Krise im Roten Meer / Operation Prosperity Guardian
(01.09.2024, 10:58)Schneemann schrieb: Das denke ich nicht.

Zudem haben wir genau genommen sie zu lange schon ignoriert, quasi nach dem Motto Was geht mich der Jemen an? und Was wollen diesen Kamelräuber schon ausrichten? Durch unser bisheriges Ignorieren und desinteressiertes Wegsehen haben wir den Houthis die Aufrüstung in gewisser Weise und indirekt mit ermöglicht. Und nun hat man recht überrascht und augenreibend festgestellt, dass diese bislang als "lokales Phänomen" angesehene Bande, sehr wahrscheinlich mit tatkräftiger iranischer Unterstützung, Raketen hat, die bis nach Israel fliegen können und mit denen sie auch große Bulk Carrier versenken können. Zwar treffen sie meistens nicht, aber das muss nicht dauerhaft so bleiben und man kann es eben nicht mehr gänzlich ignorieren...

Westliche Denkweise ist auf Zerstörung ausgelegt und nicht auf Kontrolle und daher stets zum Scheitern verurteilt, wenn es darum langfristige Kriegsziele in der Region zu erreichen. Es wurde massiver Krieg aus der Luft und am Boden gegen die Houthi sehr lange und mit sehr viel finanziellem und materiellem Aufwand geführt. Man hat versucht mit den Radikalsunniten+Söldnern+Luftunterstützung Syrien für die Saudis zu erobern und ist gescheitert. Man hat versucht ebendieser Truppe den Jemen zu erobern und ist gescheitert. Zerstört hat man viel, aber der Feind hat seine Kontroller dabei sogar noch optimiert. Weil er besser, nachhaltiger vernetzt und vor allem viel besser organisiert ist. Anschließend waren die Houthis zumindest waffentechnisch und auch sachlich, fachlich erheblich stärker als vorher. Auch der Zuspruch innerhalb der Bevölkerung ist dadurch gestiegen, nicht zuletzt weil sie den Zivilbereich auch unter diesen Bedingungen besser in den Griff bekommen haben, als die Sunnitischen Gegenpole, die über unbegrenzt Waffen und Geld, alllerdings auch über organisatorische Unfähigkeit verfügen. Daher können 30% Schiiten die 70% Nicht-Schiiten dominieren, aber n icht umgekehrt, obwohl es in den Houthi Gebieten weder nennenswerte Aufstände noch ethnisch-religiöse Verfolgungen gibt. Die Saudis haben es mit aushungern versucht. Das versuchen auch die Israelis in Gaza. Wir werden wahrscheinlich (leider) weiter sehen, wie hilfreich das für das Thema Area Control schlussendlich ist.

Insofern müsste schon etwas mehr Aufwand vollumfänglich betrieben werden, damit die Sunniten in der Lage sind, die schiitische Minderheit zu unterdrücken, um irgendetwas Nachhaltiges zu erreichen, was sich gegen die Houthi als erfolgreich erwiesen könnte. Das impliziert jedoch, dass Al-Kaida im Jemen dann freie Hand hat mit der entsprechenden Konsequenz daraus und die bedeutet, dass die nicht Schiffe im Roten Meer sinken sondern Weihnachtsmärkte in Europa brennen und in Arabien wieder die Köpfe rollen. Das ist am Ende Geschmackssache und auch eine Frage der jeweiligen Fähigkeiten und Mittel.

Zitat:Insofern: Ignorieren und ein "Aussitzen" des Problems ist keine Lösung. Irgendwann tauchen vielleicht deutlich bessere Raketen oder gar Massenvernichtungswaffen in den Händen dieser Fanatiker auf.

