30.12.2024, 20:02
(30.12.2024, 19:11)Quintus Fabius schrieb: Bezeichnend dass du hier nicht mal von der Hamas sprichst als konkretem Feind, sondern nur unkonkret vom Feind im allgemeinen.
Den "Feind" zu bekämpfen ist aber kein Selbstzweck und darf auch kein Selbstzweck sein und es auch nicht werden. Nun postulierst du im Endeffekt eine Art magisches Denken:
Broensen hat schon Recht das hier Ebenen unsinnig vermischt werden. Für die Einheit im Feld ist der Kampf gegen den Feind natürlich Selbstzweck, was auch sonst?!
Was diskutieren wir hier? Irgendein Manöver einiger Bataillone der 162. Division in Jabalya. Aus diesem Geschehen irgendetwelche Schlüsse hinsichtlich der strategischen Kompetenz der politischen Führung ableiten zu wollen ist grober Unfug.
Ich wage da mal zu behaupten, dass die Aktion es in der Befehlskette es kaum zum IDF Southern Command geschafft hat, geschweige denn auch nur in die Nähe der politischen Ebene.
Da wurde schlicht das ausgeführt was momentan einfache Vorgabe ist: Druck aufrecht halten, die Hamas wo immer man militärisch relevante Strukturen ausfindig machen kann angreifen und zerschlagen.
Nichts von dem was aktuell geschieht hat aktuell eine größere oder gar unmittelbare strategische Relevanz. Das Kriegsgeschehen ist in limbo bis sich die großpolitischen Verhältnisse neu geordnet haben.
(30.12.2024, 19:11)Quintus Fabius schrieb: Wenn dies das Ziel wäre, so stellt sich die Frage, warum Israel mit all seiner Militärmacht derart wenig erfolgreich gegen die Hamas ist (im Verhältnis zu den eingesetzten Mitteln, dem Zeitaufwand und dem sonstigen Aufwand einschließlich des politischen Flurschadens und der noch gar nicht kalkulierbaren Fernwirkungen).Man ist überaus Erfolgreich für das Wenige was aktuell geschieht. Die Realität ist, dass die Front in Gaza seit der Operation gegen Rafah nicht größer bespielt wurde. Der Feldzug gegen die Hezbollah sowie der Einmarsch in Syrien hatten klare Priorität. Hinzu kommt, dass es ohne eine erneute Verschiebung der zivilen Bevölkerung und einer hohen Gefährdung der Geiseln keine zwingenden militärischen Ziele mehr gibt die abgearbeitet werden müssten.
Das könnte sich ändern wenn man im Streifen neue militärische Ziele definiert, aber wieder, die Großlage ist aktuell so das auf die neue US Regierung gewartet und bis dahin der Krieg nur am köcheln gehalten wird.
Das ist doch eine weitgehend normale Lage. Ich weiß nicht woher immer diese fixe Idee kommt alles gleich sofort und ganz schnell über die Bühne bringen zu wollen. Kriege sind in aller Regel halt nicht short & decisive sondern von Operativer Ebbe und Flut geprägt. Es ist völlig normal, dass es Phasen der relativen Aktivität und relativen Passivität gibt.
Aktuell steht die IDF nach einem erfolgreichen Feldzug gegen die Hezbollah immernoch mit Divisionsstärke in Libanon und Syrien. Es sieht nach jüngeren Meldungen nicht so aus, als würde man dort allzuschnell abziehen. In zwanzig Tagen eine neue, wesentlich freundlichere US Regierung. Recht konkrete Verhandlungen zu Geiselfreilassungen laufen. Insofern abwarten. Die geostrategischen Vorzeichen werden 2025 völlig andere sein als sie 2024 gewesen sind. Und das wird sich auch auf die Ziele in Gaza auswirken.
(30.12.2024, 19:11)Quintus Fabius schrieb: Die Idee den Feind zu bekämpfen damit der Feind schwächer wird, bis er irgendwann einknicken muss, war die gleiche Idee welche die USA in Vietnam verfolgt haben. Die Israelis haben aber nicht mal ansatzweise aktuell das Niveau das selbst die USA dort hatten, sondern es wird einfach vor sich hin gekämpft, ohne Sinn, ohne Zweck und ohne Verstand.Und die Hamas hat mittlerweile nur noch ein Millionstel der Kampfkraft des Vietkongs? Ohne Nachschubmöglichkeit. Der Vergleich ist also doch ziemlich absurd.
