26.08.2024, 07:04
Zum ukrainischen Vorstoß auf Kursk:
Dieser hält weiter an. Bei Tjotkino (hier) haben sich die Ukrainer nun ebenfalls auf russischem Gebiet dauerhaft festgesetzt. Perpetuas Lagekarte deutet an, dass versucht werden dürfte, die bereits erwähnte russische Truppenkonzentration zwischen der von Tjotkino ostwärts weisenden Angriffsachse, dem Fluss Sejm, der ukrainischen Grenze und natürlich den von Korenewo aus westwärts vorstoßenden Truppen einzuschließen.
Ich würde davon ausgehen, dass die Ukrainer nicht ernsthaft versuchen werden, über den Sejm zu setzen. Er taugt zu gut als natürliche Barriere.
Zum russischen Vorstoß im Donbass:
Der Vorstoß auf Toretsk hält weiter an. In den vergangenen Tagen haben die Russen laut der Lagekarte mehrere Quadratkilometer Gelände gutgemacht. Der Fall von Nju-Jork ist jetzt sicher.
Zur Lage der russischen Armee:
Die Mobiks aus dem Herbst 2022 stehen nun seit fast zwei Jahren dauerhaft im Feld. Der Z-Blogger 'Vault8', der selbst dieses Schicksal teilt, sieht mit dem Ablauf der Frist eine kritische Masse erreicht. Er schreibt: "Die psychologische Marke von zwei Jahren ist bald erreicht. Und die Jungs stecken mitten in einer akuten Krise", weil sie "jedes Interesse am Krieg verloren haben". Es herrsche "Müdigkeit, wegen der Aneinanderreihung großer Ungerechtigkeiten". Es sei "schwer, sich selbst zu erklären, was man im Krieg tun soll, wenn man zwei Jahre lang viele Freunde verloren hat, viel Scheiße gesehen hat, und sich kaum jemand für dich interessiert". Auch die Familien würden unruhig, die Ehefrauen der Männer könnten so nicht leben. Selbst die Kontraktniki dächten so, die Verträge auf sechs Monate geschlossen hätten und dann einfach vergessen worden seien. Er schließt, dass "das soziale Experiment, das feudale Prinzip des Wehrersatzes durch einmalige Rekrutierung" sicherzustellen, "schreckliche Kosten" verursache. "In erster Linie ist das Ergebnis des Experiments die massenhafte Erkenntnis, dass es Bullshit ist." (Quelle)
Zur geostrategischen Lage:
Der belarussische Präsident Aljaksandr Lukaschenka hat in den vergangenen Tagen nach eigenen Worten ein Drittel der Streitkräfte seines Landes an die ukrainische Grenze verlegt. Dies geschehe, um einer "Aggression" der Ukraine vorzubeugen, die ihre Nordostgrenze mit 120.000 Soldaten schützt. Die ukrainische Regierung wies die Anschuldigung zurück und sprach ihrerseits davon, dass Lukaschenka bloß rhetorisch eskaliere, um Wladimir Putin zu gefallen; ein wirklicher Aufmarsch sei bis dato nicht beobachtet worden (Quelle).
Zwischenzeitlich wurde die Truppenkonzentration in der Oblast Homel jedoch bestätigt. Dort seien auch schwere Waffen wie Raketenartillerie und Einheiten der Söldnertruppe Wagner zusammengezogen worden. Kiew hat Minsk aufgerufen, die Truppen abzuziehen und betont, dass "die Ukraine niemals feindselige Handlungen gegen das belarussische Volk unternommen hat noch wird", man aber "bereit und willens" sei, sich "in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen" gegen jede von Belarus ausgehende Grenzverletzung zu verteidigen (Quelle).
Ein "Drittel" wären etwa 20.000 bis 30.000 Soldaten. Die schlecht ausgestattete und nicht kriegserprobte weißrussische Armee ist ihrem ukrainischen Pendant sowohl in der Region als auch insgesamt betrachtet unterlegen; man darf bezweifeln, dass Lukaschenka wirklich militärisch aktiv werden will, was er ja bisher immer vermieden hat. Es ist aber gut möglich, dass dieses Säbelrasseln dazu dient, die Ukrainer daran zu hindern, Kräfte von einem relativ ruhigen Abschnitt der Grenze abzuziehen und nach Kursk zu verlegen.
