, dass ein begrenzter Atomkrieg den Rest der Welt auf den Plan ruft und der Krieg eingefroren wird.

Oder anders gesagt: Einen Automatismus zum Selbstmord gibt es hier nur wenn Putin ihn will. Und da er nicht als der Totengräber des russischen Volkes in die Geschichte eingehen will würde er diesen Weg auch nach einem taktischen Einsatz nicht beschreiten.
Er möchte vielmehr den Krieg gewinnen und hinterher noch etwas davon haben - das kann er nicht sobald die Ukraine die Invasionsstreitkräfte mit Atomschlägen belegt. Entsprechend wird er es ganz lassen, solange die ukrainische Drohung Atomwaffen gegen russische Truppen einzusetzen politisch wie militärisch glaubwürdig ist.
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