"Bessere" Raketen? Wozu? Mehr könnten es werden und die Houthis könnten sie auf wesentlich bösartigere Weise einsetzen. Also bpsw. statt 20 Ziele mit 50 Raketen anzugreifen könnten sie auch ein einziges Ziel mit 50 Raketen angreifen. Das ist die militärisch größere Herausforderung, kostet die Houthi dasselbe nur den Feind mehr. Das erfüllt gerade aus Sicht der Houthi aber keinen Zweck, weil sie eigentlich "nur" die Seefahrt nach Eilat stören wollen, was ihnen durch Heckenschützen-Taktik bereits heute gut gelingt. Eilat ist vom Markt und der private Betreiber wirtschaftlich bankrott. Mehr ist aus Sicht der Houthi nicht machbar aktuell und auch seitens der Widerstandsachse derzeit erforderlich. Die Houthi haben durch ihre militärstrategisch ausgesprochen erfolgreiche Seekriegsführung innerhalb der anti-israelischen Achse sich in den letzten Monaten höheres Standing erarbeitet. Also vom Netto-Empänger zum Netto-Zahler wenn man es so ausdrücken will. Damit haben sie ein Standing und Einfluss auf dem gleichen Level, wie Hisbollah oder die irakische PMF, damit entsprechend mehr Mitsprache und Leverage, denn Einigkeit besteht innerhalb dieser Achse nur im Groben was die gemeinsame Gegnerschaft betrifft. Im Detail kocht jeder seine eigene Suppe mit eigenen lokalen Präferenzen und Interessen, die oft nicht deckungsgleich sind. Da hilft es den Houthis sehr, dass sie wichtig (geworden) sind. Für den Iran sind die Houthi natürlich hochinteressant, weil sie abhängig sind.

(01.09.2024, 23:02)Quintus Fabius schrieb: Warum diesen Gegner überhaupt besiegen?

Dieser "Gegner" betrachtet(e) sich nur sehr indirekt als ein Feind von Ländern, wie Frankreich, Deutschland oder Spanien. Da besteht wenig Interesse, Reibung oder ähnliches. Im Jemen ist das ein Spiel zwischen

"Blau"
- Den Golfarabern, welche elementar eine organisierte Opposition schiitischer Minderheiten und den Erfolg schiitischer Milizstrukturen fürchten
- Israel, die von den Houthi zum ideologischen Feind erklärt wurden und als verlängerter Arm der USA gesehen werden
- USA, die von den Houthi zum ideologschen Feind erklärt wurden, weil sie hinter den Feinden im Jemen stecken
- Saudi Arabien, die den Houthi wiederholt den Krieg erklärt haben, weil sie ihre sunnitischen, dysfunktionalen Statthalter bekämpft und vertrieben haben, was ohne große Zahl an jemenitischen Sunniten nicht möglich gewesen wäre. = ganz gefährliche Vorlage.
- UK, F, EU die stets zur Verstärkung für Team Blau anreisen, wenn die Kapitäne mal wieder 3 1/2 Pläne haben

In roten Trikots:
Iran + Houthi. Der Iran, weil die Houthi ihnen religiös und von der Zusammensetzung der Feinde am nächsten stehen und die Lage so strategisch spannend ist. Gleichzeitig bietet der Jemen ungemein viel Leverage für die Pflege der historischen, freundschaftlichen, diplomatischen Beziehungen mit den saudischen Nachbarn. Saudis in Angst sind nicht nur den Westen am umgänglichsten, sondern auch für den Iran.

Militärisch kann die blaue Mannschaft die meisten Schlachten gewinnen, aber einen Krieg (s. Jemen, Libanon, Syrien, Irak, Afghanistan, ...) nur schwer nachhaltig in ihrem, Lager halten. Das liegt an der kulturellen, organisatorischen Inkompetenz insb. lokaler Partner, die das Terrain halten und im Zweifel gegen größere Minderheiten kontrollieren müssen. Und am Ende muss das auch jemand bezahlen, mit Geld und Leben.

Daher macht es am ehesten Sinn für die EU, die Probleme vor ihrer eigenen Haustür zu kehren und die Kriege Israels nicht zu ihren eigenen zu erklären.

Insofern mal ein Gedankenexperiment von der günstigen Sorte: Wie wäre es, wenn man Israel unter Druck setzt die Militäroperation in Gaza und der Westbank zu beenden und einen Palästinenserstaat anzuerkennen. Dann ist das ganze Wind aus dem Segel. Und zwar auf allen Seiten. Das kostet am wenigsten. Geld und Leben.
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RE: Krise im Roten Meer / Operation Prosperity Guardian - von KheibarShekan - 02.09.2024, 08:38

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