20.02.2025, 15:49
(19.02.2025, 23:10)Diogenes schrieb: Die Finazierung ist überschaubar. Die technischen Apsekte sind zu 90% bereits gelöst. Wir waren schon mal kurz vor der Bombe. Das ist weit weniger abwegig als manch andere Plan.
Wie kommst du etliche Jahre?
Wenn der Ausgangspunkt ein politischer und gesellschaftlicher Konsens wäre (um der Argumentation Willen betrachte ich das als gegeben), dann wäre der erste Schritt die Ausarbeitung einer entsprechenden Kernwaffendoktrin. Das mag zwar einfach klingen, ist aber ein komplexer Vorgang, bei dem es von dem politischen Handlungsrahmen über die organisatorische Fragen bis hin zu konkreten technischen Aspekten um eine Vielzahl von Entscheidungen geht, die zudem miteinander koordiniert werden müssen.
Anschließend erst kann die konkrete Umsetzung beginnen. Die wichtigste ist die Entwicklung der Kernwaffe selbst, was ausgehend von den aktuellen Programmen in den USA und dem UK mindestens zehn Jahre, aufgrund nicht vorhandener Vorerfahrungen eher 15+ Jahre dauern dürfte. Natürlich kann, wie immer mit dem Argument der Dringlichkeit diese Zeit verringert werden, ich halte es aber für völlig unrealistisch, hier nur wenige Jahre einzuplanen.
Parallel dazu muss die Sicherheitsarchitektur für die Freigabe des Einsatz selbst aufgebaut und getestet werden, die entsprechenden Trägermittel müssen entwickelt und/oder zumindest eingekauft und modifiziert werden (ich werde auf den Punkt noch eingehen), es muss auch die entsprechende Infrastruktur (bspw. Stützpunkte) ausgebaut werden. Ausgehend von bekannten Projekten in diesem Bereich sprechen wir auch hier von mehr als nur wenigen Jahren, und das immer mit der Voraussetzung, dass es aufgrund von Dringlichkeit zu keinen Verzögerungen käme (was aus verschiedenen Gründen unrealistisch ist).
Was die Trägermittel selbst angeht, du hast hier zwei Beispiele genannt: die F-35 werden beschafft, und israelische Unterseeboote mit einer sehr wahrscheinlichen nuklearen Zweitschlagfähigkeit werden in Deutschland gebaut. Beides will ich nicht in Abrede stellen, aber was bedeutet das konkret für deutsche Kernwaffen? Wie sehen überhaupt die Anforderungen aus?
Über den Sinn und Unsinn von freifallenden Atombomben wurde hier im Forum schon mehrfach diskutiert, auch mit einem Flugzeug wie der F-35 kann das nur bedingt eine zielführende Einsatzvariante sein. Es bräuchte als einen FK, der entweder eingekauft und entsprechend modifiziert oder selbst entwickelt werden müsste. Am sinnvollsten wäre vermutlich die Beteiligung an der Entwicklung der ASN4G (mit eigenem, deutschen Sprengkopf), zum einen weil es ein sehr leistungsfähiges System werden dürfte, zum anderen weil es auch in den NGF integriert wird. Die Alternative könnte eine luftgestartete Variante von Tyrfing sein. In beiden Fällen sprechen wir von 10+ Jahren bis zur Einsatzreife. Leistungsschwächere Entwicklungen (bspw. Taurus Neo) wären zwar potenziell etwas schneller verfügbar, dürften aber nur bedingt sinnvoll sein rein aufgrund der jeweiligen Einsatzbedingungen. In allen Fällen wäre der Eurofighter als Zwischenlösung bis zum NGF die sinnvollere Variante, schlicht und einfach weil dort die notwendigen Eingriffe in die Systeme leichter und rein national möglich sein dürfte.
