05.09.2024, 09:47
(05.09.2024, 07:05)Quintus Fabius schrieb: ....der Reihe nach:
Dieses Versprechen war ein schwerer Fehler, insbesondere da die sogenannten Ortskräfte meiner Ansicht nach stark von den Taliban unterwandert waren, es in Afghanistan gar keine allgemeine Gefährdung von Ortskräften gibt und auch nicht mehr klar feststellbar ist, wer eine Ortskraft war - und noch darüber hinaus es extrem fragwürdig ist, ob eine vorübergehende Tätigkeit für die Bundeswehr im Jahr 2010 nun 2024 irgendwelche Rechte generieren sollte. ...
1.
ich halte es für recht problemlos (vor allem eingedenk unserer deutschen Bürokratie) festzustellen, wer tatsächlich "Ortskraft" war, zur Not auch durch Befragung der Personen, die auf deutscher Seite in Afghanistan eingesetzt waren.
Dabei lässt sich dann auch der Aufgabenbereich der Betroffenen spezifizieren - sowohl bei der Unterstützung der Bundeswehr wie auch bei der Tätigkeit für Hilfsorganisationen (z.B. Sicherheitsdienst, Dolmetscher, Lagerarbeiter ....)
2.
aufgrund der örtlichen Gepflogenheiten - und erst Recht aus unserem Grundsatz zum Schutz der Familie - können dann natürlich nächste Angehörige, Ehefrauen, Töchter ... nicht ausgeschlossen werden.
3.
Das hindert nicht daran, diese Personen auch hier einer intensiven Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen.
4.
Letztendlich könnten diese Personen dann auch Ausbildungen erhalten, die sowohl hier wie auch in Afghanistan als Fachkräfte den Zugang zu "Mangelberufen" ermöglichen, soweit sie nicht schon aufgrund ihrer beruflichen Erfahrungen und Kenntnisse auch schneller tätig werden könnten.
Zitat:Der Verweis auf zukünftige Einsätze hilft dabei meiner Meinung nach auch nicht weiter. ...Ich glaube, Du übersiehst den immateriellen "kulturellen" Einfluss, den eine Integration hier dann auch auf die Gesellschaft in der Heimat ausübt.
Man sollte (und man könnte) dieses "Versprechen" auflösen. Indem man beispielsweise betont wieviele Verräter es unter den Ortskräften gab und wie wenig man echte Ortskräfte herausfinden kann und wieviel Betrug damit betrieben wird. Um dann daraus folgend zu erklären, dass man es ja leider leider nicht einhalten kann und so wäre dem leicht ein Ende zu setzen.
Ein kleines Beispiel:
Ein enger Verwandter von mir ist nach mehreren Schlaganfällen zum Aphasiker geworden - und halbseitig gelähmt. Er benötigt Pflege. Sowohl in der ambulanten Pflege wie auch in einer stationären Einrichtung finde ich kaum noch deutsche Kräfte, die diese Leistung erbringen - von der Hilfe beim essen ("füttern") bis zur Körperpflege, auf gut deutsch, die Sch.... aus dem A... putzen.
Das sind Kräfte aus dem ehemaligen Jugoslawien, aus dem Nordsudan, aus Eritrea, aus Afghanistan .... die hier eine entsprechende Ausbildung gemacht haben und nun sozialversicherungspflichtig arbeiten - und dabei die gesellschaftliche Zusage "Sozialstaat" absichern.
Interessanterweise - es lassen sich auch regelrechte "zeitliche Wellen" feststellen, aus welcher Region diese Personen stammen. Die Herkunft aus dem ehemaligen Jugoslawien korrespondiert etwa zeitlich mit dem Krieg dort. Türkische Mitarbeitende sind i.d.R. die erste oder zweite Generation nach der "Gastarbeiterwelle" in den 50er und 60er Jahren.
Und all diese Menschen haben nach wie vor familiäre Kontakte in ihre Heimat. Sie lernen hier einen "westlichen Lebensstil" kennen, der in diesen Kontakten weiter transportiert wird - und zwar deutlich breitflächiger und wirksamer als das über elitäre "Inseleinrichtungen" wie die Goethe-Institute passieren könnte.
Dazu kommen die "modernen Medien" - Radio, TV, Handy, Internet, SMS ....
Über solchen Austausch wird die heimatliche Gesellschaft "verwestlicht", und zwar deutlich mehr als unsere Gesellschaft umgekehrt etwa "islamisiert" würde. Denn der "Islamismus" betrifft - trotz der Aufsehen erregenden Fälle - im Wesentlichen nur Einzelpersonen und nicht eine recht breite Gesellschaftsschicht.
Damit zurück nach Afghanistan:
Glaubst Du im Ernst, eine Familie aus afghanischen Ortskräften, die hier sozialisiert wurde, würde die zunehmende Diskriminierung von Frauen in Afghanistan unterstützen?
Was meinst Du erzählen sich die Mütter, Tanten und Cousinen, wenn sie miteinander sprechen?
Glaubst Du im Ernst, die in Afghanistan gebliebenen AngehörigInnen würden dann ihren Männern nicht die Hölle heiß machen, wenn dort die nächste Diskriminierungsrunde eingeläutet wird?
Zitat:Wallah, unsere Tochter Nila darf nicht mehr zur Schule, weil sie kein kleines Mädchen mehr ist? Nachbarin Ellaha hat Internet zuhaus. Guggst Du, kommt solche Maschin auch zu uns - wallah. Macht Nila "home scooling" - basta!Der Ansatz funktioniert aber nur wenn es nicht vereinzelte Personen sind, die so "indoktriniert" werden. Und wo kann eine solche kulturelle Beeinflussung effektiver passieren als bei der großen Gruppe von afghanischen Ortskräften, die ohnehin schon mehr oder weniger "indoktriniert" sind?
Vor diesem Hintergrund plädiere ich dann auch für einen entspannteren Umgang mit Migranten. Wer zu uns flüchtet - aus gesellschaftlichen oder politischen Gründen, aus Flucht vor Diskriminierung oder auch nur, weil er nicht verhungern will, ist wenigstens im Ansatz bereit, sich unserer Gesellschaft einzugliedern.
Das würde ich fördern, und nicht abweisen - auch und gerade für die Ortskräfte aus Afghanistan.
(05.09.2024, 05:40)Schneemann schrieb: Zum Thema Asyl vielleicht nicht im Speziellen, zum Thema Migration und Flüchtlinge (bzw. Bevölkerungswachstum) gibt es einen alten Strang, den ich 2009 mal erstellt hatte: https://www.forum-sicherheitspolitik.org...p?tid=4432Thema ist geschlossen - letzter Beitrag im September 2023
Schneemann