Der BGH hat mit seinen Beschlüssen 2003 und 2016 klargemacht, dass es primär von der politischen Einschätzung der Bundesregierung abhängt, ob die Bundeswehr bei einem verfassungsgemäß stattfindenden Auslandseinsatz sich in einem (nicht-)internationalen bewaffneten Konflikt befindet – oder eben nicht.
Die Bundesregierung hat in der Außen- und Sicherheitspolitik weitreichende Ermessensspielräume, die auch nur sehr bedingt justiziabel sind. Gerichte können nur überprüfen, ob die Regierung ihren Ermessensspielraum mit pflichtschuldiger Sorgfalt angewandt haben, das Ergebnis jedoch unterfällt dem Primat der Politik.
Die Bundesregierung kann also sehr wohl beschließen, dass eine Situation, die vernünftigerweise als Krieg zu bezeichnen wäre, aus deutscher Sicht kein Krieg ist. Und von dieser Einschätzung hängt es letztlich ab, ob deutsche Gerichte das StGB auf Kampfhandlungen anzuwenden haben, oder nur die Bestimmungen des VStGB greifen.
Solange die Bundesregierung Afghanistan nicht als bewaffneten Konflikt nach dem humanitären Völkerrecht einstufte, bewegten sich deutsche Soldaten in Kampfhandlungen auf dünnem Eis. Nur mit Notwehr oder Nothilfe (§ 32 StGB) konnten sie es begründen, wenn sie Aufständische verwundeten oder töteten.
Ebendeswegen waren die RoE der Bundeswehr bis Ende 2008 auch auf die Vermeidung von Kämpfen ausgelegt, insbesondere wurden offensive Aktionen vermieden, die nämlich leicht Tatbestandsmerkmale der §§ 211, 212 StGB (Mord, Totschlag) hätten verwirklichen können.
2008 erfolgte eine hochgefährliche Anpassung. Da sich die Sicherheitslage in Nordafghanistan erheblich verschlechtert hatte und die Alliierten einen resoluteren Ansatz verlangten, befahl das EinsFüKdo, in bekanntermaßen aufständischen Distrikten provokant Präsenz zu zeigen. In 'Der Panzergrenadier' konnte man damals lesen, dass er der Truppe als ausgemacht galt, Kämpfe mit den Taliban halbwegs rechtssicher zu provozieren.
Diese Hoffnung ging auf, in der ersten Jahreshälfte 2009 häuften sich die TICs, dann reagierte zu Guttenberg, der politisches Kapital darin witterte, der langjährigen Kritik zu begegnen, dass Berlin so tat, als bohrte die Bundeswehr bloß Brunnen im Kunduz-Tal, obwohl immer mehr Soldaten tot heimkehrten.
Durch die Umstufung stellte sich die Rechtslage ein, dass deutsches (Friedens-)Strafrecht auf militärische Handlungen nicht mehr zur Anwendung kam. Die Bundeswehr konnte nun offensiv vorgehen, auch ohne dass Aufständische zuvor Leib und Leben von Soldaten bedroht hatten.
Übrigens wurde auf Oberst Klein selbstverständlich das VStGB angewendet. Aus deutscher Sicht stellt das VStGB den ausschließlichen Beurteilungsmaßstab bereit, ob eine militärische Handlung in einem bewaffneten Konflikt i.S.d. Völkerrechts zulässig ist oder nicht. Erfüllt sie die Tatbestände des VStGB nicht, ist sie zulässig.
Wäre Klein am StGB gemessen worden, wäre die Sache ganz anders ausgegangen.
Dieser hält weiter an. Bei Tjotkino (hier) haben sich die Ukrainer nun ebenfalls auf russischem Gebiet dauerhaft festgesetzt. Perpetuas Lagekarte deutet an, dass versucht werden dürfte, die bereits erwähnte russische Truppenkonzentration zwischen der von Tjotkino ostwärts weisenden Angriffsachse, dem Fluss Sejm, der ukrainischen Grenze und natürlich den von Korenewo aus westwärts vorstoßenden Truppen einzuschließen.