Gerade mit Blick auf die Zweitschlagfähigkeit ist und bleibt das Unterseeboot das eigentlich bevorzugte Mittel zur Verbringung von Kernwaffen, idealerweise mit Hilfe von ballistischen Raketen. Zwar ist es augenscheinlich korrekt, dass die in Deutschland gebauten israelischen Unterseeboote Kernwaffen einsetzen können, dies geschieht allerdings den Berichten nach mit (aus vergrößerten Torpedorohren gestarteten) Marschflugkörpern. Diese besitzen weder die notwendige Reichweite (Berichten nach 1500+ km), noch (meiner Ansicht nach) das Durchsetzungspotenzial, um für uns in Frage zu kommen. Realistisch betrachtet braucht es meiner Ansicht nach eine Reichweite von 3000+ km mit hoher Geschwindigkeit, was üblicherweise für ballistische Raketen spricht. Du erwähntest hier etwa die Hyunmoo-4, die allerdings nicht die von dir genannte Reichweite von 3000+ km aufweist, sondern frei verfügbaren Quellen nach deutlich unter 1.000 km. Ausgehend von den Daten bekannter ballistischer Mittelstreckenraketen werden signifikant größere Unterseeboote benötigt als das, was hier in Deutschland bisher gebaut wurde. Auch stellt sich die Frage, ob bei den Anforderungen an Größe und Auftrag ein konventioneller, außenluftunabhängiger Antrieb wirklich eine sinnvolle Wahl wäre, oder ob damit nicht an der völlig falschen Stelle ein unnötiger Flaschenhals geschaffen wird.
Dies alles sollte deutlich machen, dass eine wirklich sinnvolle nukleare Abschreckung nicht in ein oder zwei Jahren realisiert werden kann. Selbst unter unrealistisch schnellen Bedingungen sprechen wir über, wie von mir erwähnt, etliche Jahre. Genau festlegen will ich mich da bewusst nicht. Unter realistischen Bedingungen halte ich alles unter eine Dekade für völlig ausgeschlossen.
Zum Abschluss noch ein Blick auf die Kosten. Du hast hier belegte Zahlen von Frankreich und Großbritannien genannt, aus denen sich ableiten lässt, dass eine funktionierende nukleare Abschreckung mit laufenden Kosten von 6 bis 8 Milliarden Euro pro Jahr möglich wären. Allerdings beinhalten diese Zahlen keine Anschaffungs- oder Modernisierungskosten, und auch nicht die Kosten für den Aufbau der Infrastruktur. In Großbritannien findet zur Zeit ein grundlegender technischer Wechsel statt. Es werden vier neue SSBN gebaut (das kann als sinnvolles Minimum für eine dauerhafte nukleare Abschreckung betrachtet werden), eine neue Kernwaffe entwickelt, die SLBM und die Infrastruktur an Land modernisiert. Die Gesamtkosten für die nukleare Abschreckung für den Zeitraum von 2023 bis 2033 werden von offizieller Seite auf über 140 Milliarden Euro geschätzt. Wenn wir die Beschaffung von entsprechenden Raketen mit einbeziehen, und die Notwendigkeit zum Neuaufbau der Infrastruktur, würde nur der Aufbau einer sinnvollen seegestützten nuklearen Zweitschlagfähigkeit irgendwas zwischen 15 und 20 Milliarden Euro für mindestens ein Jahrzehnt bedeuten. Erweitert um potenzielle luftgestartete Waffen dürften 20+ Milliarden pro Jahr in der Investitionsphase nicht unrealistisch sein.
Natürlich ist nichts davon unmöglich, aber das ist der Grund, warum ich davon schreibe, dass ein solches Programm weder einfach ist, noch nur wenige Jahre benötigt.
Zur Nachvollziehbarkeit der von mir genannten Zahlen (falls ich was vergessen habe bitte melden)
https://researchbriefings.files.parliame...P-8166.pdf
https://researchbriefings.files.parliame...P-9777.pdf
https://www.nuclearinfo.org/wp-content/u...ersion.pdf
https://www.armscontrol.org/act/2012-07/...eport-says
https://www.navalnews.com/naval-news/202...sile-test/