19.09.2024, 15:03
(19.09.2024, 13:43)Schneemann schrieb: Ich denke nicht, dass das direkt vergleichbar ist. Bei einem Luftangriff habe ich einen sehr eng gesteckten Korridor, ich kenne das Ziel und seine Koordinaten. Und ich versuche zivile Opfer so weit als möglich einzugrenzen. Man hat die Kontrolle quasi bis der ggf. photosensorische Kopf der Bombe im Bildschirmflimmern endet und das Zielgebäude auseinanderfliegt. Bei der aktuellen Aktion allerdings entzog sich der entscheidende Abschnitt der Operation der Kontrolle. Während der Luftangriff eben eine Präzisionsoperation ist, war die Pager-Aktion quasi eine Art Schrotschuss in den Vogelschwarm unter der Annahme, schon irgendwie die Richtigen zu treffen. Insofern bin ich hier zurückhaltend ob der rechtlichen Basis. [...]Mal abgesehen davon, dass das eigentliche Problem bei Luftangriffen auf Terrorstrukturen die Zielgenerierung ist, längst nicht zu kontrolliert gewirkt wird und es absolut zulässig sein kann, immense Kollateralschäden in Kauf zu nehmen - vergleiche es dann halt mit Artilleriegranaten.
Es ist genauso auch zulässig den Feind mit Artilleriegranaten zu beschießen, auch ohne ganz genau zu wissen wer sich da im Zielgebiet aufhält.
Die rechtliche Vorgabe ist hier für alle Methoden gleich: Der erwartbar entstehende Kollateralschaden darf nicht außer Verhältnis zum entstehenden militärischen Vorteil sein.
Diese Vorgabe gilt für den Scharfschützen genauso wie für die Artillerieeinheit, die Clustermunition in urbane Räume schießt. Oder einen Cyberangriff der irgendwo im Verhältnis 9 zu 1 die richtigen trifft.
Hier konnte man (augenscheinlich) davon ausgehen, dass die Pager in überwältigender Anzahl bis ausschließlich für die Kommunikation der Hezbollah genutzt werden. Die Sprengung dieser Pager hat erwarten lassen, das Befehlsnetz der Hezbollah zu zerschlagen und ihrer militärischen Führung substantielle Verluste zuzufügen. Der durch den Angriff entstehende militärische Vorteil war immens, ja kann eigentlich garnicht hoch genug eingeschätzt werden. Die Hezbollah ist stand jetzt nicht mehr zu komplexen militärischen Operationen in der Lage und das wird auf absehbare Zeit auch so bleiben.
Welches Maß an Kollateralschäden wäre für so ein Ergebnis angemessen? Nach meinem Dafürhalten wäre es für dieses Ergebnis auch vertretbar gewesen jeden dieser Pager als Peilsender zu verwenden und jedem eine 250lb Bombe auf den Kopf zu werfen. Damit wäre freilich ein vielfaches an Zivilisten verwundet und getötet worden als man direkt Hezbollah-Kämpfer erwischt hätte, aber das macht derartige (außerordentlich präzise) Luftschläge noch lange nicht illegal. Entscheidend ist dann der militärische Vorteil, der wie angerissen sehr groß ist.
Der tatsächlich stattgefundene Angriff war nochmal unglaublich viel präziser, die Chancen das durch die geringe Sprengladung beistehende Unbeteiligte ernstlich gefährdet wurden waren nicht null aber gering. Was bleibt ist ein Restrisiko, dass sich zufälligerweise ein Unschuldiger den piependen Pager greift. Das ist im Sinne des Kriegsvölkerrechts aber ein völlig unproblematisches Restrisiko.
Bleibt die These, dass man nicht hätte wissen können wer im Libanon alles diese Pager einsetzt. Wie Broensen schon geschrieben hat wissen wir das nicht wirklich. Ob der bekanntgewordenen Umstände können wir aber annehmen, dass eine Lieferung die dezidiert für die Hezbollah gedacht war jetzt nicht bei irgendwelchen Ärzten oder freiwilligen Feuerwehren landet.
Und selbst wenn doch: Die Aussicht weiten Teilen des Hezbollah-Offizierskaders sonstwas wegzusprengen ist ein solch gewaltiger militärischer Vorteil, dass der Angriff auch dann zu rechtfertigen gewesen wäre, wenn man gewusst hätte, dass x Prozent der Pager bei Zivilisten gelandet wären. Es ist nicht schön, aber es ist nun mal in einem sehr weiten rechtlichen Rahmen nicht problematisch wenn im Krieg Unschuldige zu Schaden kommen.