20.10.2024, 13:41
Also ich kommentiere das auch mal:
Die Frage ist zunächst, ob es tatsächlich eine "geheime Agenda" gibt, und wer für diese verantwortlich ist. Der "Westen" ist kein Akteur, sondern ein Konstrukt. Falls es eine "geheime Agenda" gäbe, müsste zunächst klar gestellt werden, wer davon weiss und wer sie unterstützt. Abgesehen davon, dass ich dies für eine VT halte, mag es tatsächlich Interessen geben, die verdeckt hinter der öffentlichen Haltung stehen. Es wäre hier jedoch das selbe zu fragen: Gibt es gemeinsame und geteilte Interessen, oder sind diese teilweise divergent?
Im weiteren gehe ich nicht davon aus, dass es eine "geheime Agenda" gibt, sondern vielmehr "gemeinsame Interessen und divergierende Interessen".
Es mag im Interesse der USA liegen, Russland dauerhaft zu schwächen, dafür gab es (hinsichtlich der Sowjetunion) in der Vergangenheit hinreichend Belege, vor allem eine wirtschaftliche Schwächung (Containment) anzustreben.
Die Interessenlage in Europa ist, zumindest was die Wirtschaft angeht, eigentlich eine andere: Der Handel mit Russland hinsichtlich Rohstoffe (Uran, Gas, Öl, seltene Erden usw.) ist eigentlich attraktiv und ein Verzicht darauf schadet mittel- und langfristig der europäischen Wirtschaft.
Die nächste Frage: ist wirtschaftliches Containment überhaupt eine sinnvolle militärische Strategie? Gerade die Sanktionen sind meine Meinung nach völlig kontraproduktiv. Evolutionstheoretisch führt evolutionärer Druck zu vermehrter Anpassung, was ohne diesen Druck nicht in der gleichen Weise passiert. Der auf Russland wirtschaftlich ausgeübte Druck führt somit zu neuen wirtschaftlichen Entwicklungen hinsichtlich mehr Autonomie bzw. beschleunigt die bereits seit längerem angestrebten wirtschaftlichen Verknüpfungen innerhalb der BRICs Staaten. Ein suppressiver Effekt ist höchstens kurzfristig erreichbar. Letztlich führen die Sanktionen - nach einer Anpassungsphase - daher zu einer Stärkung der wirtschaftlichen Resilienz. Im Gegensatz zu Nordkorea ist Russland groß und entwickelt genug sowie weitaus besser vernetzt - ein entsprechendes Containment ist daher durch Sanktionen oder westliche Blockaden nicht zu erreichen (was umso mehr für China gilt).
Naja, es gibt genügend Beispiele wo stark zerbombte Staaten (Deutschland, Japan, Italien usw.) sich rasch erholt haben und über das vorherige Niveau innerhalb weniger Jahre hinausgeschossen sind. Abgesehen davon hat "der Westen" tatsächlich keinerlei Verpflichtung, die Kosten für den ukrainischen Wiederaufbau zu tragen, dies würde auf freiwilliger Basis geschehen.
Das kann kaum im Interesse westlicher Mächte sein. Einen Guerilla-Krieg gibt es schon seit 2014 (grüne Männchen im Donbas), dieser hat Russland keinesfalls geschwächt und es entsteht Russland dadurch kein Schaden. Dies wäre eher das russische "Playbook": auch nach einer "Einigung" mit der Ukraine weiter mehr oder weniger verdeckte Operationen durchführen, um die Ukraine von einem EU- und Natobeitrag abzubringen und Druck auf die ukrainische Bevölkerung auszuüben, um einen prorussischen Präsidenten zu wählen.
So ein Guerillakrieg würde Russland nur schwach binden, da überschaubare Kosten an Personal und Material.
Es könnte jedoch im Interesse der USA sein, die EU stärker an sich zu binden (sowohl militärisch als auch wirtschaftlich), für diesen Fall könnte sich ein "gemeinsamer Feind" in Form eines "Problembärs, der ständig an der Haustür im Osten kratzt" als hilfreich erweisen.
Wie gesagt, dies wäre eher das "Playbook" von Russland und China.
Für eine EU-Aufnahme wird es möglicherweise Staaten geben, die kein großes Interesse haben (z.B. im Agrarbereich stark aufgestellte Staaten, die an konkurrenzlos billigen Produkten aus der Ukraine kein Interesse haben, da diese die Preise verderben und somit die eigene Agrarwirtschaft vor grosse Probleme stellen).
Für eine NATO-Aufnahme wird es ebenfalls Staaten geben, welche wirtschaftliche Bindungen (billiges Gas usw.) mit Russland haben und deren Regierungen einen frühzeitigen Beitritt aus Furcht vor Verlust dieser Bindungen blockieren könnten.