Ich würde davon ausgehen, dass die Ukrainer nicht ernsthaft versuchen werden, über den Sejm zu setzen. Er taugt zu gut als natürliche Barriere.
Zum russischen Vorstoß im Donbass:
Der Vorstoß auf Toretsk hält weiter an. In den vergangenen Tagen haben die Russen laut der Lagekarte mehrere Quadratkilometer Gelände gutgemacht. Der Fall von Nju-Jork ist jetzt sicher.
Zur Lage der russischen Armee:
Die Mobiks aus dem Herbst 2022 stehen nun seit fast zwei Jahren dauerhaft im Feld. Der Z-Blogger 'Vault8', der selbst dieses Schicksal teilt, sieht mit dem Ablauf der Frist eine kritische Masse erreicht. Er schreibt: "Die psychologische Marke von zwei Jahren ist bald erreicht. Und die Jungs stecken mitten in einer akuten Krise", weil sie "jedes Interesse am Krieg verloren haben". Es herrsche "Müdigkeit, wegen der Aneinanderreihung großer Ungerechtigkeiten". Es sei "schwer, sich selbst zu erklären, was man im Krieg tun soll, wenn man zwei Jahre lang viele Freunde verloren hat, viel Scheiße gesehen hat, und sich kaum jemand für dich interessiert". Auch die Familien würden unruhig, die Ehefrauen der Männer könnten so nicht leben. Selbst die Kontraktniki dächten so, die Verträge auf sechs Monate geschlossen hätten und dann einfach vergessen worden seien. Er schließt, dass "das soziale Experiment, das feudale Prinzip des Wehrersatzes durch einmalige Rekrutierung" sicherzustellen, "schreckliche Kosten" verursache. "In erster Linie ist das Ergebnis des Experiments die massenhafte Erkenntnis, dass es Bullshit ist." (Quelle)
Zur geostrategischen Lage:
Der belarussische Präsident Aljaksandr Lukaschenka hat in den vergangenen Tagen nach eigenen Worten ein Drittel der Streitkräfte seines Landes an die ukrainische Grenze verlegt. Dies geschehe, um einer "Aggression" der Ukraine vorzubeugen, die ihre Nordostgrenze mit 120.000 Soldaten schützt. Die ukrainische Regierung wies die Anschuldigung zurück und sprach ihrerseits davon, dass Lukaschenka bloß rhetorisch eskaliere, um Wladimir Putin zu gefallen; ein wirklicher Aufmarsch sei bis dato nicht beobachtet worden (Quelle).
Zwischenzeitlich wurde die Truppenkonzentration in der Oblast Homel jedoch bestätigt. Dort seien auch schwere Waffen wie Raketenartillerie und Einheiten der Söldnertruppe Wagner zusammengezogen worden. Kiew hat Minsk aufgerufen, die Truppen abzuziehen und betont, dass "die Ukraine niemals feindselige Handlungen gegen das belarussische Volk unternommen hat noch wird", man aber "bereit und willens" sei, sich "in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen" gegen jede von Belarus ausgehende Grenzverletzung zu verteidigen (Quelle).
Ein "Drittel" wären etwa 20.000 bis 30.000 Soldaten. Die schlecht ausgestattete und nicht kriegserprobte weißrussische Armee ist ihrem ukrainischen Pendant sowohl in der Region als auch insgesamt betrachtet unterlegen; man darf bezweifeln, dass Lukaschenka wirklich militärisch aktiv werden will, was er ja bisher immer vermieden hat. Es ist aber gut möglich, dass dieses Säbelrasseln dazu dient, die Ukrainer daran zu hindern, Kräfte von einem relativ ruhigen Abschnitt der Grenze abzuziehen und nach Kursk zu verlegen.
(25.08.2024, 16:42)alphall31 schrieb: Auch durch eine Neubewertung des afghanistaneinsatzes hat sich die Anwendung des StGB nicht geändert .Du hast mich oder die Rechtslage missverstanden.
