17.03.2004, 16:06
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Zitat:ALLTAG IN BAGDAD
"Fickificki, one dollar"
The year after: Der kollabierende Verkehr scheint auf den ersten Blick das größte Problem in Bagdad zu sein. Ein Jahr nach Kriegsbeginn bahnt sich der Alltag im Spannungsfeld zwischen Irakern, al-Qaida und Amerikanern seinen Weg. Aber der Eindruck vom normalen Leben ist nach wie vor trügerisch.
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Ärger droht nur, wenn die Amerikaner auftauchen, denn dann greift die einzige Verkehrsregel in Bagdad: US First. Die Amerikaner mögen es überhaupt nicht, wenn sie nicht vorwärts kommen. Stocken ihre Wagen oder gar ein ganzer Konvoi, steigt bei ihnen sofort der Adrenalinpegel. Stehend geben sie eine noch bessere Zielscheibe ab für Angriffe. Schon deshalb haben sie meist freie Fahrt, weil sich niemand gerne in ihrer Nähe als Kollateralschaden wiederfinden möchte. Und das ist auch der Moment, in dem man wieder weiß: Bagdad ist eben noch nicht die stinknormale Großstadt, deren größte Sorge Taschendiebe und Smog sind.
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Auch wenn zum Beispiel einiges bei der Versorgung mit Wasser und Strom besser funktioniert, warnt er vor der trügerischen Ruhe: "Das größte Problem ist immer noch die Sicherheit." Es kann immer noch jeden zu jeder Zeit treffen. Doch mittlerweile habe er vor den US-Soldaten mehr Angst als vor irakischen Attentaten oder Überfällen: "Sie sind oft überfordert und haben einen nervösen Finger am Abzug."
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Einige Ziele sind definierbar: Man halte sich fern von irakischen Polizeiwachen, man halte sich fern von religiösen oder politischen Großversammlungen und man halte sich fern von Orten, an denen Amerikaner auftauchen. Tja, aber wohin dann? Marina David hat sich entschieden. Sie hatte jahrelang als Rezeptionistin im "Sultan Palace Hotel" gearbeitet. Nun haben sich dort für ein Jahr zivile amerikanische Mitarbeiter eingemietet. Nach einer Woche bekamen die irakischen Angestellten des Hotels die ersten schriftlichen Drohungen: Wer mit "amrici" zusammenarbeitet wird bestraft.
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Für einen Dollar bieten dort Männer mit glasigen Augen, die nicht nur vom Alkohol stammen können, Whisky an.Während die eine Hälfte des GI-Trupps die Straße sichert, genehmigen sich die anderen vier im Stehen und mit Sturmgewehr vor dem Bauch ein Glas. Sie werden zuvorkommend bedient, immer mit Bückling und viel "please Mister, please Mister" - aber auch ein bisschen provoziert: "Fickificki, one Dollar", sagt der Iraker mit den glasigsten Augen und guckt herausfordernd.
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Wie das Verhältnis zu den Menschen auf der Straße ist? "Die meisten sind sehr freundlich. Sie sagen: Wir lieben euch. Und sie schenken uns Blumen", erzählt der 20-jährige Murray, der seit einem halben Jahr im Irak Dienst schiebt und nicht weiß, wann er nach Hause kommen wird. Er lächelt in die Runde und trinkt aus. Was Murray nicht sieht, nachdem er die Spelunke verlassen hat: Seine eben noch freundlichen Gastgeber spucken auf den Boden und werfen mit betont angeekeltem Gesicht das geleerte Glas in die Spüle.