(30.12.2024, 19:11)Quintus Fabius schrieb: Während man intentional zugleich die Hamas als Organisation in der Zivilbevölkerung weiterbestehen lässt und dies mit voller Absicht. Von wegen maximale Zerschlagung, dass ich nicht lache.Ja, das hatten wir schon mehrfach und müssen wir nicht nochmals diskutieren. Niemand in Israel, weder Regierung, noch Opposition, noch Militär, noch Bevölkerung möchte die Verwaltung des Gazastreifens übernehmen.
Wenn man eine solche Stadt-Guerilla tatsächlich maximal zerschlagen will, dann ist die zivile Organisation dieser Guerilla das primäre und wichtigste Ziel. Demgegenüber ist die militärische Organisation sogar weniger relevant.
Israel dreht dies nun genau um, kämpft sinnfrei gegen die irrelevanten Überreste der militärischen Organisation, lässt aber eben genau jene klandestine zivile Organisation nicht nur in Ruhe, sondern ermöglicht dieser intentional die Palästinenser weiter zu unterdrücken und die Kontrolle aufrecht zu erhalten.
Man möchte seine Bürger zurück und von den Palästinensern in Ruhe gelassen werden.
(30.12.2024, 19:11)Quintus Fabius schrieb: Was für ein Krieg ? Das abschlachten von Wehrlosen ist kaum als Krieg zu bezeichnen. Das Geschehen in Gaza ist aktuell eigentlich unterhalb eines ernsthaften militärischen Horizontes.Die entscheidenden Weichen werden im Frühjahr und Frühsommer mit der neuen US Regierung gestellt, nicht jetzt.
Aber genau deswegen, weil man den Feind bereits dermaßen abgenutzt hat, genau deshalb ist dieser Konflikt aktuell an der entscheidenden strategischen Weiche angelangt. Exakt das ist jetzt der Moment wo die israelische Strategie - wenn Israel denn überhaupt eine hat - die entscheidende Weiche nimmt.
(30.12.2024, 19:11)Quintus Fabius schrieb: Tatsächlich aber glaubt Israel, so mein sich zunehmend verfestigender Eindruck - das die Gunst der Stunde und der aktuellen Umstände es ihnen ermöglicht vollständig andere Ziele real werden zu lassen.Ja natürlich, Netanyahu räumt auf. Nach Hamas, Hezbollah und Assad sind jetzt die Houthis an der Reihe. Nächstes Jahr wird man sich Teheran widmen, zumindest wenn das mit der neuen US Regierung möglich ist.
Die genaue Ausgestaltung der Nachkriegsordnung in Gaza ist dagegen kaum relevant.
(30.12.2024, 19:11)Quintus Fabius schrieb: Und das halte ich für Hybris. Und Hybris ist aktuell der wesentlichste Vorwurf welchen ich Israel in diesem Kontext mache. Es springen ja schon die ersten rum die da quäken, der 7 Oktober sei in Wahrheit ein Gottesgeschenk weil man dem folgend endlich zuschlagen konnte und nun gewonnen hätte.Man hat zumindest das herausgeholt was realistisch möglich erschien.
Recht viel besser hätte es außerhalb eines Westentaschenromans nach dem 7. Oktober kaum laufen können. Hamas zerstört mit minimalen Verlusten, Hezbollah ausgeknockt mit geradezu lächerlichen Verlusten, Syrien schlicht implodiert, dem Iran die Zähen gezogen, Moral hoch, Wirtschaft akzeptabel, freundlichste US Regierung überhaupt im Anmarsch.
Jetzt fehlt mit dem Mullah-Regime noch der entscheidende Dominostein und die strategische Situation Israels ist so positiv wie niemals zuvor in der Geschichte.
(30.12.2024, 19:11)Quintus Fabius schrieb: Israel verkennt die Fernwirkungen seiner aktuellen Handlungen, welche sich als schwerwiegender strategischer Fehler heraus stellen werden.Das kann man auch nur behaupten wenn man alles ignoriert was geschehen wäre wenn es nicht so gelaufen wäre.
(30.12.2024, 19:11)Quintus Fabius schrieb: Umkehrschluss: Israel will die Hamas gar nicht besiegen, die Hamas soll weiter die Palästinenser unterdrücken und weiter ins Verderben führen, bis man den Gazastreifen dann Stück für Stück ethnisch säubern und mit Juden besiedeln kann. Auf nichts anderes läuft das hinaus.Dafür gibt es keine politischen Mehrheiten, nicht in Ansätzen.
Der Punkt ist vielmehr, dass Netanyahu aktuell mit größeren Einsätzen spielt, die Geschehnisse in Gaza sind da schon seit Monaten eher eine Sideshow.