Wir haben weder einen angriffskrieg geführt noch Gegen die Charta der VN verstoßen . Ein angerichtetes massaker wäre auch vor der Umbewertung schon unter VStGB gefallen und eine einsatzbedingte Tötung viel auch nach der Umbewertung weiter unter StGB bis zum Abschluss der Bewertung . Dann wurden sie entweder zu Akten gelegt oder an die jeweilige heimatstaatsanwaltschaft übertragen . Später an Staatsanwaltschaft Kempten.
Auch bei Oberst klein kam das VStGB nicht zur Anwendung. Solange keine von den aufgeführten Verbrechen begangen werden findet es auch keine Anwendung
Der BGH hat mit seinen Beschlüssen 2003 und 2016 klargemacht, dass es primär von der politischen Einschätzung der Bundesregierung abhängt, ob die Bundeswehr bei einem verfassungsgemäß stattfindenden Auslandseinsatz sich in einem (nicht-)internationalen bewaffneten Konflikt befindet – oder eben nicht.
Die Bundesregierung hat in der Außen- und Sicherheitspolitik weitreichende Ermessensspielräume, die auch nur sehr bedingt justiziabel sind. Gerichte können nur überprüfen, ob die Regierung ihren Ermessensspielraum mit pflichtschuldiger Sorgfalt angewandt haben, das Ergebnis jedoch unterfällt dem Primat der Politik.
Die Bundesregierung kann also sehr wohl beschließen, dass eine Situation, die vernünftigerweise als Krieg zu bezeichnen wäre, aus deutscher Sicht kein Krieg ist. Und von dieser Einschätzung hängt es letztlich ab, ob deutsche Gerichte das StGB auf Kampfhandlungen anzuwenden haben, oder nur die Bestimmungen des VStGB greifen.
Solange die Bundesregierung Afghanistan nicht als bewaffneten Konflikt nach dem humanitären Völkerrecht einstufte, bewegten sich deutsche Soldaten in Kampfhandlungen auf dünnem Eis. Nur mit Notwehr oder Nothilfe (§ 32 StGB) konnten sie es begründen, wenn sie Aufständische verwundeten oder töteten.
Ebendeswegen waren die RoE der Bundeswehr bis Ende 2008 auch auf die Vermeidung von Kämpfen ausgelegt, insbesondere wurden offensive Aktionen vermieden, die nämlich leicht Tatbestandsmerkmale der §§ 211, 212 StGB (Mord, Totschlag) hätten verwirklichen können.
2008 erfolgte eine hochgefährliche Anpassung. Da sich die Sicherheitslage in Nordafghanistan erheblich verschlechtert hatte und die Alliierten einen resoluteren Ansatz verlangten, befahl das EinsFüKdo, in bekanntermaßen aufständischen Distrikten provokant Präsenz zu zeigen. In 'Der Panzergrenadier' konnte man damals lesen, dass er der Truppe als ausgemacht galt, Kämpfe mit den Taliban halbwegs rechtssicher zu provozieren.
Diese Hoffnung ging auf, in der ersten Jahreshälfte 2009 häuften sich die TICs, dann reagierte zu Guttenberg, der politisches Kapital darin witterte, der langjährigen Kritik zu begegnen, dass Berlin so tat, als bohrte die Bundeswehr bloß Brunnen im Kunduz-Tal, obwohl immer mehr Soldaten tot heimkehrten.
Durch die Umstufung stellte sich die Rechtslage ein, dass deutsches (Friedens-)Strafrecht auf militärische Handlungen nicht mehr zur Anwendung kam. Die Bundeswehr konnte nun offensiv vorgehen, auch ohne dass Aufständische zuvor Leib und Leben von Soldaten bedroht hatten.
Übrigens wurde auf Oberst Klein selbstverständlich das VStGB angewendet. Aus deutscher Sicht stellt das VStGB den ausschließlichen Beurteilungsmaßstab bereit, ob eine militärische Handlung in einem bewaffneten Konflikt i.S.d. Völkerrechts zulässig ist oder nicht. Erfüllt sie die Tatbestände des VStGB nicht, ist sie zulässig.
Wäre Klein am StGB gemessen worden, wäre die Sache ganz anders ausgegangen.