Wenn die Soldaten einmal auf dem Schlachtfeld zu KIA geworden sind, dauert das "Aufrüsten", was der Personal angeht, ca. 18 Jahre. Die Geburtenrate ist in Industrienationen stark rückläufig, das wird sich so schnell nicht ändern.
Was den Markt angeht: ja, ein gutes Argument. Die Ukraine wird das Material jedoch nicht aus eigener Kraft finanzieren können, bzw. nur über extrem langfristige Rückzahlungsprogramme. D.h. es fließt nur dann Geld an die Rüstungsexporteure (hauptsächlich USA), wenn die ca. 50 Unterstützernationen sich auf ein Budget einigen und dieses bereitstellen.
Ich sehe da nichts "heuchlerisches". Einer Diversifizierung von Energieimporten ist schon sinnvoll damit diese nicht plötzlich, wie geschehen, "weaponized" werden. Eine völlige Abkopplung verursacht aber mehr Schaden als Nutzen. Russland hat zu viele Rohstoffe, als dass man diese sich einfach wegdenken kann. Abgesehen davon muss die Uranversorgung sichergestellt sein, sonst können Frankreich und viele andere europäische Staaten ihr elektrisches Netz nicht mehr grundversorgen.
(20.10.2024, 08:05)Quintus Fabius schrieb: Meiner Meinung nach (These) verfolgt man damit seitens des Westens TM folgende geheime Agenda:
Die Frage ist zunächst, ob es tatsächlich eine "geheime Agenda" gibt, und wer für diese verantwortlich ist. Der "Westen" ist kein Akteur, sondern ein Konstrukt. Falls es eine "geheime Agenda" gäbe, müsste zunächst klar gestellt werden, wer davon weiss und wer sie unterstützt. Abgesehen davon, dass ich dies für eine VT halte, mag es tatsächlich Interessen geben, die verdeckt hinter der öffentlichen Haltung stehen. Es wäre hier jedoch das selbe zu fragen: Gibt es gemeinsame und geteilte Interessen, oder sind diese teilweise divergent?
Im weiteren gehe ich nicht davon aus, dass es eine "geheime Agenda" gibt, sondern vielmehr "gemeinsame Interessen und divergierende Interessen".
(20.10.2024, 08:05)Quintus Fabius schrieb: 1. Die Russen sollen die Hoffnung auf den Sieg nicht verlieren, also möglichst lange weiter kämpfen, damit der Schaden für Russland möglichst groß wird. Würde man der Ukraine substanziell Waffen schicken, müsste Russland seine aktuelle Strategie überdenken. So aber glaubt die russische Führung weiterhin, dass sie noch siegen wird.
Es mag im Interesse der USA liegen, Russland dauerhaft zu schwächen, dafür gab es (hinsichtlich der Sowjetunion) in der Vergangenheit hinreichend Belege, vor allem eine wirtschaftliche Schwächung (Containment) anzustreben.
Die Interessenlage in Europa ist, zumindest was die Wirtschaft angeht, eigentlich eine andere: Der Handel mit Russland hinsichtlich Rohstoffe (Uran, Gas, Öl, seltene Erden usw.) ist eigentlich attraktiv und ein Verzicht darauf schadet mittel- und langfristig der europäischen Wirtschaft.
Die nächste Frage: ist wirtschaftliches Containment überhaupt eine sinnvolle militärische Strategie? Gerade die Sanktionen sind meine Meinung nach völlig kontraproduktiv. Evolutionstheoretisch führt evolutionärer Druck zu vermehrter Anpassung, was ohne diesen Druck nicht in der gleichen Weise passiert. Der auf Russland wirtschaftlich ausgeübte Druck führt somit zu neuen wirtschaftlichen Entwicklungen hinsichtlich mehr Autonomie bzw. beschleunigt die bereits seit längerem angestrebten wirtschaftlichen Verknüpfungen innerhalb der BRICs Staaten. Ein suppressiver Effekt ist höchstens kurzfristig erreichbar. Letztlich führen die Sanktionen - nach einer Anpassungsphase - daher zu einer Stärkung der wirtschaftlichen Resilienz. Im Gegensatz zu Nordkorea ist Russland groß und entwickelt genug sowie weitaus besser vernetzt - ein entsprechendes Containment ist daher durch Sanktionen oder westliche Blockaden nicht zu erreichen (was umso mehr für China gilt).
(20.10.2024, 08:05)Quintus Fabius schrieb: 2. Will man, dass die Russen ihre bisher eroberten Gebiete behalten und eventuell noch andere weitgehend zerstörte / beschädigte Gebiete dazu erobern, damit die Kosten für die Verheerungen dort an Russland fallen und die Wiederaufbaukosten nicht vom Westen getragen werden müssen. Damit (Wiederaufbaukosten) will man Russland noch weitergehend schwächen.
Naja, es gibt genügend Beispiele wo stark zerbombte Staaten (Deutschland, Japan, Italien usw.) sich rasch erholt haben und über das vorherige Niveau innerhalb weniger Jahre hinausgeschossen sind. Abgesehen davon hat "der Westen" tatsächlich keinerlei Verpflichtung, die Kosten für den ukrainischen Wiederaufbau zu tragen, dies würde auf freiwilliger Basis geschehen.
(20.10.2024, 08:05)Quintus Fabius schrieb: 3. Will man dann nach dem die Russen "gesiegt" haben und sagen wir mal die Hälfte der Ukraine besetzt haben dort eine umfangreiche Guerilla vom Zaun brechen, womit die Russen dadurch noch weiteren Schaden haben und mit der Guerilla dort langfristig gebunden sind und dafür ihre verbliebenen Truppen einsetzen müssen.
Das kann kaum im Interesse westlicher Mächte sein. Einen Guerilla-Krieg gibt es schon seit 2014 (grüne Männchen im Donbas), dieser hat Russland keinesfalls geschwächt und es entsteht Russland dadurch kein Schaden. Dies wäre eher das russische "Playbook": auch nach einer "Einigung" mit der Ukraine weiter mehr oder weniger verdeckte Operationen durchführen, um die Ukraine von einem EU- und Natobeitrag abzubringen und Druck auf die ukrainische Bevölkerung auszuüben, um einen prorussischen Präsidenten zu wählen.
(20.10.2024, 08:05)Quintus Fabius schrieb: 4. Schafft man so für Russland einen nicht gelösten Konflikt, da die Restukraine weiter besteht und der Frontverlauf analog zu Korea dann die neue Grenze ist. Dies bindet Russland im Westen.
So ein Guerillakrieg würde Russland nur schwach binden, da überschaubare Kosten an Personal und Material.
Es könnte jedoch im Interesse der USA sein, die EU stärker an sich zu binden (sowohl militärisch als auch wirtschaftlich), für diesen Fall könnte sich ein "gemeinsamer Feind" in Form eines "Problembärs, der ständig an der Haustür im Osten kratzt" als hilfreich erweisen.
(20.10.2024, 08:05)Quintus Fabius schrieb: 5. Verhindert man so nachhaltig, dass die Ukraine in die EU und/oder in die NATO aufgenommen werden kann, da der Konflikt dort einfach nur eingefroren ist.
Wie gesagt, dies wäre eher das "Playbook" von Russland und China.
Für eine EU-Aufnahme wird es möglicherweise Staaten geben, die kein großes Interesse haben (z.B. im Agrarbereich stark aufgestellte Staaten, die an konkurrenzlos billigen Produkten aus der Ukraine kein Interesse haben, da diese die Preise verderben und somit die eigene Agrarwirtschaft vor grosse Probleme stellen).
Für eine NATO-Aufnahme wird es ebenfalls Staaten geben, welche wirtschaftliche Bindungen (billiges Gas usw.) mit Russland haben und deren Regierungen einen frühzeitigen Beitritt aus Furcht vor Verlust dieser Bindungen blockieren könnten.
(20.10.2024, 08:05)Quintus Fabius schrieb: 6. Muss die Restukraine aufrüsten was nur geht, damit Russland in einigen Jahren wenn es sich etwas erholt hat nicht erneut angreifen kann. Damit schafft man einen erheblichen Markt für die eigene Rüstungsindustrie.
Wenn die Soldaten einmal auf dem Schlachtfeld zu KIA geworden sind, dauert das "Aufrüsten", was der Personal angeht, ca. 18 Jahre. Die Geburtenrate ist in Industrienationen stark rückläufig, das wird sich so schnell nicht ändern.
Was den Markt angeht: ja, ein gutes Argument. Die Ukraine wird das Material jedoch nicht aus eigener Kraft finanzieren können, bzw. nur über extrem langfristige Rückzahlungsprogramme. D.h. es fließt nur dann Geld an die Rüstungsexporteure (hauptsächlich USA), wenn die ca. 50 Unterstützernationen sich auf ein Budget einigen und dieses bereitstellen.
(20.10.2024, 08:05)Quintus Fabius schrieb: 7. Will man Russland in einiger Zeit dann durchaus wieder als Quelle für Rohstoffe nutzen und diesen Lieferanten nicht dauerhaft vergrätzen. So wie man ja selbst jetzt in heuchlerischster Weise weiter russische Rohstoffe importiert womit die Russen weiterhin den Krieg finanzieren.
Ich sehe da nichts "heuchlerisches". Einer Diversifizierung von Energieimporten ist schon sinnvoll damit diese nicht plötzlich, wie geschehen, "weaponized" werden. Eine völlige Abkopplung verursacht aber mehr Schaden als Nutzen. Russland hat zu viele Rohstoffe, als dass man diese sich einfach wegdenken kann. Abgesehen davon muss die Uranversorgung sichergestellt sein, sonst können Frankreich und viele andere europäische Staaten ihr elektrisches Netz nicht mehr grundversorgen.